Der demokratische Prozess
Am 7. Dezember wurde im Kreishaus Düren von den politisch gewählten Vertretern des Volkes die Entscheidung herbeigeführt: Die Umbenennung in Rurkreis Düren-Jülich sollte beantragt werden. 53 von 59 Mandatsträgern aller im Kreistag vertretenen Parteien haben mit „Ja” gestimmt. Anfang 2022 wurde dieser Beschluss vom Heimatministerium NRW genehmigt.
Kritische Stimmen merkten an, dass zum einen die Menschen im Kreis nicht befragt wurden – Stichwort Bürgerbeteiligung, und zum anderen hätte der Landrat zu kurzfristig und überstürzt die Entscheidung herbeigeführt.
Unser Demokratieverständnis beinhaltet schon immer, dass Entscheidungen delegiert werden. Das geschieht auf kommunaler Ebene ebenso wie auf Bundesebene: Das Volk wählt seine Vertreter im Verständnis, dass diese die besten Entscheidungen für sie treffen. Auch deshalb, weil die politischen Vertreter sich im Idealfall mit der Materie eingehender beschäftigt haben, als das im Alltag der Bürgerschaft möglich ist. Stichwort: Fehlendes Hintergrundwissen.
Zum demokratischen Prozess gehört natürlich auch die Erwiderung: Der Aldenhovener Frank Reiermann hat eine Petition gestartet, der sich über 4500 Menschen angeschlossen haben. Einer von ihm veröffentlichten Grafik zufolge stammen diese Menschen überwiegend aus dem Südkreis Düren. Legt man die Petition statistisch auf das Abstimmungsergebnis vom 7. Dezember um, wird das Votum bestätigt: 6 Prozent der Menschen im Kreis Düren halten eine Umbenennung für falsch.
Die Argumente
Zu teuer und zum falschen Zeitpunkt. Das sind die Argumente von Frank Reiermann gegen die Umbenennung.
Dem entgegen steht – Zitat aus der „Dafür-Petition” gestartet vom Jülicher Rüdiger Urban – „eine gewachsene wirtschaftliche und vor allem wissenschaftliche Stellung Jülichs international und national” sowie „die verstärkte Bedeutung der gesamten Rurschiene für Freizeit und Tourismus”. Argumentiert wird unter anderem „für Jülich” mit einer „Forschungsdichte, wie sie weltweit nur selten zu finden ist” mit internationaler Reputation gekrönt mit einem Nobelpreisträger und dem Brainergy-Park, der mit seinem Konzept für Wirtschaft und Energie „zu einem Treiber im Bereich des Strukturwandels in der Region entwickeln wird”.
Die Kosten
Mit 30.000 Euro veranschlagt der Kreis Düren die Kosten für die Umbenennung. Ortschilder müssen nicht sofort erneuert werden. Ein Aufkleber soll bis zu einem ohnehin anfallenden Austausch auf die Umbenennung hinweisen. Neue KFZ-Kennzeichen sind nicht notwendig. Material von Kuli bis Briefpapier sollen erst dann ersetzt werden, wenn sie verbraucht sind. Angesichts der bundesweiten Aufmerksamkeit, die das Vorhaben Umbenennung in der Medienwelt erzeugt hat, ist vom Werbeeffekt gesehen die Umbenennung praktisch zum Nulltarif zu haben.
Auf Initiative des Jülicher Ratsherren Jan Schayen hat sich dazu am gestrigen Donnerstag, 28. April, eine neue Wendung gegeben, die eine Umbenennung kostenneutral für den Kreis Düren und seine Steuerzahler macht: Private Finanziers, Initiativen und Unternehmen werden die 30.000 Euro aufbringen. Bereits am ersten Tag kam nach Aussage von Jülichs Bürgermeister Axel Fuchs ein Drittel der Summe zusammen.
Im Mai wird sich in einer Sondersitzung des Kreistags entscheiden, ob die Mandatsträger bei ihrem Votum für den Rurkreis Düren-Jülich bleiben. Wenn ja, kann ein Bürgerentscheid herbeigeführt werden, um diese Entscheidung zu kippen. Die Kosten für einen Bürgerentscheid belaufen sich auf mindestens 200.000 Euro. Das entspricht etwa dem Siebenfachen der Summe für eine Umbenennung. Sie entstehen durch Organisation, Personalkosten, Druck- und Versandkosten. 210.000 Briefe müssen inklusive Rückporto versandt werden. Abseits der Kosten: Erst wenn 10 Prozent der Wahlberechtigten im Kreis Düren ihre Stimme abgeben, wird der Bürgerentscheid „gewertet”. Wenn das Votum das Ziel „Nein” zur Umbenennung erreichen würde, kann der Kreistag erst nach zwei Jahren einen neuen Anlauf für einen Rurkreis Düren-Jülich nehmen.
Der Zeitpunkt
Zeit kommt bei der Umbenennung eine große Bedeutung zu. Die Region ist im Umbruch. Eine neue Marke soll gesetzt werden. Sie jetzt zu etablieren, ist angesichts des nationalen und internationalen Wettbewerbs eine Notwendigkeit. Es ist von Bedeutung, die Nase vorn zu haben beim – wie Prof. Hoffschmidt es gerne formuliert – Wettbewerb um die besten Köpfe.
Die Emotionen
Der Verdacht drängt sich auf, dass es bei dem Verfahren vor allem ums Gefühl geht. Denn ums Geld kann es nicht gehen und die Demokratie ist auch gewahrt. Die Vorteile schlagen argumentativ die Nachteile.
Die Aussage, dass ein Fehler von 1972 wiedergutgemacht werden solle, als bei der kommunalen Neugliederung Jülich den Kreistitel an Düren verlor, zieht dagegen als Argument nicht. Das ist Geschichte, nicht Zukunft. Gefühlt geht den patriotischen Jülichern aber das Herz auf, wenn der Stadtname wieder Eingang in den Kreisnamen findet. Beweis genug ist die Fülle der JÜL-Kennzeichen. Mehrere Jülicher Vereine haben sich zur Umbenennung bekannt und werben dafür. Der Stadtrat hat einstimmig eine Erklärung für den Namen Rurkreis Düren-Jülich verabschiedet. Die Jülicher sind – bis auf 0,3 Prozent, wenn man die Grafik von Frank Reiermann zugrunde legt – einfach dafür.
Der Schluss
Ein kluger Kollege rät bei der Überprüfung von Fakten stets: Dreh die Frage um! Wem schadet die Umbenennung? Das wäre also die Frage. Der neue Name würde niemandem etwas „wegnehmen”: Die Dürener behalten ihren „Titel”, die Rur verbindet von der Quelle in der Eifel bis Linnich das Kreisgebiet. Jülich darf sich wieder als Mit-Kreisstadt sehen, und wirtschaftliche und Standortinteressen werden der ganzen Region dienen.