Start Stadtteile Jülich Fisherman’s Friends, ein Beute-Jülicher und der Herzog 2030

Fisherman’s Friends, ein Beute-Jülicher und der Herzog 2030

Die Stadt Jülich feierte sich. Zuneigung für die Jülicher, Freude, in dieser Stadt zu leben, auch Stolz und Aufbruchstimmung – das waren die großen Merkmale, die den Neujahrsempfang des Jülicher Stadtmarketing Vereins bis zur letzten Rede auszeichneten. Das lag zwar bei den "Teamplayern", die in diesem Jahr den Stadtmarketing-Preis erhielten, nahe, ist aber keineswegs als Selbstverständlichkeit abzutun. Wolfgang Spelthahn, der sich ausdrücklich als Teil des Teams "Kreishaus" und Vertreter des Kreises bezeichnete und dafür ausgezeichnet wurde, dass er Jülich ein Kreishaus zurückgab. Und der Verlag Josef Fischer mit seiner 150-jährigen Tradition, die im Team gepflegt worden ist, wie Wolfgang Hommel stellvertretend für seine "Mannschaft" formulierte. Der Verlag hat nicht nur für Geschichte(n) in der Stadt gesorgt, er hat Nachrichten verbreitet, Identität geschaffen und darüber hinaus im Ehrenamt gesellschaftlich Eindruck hinterlassen und Einfluss genommen – im Sinne der Stadt, die ihm am Herzen liegt.

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Die Preisträger und die Festrednerin beim Neujahrsempfang 2020. Fotos: Dorothée Schenk
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Jülich ist für die Menschen mehr als eine Stadt, wie Sunita Gupta-Leßmann als stellvertretende Stadtmarketings-Vorsitzende in ihrer Begrüßung eindrucksvoll vorstellte. Es ist Heimat und im übertragenen Sinne „Zuhause“: Da kümmert man sich drum, übernimmt Verantwortung für einen ansehnlichen Zustand, für seine Mit-Bewohner und gestaltet – individuell für sich und für die Gemeinschaft. „Es gibt kein ,Amt für das seelische Wohlergehen‘ in der Stadt. Wir sind alle die Stadt, und an verschiedenen Stellen entstehen Wege und Konzepte der Identitätsentwicklung“, rief sie die Anwesenden auf, sich einzubringen. Im „Gedankenstrich“ zwischen historischer Festungsstadt – moderner Forschungsstadt sieht sie einen Auftrag, denn: „Ohne Herkunft und Zukunft ist unser Leben zusammenhanglos.“

Dass der Verein Stadtmarketing bereits in diesem Auftrag eifrig unterwegs ist, schilderte Wolfgang Hommel als Vorsitzender im Jahresrückblick. Er ließ etwa die Beteiligung am Lenkungskreis Innenstadt, Integrierten Handlungskonzept (InHK) Revue passieren, hob noch einmal die im Auftrag des Stadtmarketing e.V. entwickelte Muttkraat-Kampagne hervor. Als verdienstvollen, engagierten Jülicher hatte ihn Bürgermeister Axel Fuchs in seinem Grußwort gelobt und auch launig auf Hommels Widerspruchsgeist hingewiesen. Hommel selbst sieht sich eher als „Finger-in-die-Wunden-Leger“ und „Anreger“ und in diesem Selbstverständnis erinnerte er die Gäste daran, dass mit dem „Pfund Zitadelle“ mehr zu wuchern sei, dass beim InHK das große Ganze als Ziel im Blick sein muss und nicht das einzelne Projekt, denn schließlich möchte er „die Chancen Jülichs als koordinierte Aktion“ sehen. Einen beide Jülicher Komponenten verbindenden Slogan als Wortspiel hatte Wolfgang Hommel auch schon parat: „Forsche feste“ oder „Forsche, Feste, Jülich“ als Stadtleitbild.

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Als Mann der Worte wurde der Buchhändler, Autor und Verleger Wolfgang Hommel aus dem Traditions-Familienbetrieb Verlag J. Fischer in diesem Jahr mit dem Buchhandlungs-Team „Fischer“ geehrt. Er hätte die Jury nicht von der Wahl abbringen können, entschuldigte sich Wolfgang Hommel als „Sprecher“ des Teams „Fischer“. Für diese Mitarbeiter hätten er und seine Frau aber gerne die Auszeichnung „Stadtmarketing-Preis“ 2020 angenommen. Den Vergleich zum „Türöffner“ zog Marcell Perse als Laudator und hatte – als Museumsleiter und Archäologe mit Kopien vertraut – gleich einen Originalabguss des Türgriffs der Buchhandlung Fischer nach dem Entwurf von Dietmar Biermann als Anschauungsobjekt mitgebracht. Als „Fisherman‘s Friends“ hatte Perse die Gäste launig begrüßt, um dann den Bogen von der Familienhistorie über Namensinterpretation – „ein Fischer ist kein Angler“ – einen kleinen Exegese-Exkurs bis zur Werkanalyse zu spannen. Denn der Türöffner spiegele die Familien- und Firmenphilosophie: „Menschenfischer“ im besten Sinne seien sie, Partner der Kunden, Heimatkümmerer „mit einer Intensität, die über rein ökonomisches Denken hinausgeht“.

