„Man muss dranbleiben“ ist die Erkenntnis von Christian Klems. Der Ortsvorsteher von Welldorf setzt sich seit 20 Jahren für seinen Heimatort Welldorf ein und hat neben einer gewissen Gelassenheit, das nötige Maß an Hartnäckigkeit und ein funktionierendes Netzwerk. So komme er oft schnell bei kleineren Projekten ans Ziel, verrät der 71-jährige. Viele kleine Maßnahmen, wie sie im Dorfentwicklungskonzept niedergelegt sind, ließen sich auf dem kleinen Dienstweg erledigen. Dazu sucht Klems immer den direkten Kontakt: „Ich habe gute Kontakte zur Verwaltung und die pflege ich auch.“ Ständiges Thema sind etwa die Pflegestandards: Unter Bänken wuchert Unkraut, Sperrmüll und wilder Abfall werden gemeldet. Übrigens gerne beim Besuch des Friedhofs, wie Christian Klems schmunzelnd erzählt. Dabei beherzige er stets den väterlichen Rat: „Sei nett zu den Menschen, dann bekommst Du viel zurück.“
Apropos: Der Friedhof ist ein drängendes Thema in Welldorf, nicht das Gräberfeld an sich, aber die Leichenhalle und damit ein würdiger Verabschiedungsort für Hinterbliebene betrifft. Der Zustand ist verbesserungswürdig. Das hat auch die Friedhofskommission beschieden, die laut Klems eine wirklich gute Arbeit mache. Wegen der geplanten Veränderungen in der Pfarrei Heilig Geist, zu der die Welldorfer Gemeinde gehört, erhält diese Friedhofskapelle eine besondere Bedeutung: „Wenn die Kirche wirklich geschlossen werden sollte, haben wir immer noch die Marienkapelle, das Pfarrhaus und die Leichenhalle – darum ist es für mich so wichtig, dass die Leichenhalle im Bestand bleibt und in gutem Zustand ist.“ Es werde Geld in den Haushalt eingestellt, damit die Leichenhalle „aufgehübscht“ werden könne.
„Aufgehübscht“ ist bereits das genannte Pfarrhaus, das den Welldorfern inzwischen als Versammlungsort dient. Es wird für Sitzungen genutzt und für Festlichkeiten vermietet. „Das läuft gut an“, sagt der Ortsvorsteher und lobt den Ehrenamtlichen, der diese Aufgabe übernommen hat. Neben diesem Begegnungsort unterhielten der Sportverein und die Schützen sowie der Tennisverein eigne Vereinsheime. Darin sieht Christian Klems auch einen Grund, warum die Kneipe, die zuletzt als Pizzeria betrieben wurde, seit 2011 geschlossen ist. „Eine Kneipe alleine rechnet sich nicht mehr“, so die Erkenntnis, wenigstens Fremdenzimmer oder eine Kegelbahn müssten die Einnahmen ergänzen – und die rund 2500 Menschen im Doppelort Welldorf-Güsten müssten das Angebot auch nutzen. Der Ortsvorsteher zuckt die Achseln: „Ich sehe keine Chance mehr, einen Wirt zu kommen.“
Einen Grund zum „kümen“ sieht Christian Klems dennoch nicht. Im Gegenteil: Er ist voll des Lobes für Welldorf. Großes Potenzial sieht er für die Dorfentwicklung durch die Grundschule mit Offener Ganztagsgrundschule und dem Kindergarten. Klar ist für ihn: Der Schulstandort, der sich sehr gut entwickelt habe, müsse unbedingt erhalten bleiben – oder sogar ausgebaut werden. „Die Schule platzt eigentlich aus allen Nähten, gerade der OGS-Bereich“, sagt der Ortsvorsteher. Mit dem Hochbauamt habe man bereits zusammengesessen und überlegt, ob eine Erweiterung möglich wären. Das Fundament des neuen Anbaus sei so ausgelegt, dass das Gebäude aufgestockt werden könne. Jetzt geht es ums Geld: Denn es gibt eine Abwägung, ob eine Aufstockung sinnvoll wäre oder aber die Sanierung des Lehrschwimmbeckens, das seit 2014 außer Betrieb ist. Darauf blickt Christian Klems mit einigem Missmut zurück. Die Decke sei saniert worden, es war neu gefliest und der Einbau der Wasseraufbereitungsanlage stand bevor. Dennoch habe sich der Stadtrat gegen das Bürgerbegehren entschieden: „5000 Unterschriften reichten nicht zum Erhalt“, erinnert Klems und man hört den Ärger. „Wegen formeller Fehler ist es vom Tisch gefegt worden.“ Derzeit wird der Raum als Lagerfläche genutzt. Die Umkleiden dienen als Ruheräume für die OGS. Was jetzt aus dem Lehrschwimmbecken werden soll, ist noch nicht entschieden. Erst im vergangenen Schulausschuss kam das Thema wieder zur Sprache. Eine mögliche Variante wäre auch, eine Decke einzuziehen und weitere Klassenräume zu generieren. Wenn eine Entscheidung gefallen ist, gibt es nur noch eine Unwägbarkeit: „Dann müssen wir sehen, ob das Geld dafür zur Verfügung steht.“
Schule und KiTa sind auch ein Zuzugsargument für junge Familien. „Welldorf ist nach wie vor ein wachsender Ort“, sagt Klems nicht ohne stolz. „Ich glaube, wir sind das zweitjüngste Dorf von der Bevölkerungsstruktur her.“ Allerdings gibt es wenig „Leerstände“ im Dorf und ein Neubaugebiet ist nicht in Aussicht. Eine unbebaute Fläche mit 10 bis 12 Parzellen gäbe es oberhalb der Bahngasse. Hier sei bereits eine Erschließung erfolgt. Aber das Areal gehöre einer Erbengemeinschaft. „Das ist schwierig“, räumt Klems ein. Bauentwicklungsland mit städtischen und privaten Flächen gäbe es auch. Ein weiteres Gebiet gebe es im Bereich der Huthmacherstraße. Bis es hier zu einer Entscheidung käme, „sind wir aber auch 20 Jahre weiter“, schätzt der Ortsvorsteher. „Ich plädiere dafür, die Lücken zu schließen“, sagt er. Eine Verdichtung im Ort etwa durch Flächen auch des RWE sei möglich.
