Start Stadtteile Jülich Wenn Luke Skywalker in die Notfallhilfe kommt…

Wenn Luke Skywalker in die Notfallhilfe kommt…

Karneval ist Ausnahmezustand. Alle werden Jeck und das Bier in der Hand gehört quasi schon zum Brauchtum. Während der fünften Jahreszeit gibt es auch deswegen Menschen, die auf das Feiern verzichten und ehrenamtlich auf Karnevalisten in ihrer Umgebung aufpassen. Sie treten aus dem Hintergrund hervor, wenn die Feierlaune in Hilflosigkeit umschlägt. Der Herzog hat an Weiberfastnacht die Malteser an einem Hotspot des Jülicher Karnevals begleitet. Heute ist Rosenmontag, da ist in der Regel deutlich mehr los als am Donnerstag.

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Das Einsatzteam "Karneval" der Jülicher Malteser. Foto: Mira Otto
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Es ist 16 Uhr. Im Andreashaus in Lich-Steinstraß haben die Malteser Gliederung Jülich ihr Lager aufgeschlagen. Gleich nebenan ist ein großes Zelt. 2000 Menschen werden hier heute feiern. Im Haus hat der Rettungsdienst Vorkehrungen getroffen, um auf das Unvorhersehbare vorbereitet zu sein. Um ernste Fälle schnell in das Krankenhaus bringen zu können, stehen mehrere vollausgerüstete Rettungswägen bereit. Ein Einsatzleitwagen ist die Stabstelle. Von hier aus wird der Einsatz koordiniert. Auch das Andreashaus wurde für den Notfall quasi umgebaut. Ein Raum ist jetzt eine Unfallhilfsstelle. Zwischen den beiden Tragen im Raum stehen Banner, damit sich die Verletzten während der Behandlung nicht gegenseitig in die Augen schauen müssen. Alles ist da. Neben etlichem Verbandszeug, Scheren, Desinfektionsmittel ist ein Beatmungsgerät vorhanden. Auch ein Schockgerät steht griffbereit, falls der Puls bei einem Patienten ausbleibt.

Auch wenn in der Innenstadt die Volltrunkenen bereits ohne auf den Verkehr zu achten über die Straße laufen, ist es noch ruhig. Im Zelt ist beste Stimmung. Karnevalslieder werden mitgeschmettert. Viele fallen sich in die Arme, wenn sie auf Bekannte treffen. Die Malteser allerdings mussten schon umdisponieren. Die Hälfte der Truppe ist spontan wegen einem Bombenfund nach Heinsberg gefahren, weil bei der Evakuierung Hilfe gebraucht wird. Erst am späten Abend werden sie zurückkehren.

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Unter denen, die im Andreashaus geblieben sind, ist Rettungssanitäter Kai Albuszies. Sein bester Kumpel ist heute auch Leute retten. Alle sind an diesem Tag ehrenamtlich im Dienst. Viele müssen nach nur einigen Stunden Schlaf am nächsten Tag wieder zur Arbeit. „Das ist bei uns wie eine kleine Welt, wie eine große Familie. Wegen diesem familiären Zusammenhalt bin ich beim Rettungsdienst“, sagt er.

Immer wieder geht der Funk. Sofort ist das Gespräch unterbrochen und die Anspannung ist greifbar. Alle hören zu. War nichts. Entspannung. Bis zum nächsten Funkspruch.
Kurze Zeit später sitzt ein Junge in der Unfallhilfsstelle. Der 17-jährige erklärt hackedicht, dass ihm seine Nase und das Knie wehtut. Ein Rettungssanitäter hat ihn aus der Schlange im Zelt gezogen. Der Junge kann sich nicht erinnern, was passiert ist. Die Eltern werden, gegen zahlreiche Einwände des Teenagers, angerufen.
Der Junge ist ein kein Einzelfall. Viele Jugendliche probieren sich während des Karnevals aus. Auch in Sachen Alkohol. Nicht selten fahren die Rettungskräfte wegen einer Alkoholvergiftung dann nicht ins nächste Krankenhaus, sondern nach Birkesdorf – in die Kinderklinik.

Sobald die Dunkelheit hereinbricht, macht eine rote Lampe am Einsatzleitwagen auf dem Rettungsdienst aufmerksam. Die Malteser patrouillieren jetzt nicht mehr nur im Zelt, sondern laufen auch die Umgebung ab. Manch ein Betrunkener sucht sich in der Kälte der Nacht sein Bett im Gebüsch. Auch im Zelt ist es jetzt etwas wilder geworden. Das bedeutet für die Rettungssanitäter, dass jetzt auch der Selbstschutz mehr Aufmerksamkeit braucht.