Gemeinsam dürfte den Preisträgern bei allem Realismus und wirtschaftlichen Verständnis ein gut Maß an Idealismus sein. Laudator Guido von Büren lobte Landrat Wolfgang Spelthahn als Initiativ-Geist, Beweger und Identitätsstifter, der nach der kommunalen Neugliederung als gebürtiger Barmener nicht nur „Beute-Dürener“ sondern auch „Beute-Jülicher“ wurde. Barmen hatte 1972 seine Selbständigkeit verloren. „In diesen Kategorien haben Sie aber nie gedacht, und Ihre Politik hat sich nie davon leiten lassen. Als Landrat des Kreises Düren haben Sie das Gesamtbild im Blick behalten und alles daran gesetzt, die Region insgesamt nach vorne zu bringen.“ Und so gestaltete sich auch das Dankeswort des Landrates, der nach der Entscheidung zum „Kohleausstieg“ in Berlin Jülichs zentrale Rolle im Strukturwandel formulierte, aber andererseits auch die Akteure in die Pflicht nahm: „Jülich ist eine historische Chance geschenkt. Ich glaube, wir müssen abstrahlen, dass wir hier eine starke Region sind. Es ist nichts besser, als heute beim Neujahrsempfang hier im Kreis der Stadt Jülich zu überlegen, wie wir diese Chance offensiv aufnehmen können.“ Als starke Partner zitierte Spelthahn das Forschungszentrum und die politischen Vertreter in Land und Bund. „Wenn wir diese Netzwerke anspannen, dann brauchen wir nicht 30 Arbeitsgruppen, dann müssen wir jetzt die Ärmel hochkrempeln und loslegen! Dann steht Jülich, dann steht die Region vor einer ungeheuren Prosperität.“

Wie das aussehen könnte, wusste Festrednerin und Landtagsabgeordnete Patricia Peill, die sich nicht den Erwartungen stellte, die Bundes- und Landeslage nach den Neuigkeiten aus Berlin zu kommentieren, sondern nach einem knappen Wort zum aktuellen Thema einen Blick in den HERZOG 2030 warf. Was ihrer Vorstellung nach dort die Menschen erwartet, dürfte Wasser auf die Mühlen von Landrat Spelthahn und Bürgermeister Axel Fuchs gewesen sein. In einer launigen Ansprache entwickelte sie das Bild einer Stadt zwischen autonomen Fahren mit den „Jülis“, einer – nahezu – autonomen Energieversorgung Dank eines dritten Solarturms, hatte die Stadtentwicklung mit der Axel-Fuchs-Kongresshalle im Blick, die für die Klimakonferenz 2035 ausgebucht ist, und die „FH Jülich – ehemals FH Aachen am Campus Jülich“, ein Bäderkonzept mit „Kamburg-Pool“ und Kultur in der „Corneli-Halle“ am Kulturbahnhof, die Muschel, den Brainergy-Park als „Thinktank“, der über die Michael-Gramm-Allee auf den Prof. Hoffschmidt-Platz führte. Es entstand ein so lebendiges Bild, dass die Gäste es mit hörbar angetanem Gelächter und Applaus quittierten und noch reichlich Gesprächsstoff bei den freundlich gereichten Häppchen und Getränken hatten.

Denn schließlich entstand dieses Gefühl, dass Sunita Gupta-Leßmann in ihrem Schlusswort bei der Begrüßung formuliert hatte: „Morgens wachst du auf und weißt, dass du am richtigen Fleck angekommen bist. Du lächelst, wenn du am Jülicher Ortsschild vorbei fährst. Du atmest tief ein, wenn die Zuckerrübe duftet. Du spitzt die Ohren, wenn die Muttkrat rumquäkt. Du gehst vielleicht gerne mal weg, aber am liebsten kommst du immer hierher zurück.“

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Dorothée Schenk
HERZOGin mit Leib und Seele. Mein HERZ schlägt Muttkrat, Redakteurin gelernt bei der Westdeutschen Zeitung in Neuss, Krefeld, Mönchengladbach und Magistra Atrium der Kunstgeschichte mit Abschluss in Würzburg. Versehen mit sauerländer Dickkopf und rheinischem Frohsinn.

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