Die Verdichtung bedeutet natürlich auch immer, dass der Verkehr in den zum Teil engen Straßen eher zu- als abnimmt. „Wir haben viele kleinere Straßen, an denen die Autos draußen stehen. Dann kommen die Landwirte mit ihren schweren Maschinen nicht mehr durch. Das ist ein Riesenproblem“, schildert Klems die Problematik. An der Schule führe der „Bringservice“ zusätzlich zu Problemen. Außerdem liege die Schule in einem verkehrsberuhigten Bereich. „Da gibt es schon mal Reibereien.“
Zusätzlich ist Welldorf als „Durchgangsort“ durch Raser belastet. Als Anwohner der Güstener Straße kann der Ortsvorsteher davon ein Lied singen. Es gelte zwar 30 km/h im Ort, aber vor einem halben Jahr sei im Fuchsend ein Fahrer nachts mit 125 km/h gemessen worden. Die Stadt besäße zwei mobile Geschwindigkeitsmessgeräte, das dauere eben, bis man an der Reihe wäre. Beantragt habe er es aber schon. Und wegen des überschaubaren Verkehrsaufkommens würden Geschwindigkeitskontrollen, eine fest installierte „Blitze“ oder die Genehmigung eines Zebrastreifen auch nicht möglich. Überlegt worden sei auch eine Einbahnstraßenregelung vom Fuchsend über die Schmiedstraße in den Ort hinein und über die Jülicher Straße aus dem Ort heraus. Das stoße bei den Anwohnern aber nicht auf große Gegenliebe.
Nach dem Dorfentwicklungskonzept gefragt, meint Klems, es habe eine große Erwartungshaltung geweckt. „Das ist das große Problem“. Ein Boule-Platz sei angeregt worden, eine Tiefgarage im Gespräch gewesen, sogar Welldorf als Haltestelle der geplanten Revierbahn war Thema. Keine Dinge, die absehbar umsetzbar seien.
Immer noch ungelöst ist auch das Vorhaben, einen Nahversorger an der Schnittstelle zwischen Welldorf und Güsten anzusiedeln. Der Ortsvorsteher hat auch keine wirklichen Antworten mehr. Vor Jahren habe es Verzögerung gegeben und „es hängt immer noch in der Pipeline.“ Derzeit fehlen wohl noch Angaben vom Investor. „Ich glaube, wir sind das zweitjüngste Dorf von der Bevölkerungsstruktur, was auch mit dem Standort der Schule und KiTa zu tun hat. Wir haben tolle Vereine, eine tolle Sportanlage, eine Turnhalle. Was jetzt noch fehlt, ist der Nahversorger“, schließt Ortsvorsteher Christian Klems. „Mit dem Nahversorger wäre es rund.“
Der Herzog stellt Fragen
Was muss in den Ortschaften rund um Jülich passieren, damit sie auch in Zukunft attraktive Wohnorte bleiben – oder sich dazu entwickeln? Laut Statistischem Bundesamt wird bis Mitte 2030 die Anzahl der Menschen im Rentenalter um etwa 20 % steigen. Der Verkehr als größter Verursacher von Treibhausgasen, erfordert ein Umdenken, gerade bei der Anbindung der Dörfer an die Stadt – Stichwort Mobilitätswende. Die Stadt Jülich möchte außerdem wachsen, und potenzielle Neubürger brauchen Wohnraum. Gerade zugezogene Städter beteiligen sich aber oft weniger am Vereins- und Gemeinschaftsleben der Dörfer. Dafür Lösungen zu entwickeln ist unter anderem Aufgabe von Dorfentwicklungskonzepten. Wo der Schuh am meisten drückt, möchte der HERZOG mit den Ortsvorstehern in einer Artikel-Serie klären.