Albert Dreyling läuft im Zelt vor. Er ist bei den Maltesern der berufene Notfallsseelsorger. Ein junger Mann läuft Dreyling schielend entgegen. Die Uniform scheint aufzufallen. Der Mann bleibt stehen. Noch bevor irgendwas passieren kann, hebt Dreyling die Hände und tanzt kurz zur Musik. Der Mann, der offensichtlich schon das ein oder andere Bier gesehen hat, macht mit und lacht. Alle Rettungssanitäter versuchen, deeskalierend zu wirken, wenn das gegenüber Aggressionspotential zeigt. „Da ist schon ein gewisser Respekt da. Wir werden akzeptiert“, sagt Dreyling zu der Tatsache, dass Rettungskräfte in der Vergangenheit immer wieder im Dienst beleidigt, bespuckt oder auch geschlagen worden sind. Dann weiter: „Aber die Nacht wird für die Kollegen schwer werden. Alkohol enthemmt.“

Ein anderer Sanitäter hatte nicht so viel Glück. Er lässt sich im Andreashaus auf einen Stuhl nieder und hält sich den Oberschenkel fest. Er habe eine Bierflasche gegen das Bein bekommen. Wer es war, wisse er nicht. Noch Stunden später legt er seine Hand auf den blauen Fleck, der sich unter der Uniform bildet.

In der Zwischenzeit ist Luke Skywalker in die Unfallhilfsstelle getragen worden. Er ist 23 Jahre alt. Über den Boden zieht sich eine Blutspur. Das Knie ist offen. Drei Malteser haben alle Mühe, Skywalker auf der Trage zu halten. „Ist dir schlecht?“, fragt Miriam B, die ebenfalls bei den Maltesern ist. „Ne, optimal“, antwortet Skywalker. Das Handy entsperren, um Freunde und Verwandte anzurufen, dauert einige Minuten. Währenddessen wird das Knie versorgt. Um zu telefonieren, hat sich Skywalker aufgesetzt. Albert Dreyling setzt sich neben ihn, damit der Mann weiterhin ruhig bleibt. Plötzlich kippt der Betrunkene nach vorne. Ich mache einen Satz nach hinten, um aus der Schussbahn seines Wasserbechers zu bleiben. Dreyling, der übrigens weit über 60 Jahre alt ist, stemmt währenddessen reflexartig die Hand gegen die Schulter des Mannes und verhindert so einen weiteren Sturz. Für ihn ist dies reine Routine. Ohne das Skywalker es merkt, stellt sich ein anderer Malteser hinter ihn, falls er rückwärts abstürzen sollte.

Eine Frau im Tüllrock kommt in Begleitung ihres Retters, einem Mann im SWAT-Kostüm, in die Hilfsstelle. Die Schnittwunde an der Hand ist schnell versorgt. Tüllchen verrät Miriam B. kichernd ihren Namen. Skywalker wird auf die junge Frau aufmerksam. „Meine Katze reißt mir den Verband ab“, platzt dieser heraus und fängt mit Tüllchen ein unzusammenhängendes Gespräch über seine junge Katze an. SWAT wirft böse Blicke und verlässt kurz darauf mit der versorgten Patientin die Basis der Maltester. Mit großen Augen schaut Skywalker in die Richtung von Kai Albuszies. „Ich brauche keine Frau. Ich muss mich doch nicht geiseln lassen“, sagt er in die Richtung des Rettungssanitäters. Er scheint sichtlich enttäuscht. „Ja, ich mich auch nicht“, sagt Albuszies.

Viele weitere kleine Fälle werden bis 23 Uhr versorgt. Vor allem Verletzungen, die durch Stürze verursacht worden sind. Der Rettungswagen bleibt still. An Weiberfastnacht ist es – auch im Vergleich zu den anderen Jahren – sehr ruhig geblieben. Trotzdem steht nicht ohne Grund ein vollautomatisches Schockgerät in der Unfallhilfsstelle.

Auch am heutigen Rosenmontag werden viele Hilfskräfte zwischen den Feiernden unterwegs sein. Da um helfen, wenn man sich selbst nicht mehr helfen kann.


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