Start Magazin Geschichte/n „Operation Queen“ löschte Jülich aus

„Operation Queen“ löschte Jülich aus

In vielen Beiträgen wird der Niedergang der Stadt Jülich am 16. November 1944 beschrieben. Zeitzeugen können heute noch davon erzählen. Eindrücklich beschreibt Josef Rahier in seinem Buch „Jülich und das Jülicher Land in den Schicksalsjahren 1944/45" vom Leben in den Wochen vor dem Angriff und auch von diesem Tag, der sich ins Gedächtnis der Stadt eingebrannt hat. Ein paar Einblicke.

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Blick auf den Marktplatz. Links die Ruine der städtischen Festhalle, die frühere Jesuitenkirche, Mitte die Propsteipfarrkirche 1945. Foto: Stadtarchiv
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Im September 1944 war das alltägliche Leben in der Stadt Jülich nicht mehr aufrecht zu erhalten: Der öffentliche Nahverkehr lief nur noch vereinzelt. Josef Rahier beschreibt, dass der Postbus nur noch bis Stetternich fuhr und das aus Sorge vor Tieffliegerbeschuss nur in den Abend- und frühen Morgenstunden. Am 27. September zog schließlich die Verwaltung in den Rathauskeller um und arbeitete bei Kerzenschein im Keller. Ab dem 6. Oktober gab es keine Telefonverbindung mehr in die Stadt. Die Sonntagsmesse am 8. Oktober in der Propsteikirche wurde wegen Fliegeralarm abgebrochen und die Gläubigen erreichten gerade noch den Luftschutzraum, ehe die Bomben auf die Kirche fielen. Die offizielle Räumung des Kreises Düren wurde esrt am 5. Dezember angeordnet, ist laut Rahier dem Verwaltungsbericht 1945-1955 zu entnehmen, „zu einem Zeitpunkt, als längst kein Mensch (außer Soldaten) mehr in Jülich weilte. Günter Bers schreibt in seiner Buch zum Stadtjubiläum 1989 „Jülich. Geschichte einer rheinischen Stadt: „Die Bevölkerung, damals über elfeinhalbtausend Einwohner, war seit dem Oktober bereits weitgehend evakuiert worden. (…) Jülich hatte als Gemeinde, als Stadt zu bestehen aufgehört. Die Jülicher waren über das ganze Reichsgebiet zerstreut, die Reste der Stadtverwaltung führten in Olpe im Sauerland ein Exil-Schattendasein.“

Den Schicksalstag beschreibt Rahier folgendermaßen: „Am Morgen des 16. November herrschte in der fast menschenleeren Stadt und an der Front verhältnismäßig Ruhe, selbst die feindlichen Tiefflieger erschienen erst gegen Mittag. Das Artilleriefeuer schien etwas nachgelassen zu haben. Kein Mensch dacht in diesem Augenblick an den kurz bevor bevorstehenden Bombenangriff, der am Nachmittag das beschlossene Todesurteil vollstrecken sollte. An die Fliegertätigkeit der „Jabos“ hatten sich die wenigen Zivilisten und die Soldaten, die eiligst die Stadt durchquerten oder hier ihre Befehlsstelle hatten, bereits gewöhnt.

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Gegen 15.10 Uhr näherten sich dann, von Düren herkommend, in wellen gestaffelt etwa 600 Feindbomber, die in einer Höhe von 800 Metern die Stadt anflogen. Die Alarmanlagen waren längst außer Betrieb,, jeder war auf sich selbst gestellt. Dass Jülich das Angriffsziel sein sollte, ahnte auch jetzt noch niemand. Doch plötzlich fielen aus dem Kommandoflugzeug die bekannten roten Angriffszeichen, und damit öffneten sich auch schon die Bombenschächte der Flugzeuge. Bei Karthaus setzte der erste Angriff ein, der sich über die ganze Stadt hinzog. In weitausholenden Schleifen griffen die Bomber immer wieder an, um in den aufsteigenden Rauchwolken ihre Erdziele zu suchen. Bis nach Stetternich, Welldorf, Mersch-Broich dehnte sich der Anflug auf die dem Tode geweihte Stadt aus; unterwegs wurden noch einige Einzelziele beworfen, so Gut Jägerhof, das in Flammen aufging, und Welldorf, wo es 31 Tote gab. In der Zitadelle durchschlug eine schwere Bombe die Decke eines Luftschutzraums, die genaue Zahl der Toten, – man schätzte sie später auf 65 – ließ sich nicht mehr feststellen. (…)

In dieses Inferno, das knapp 30 Minuten anhielt, schoss die Feindartillerie noch hinein, da die Amerikaner gleichzeitig ihren Großangriff auf die Rurstellungen angesetzt hatten. Von den nahebei gelegenen Ortschaften sagen die Bewohner schreckensbleich dem Untergang ihrer Kreisstadt zu; Rauchschwaden und angekohlte Papierfetzen trieben kilometerweit ins Hinterland. Der Sog der Feuersbrunst war so stark, dass dichter Rauch wie Explosionswolken in den verdunkelten Himmel stieß, gespenstisch beleuchtet von den Flammen, die aus den Trümmern züngelten. Wie irrsinnig rannten die wenigen Überlebenden aus den Kellern an den Rändern der Feuersbrunst vorbei, um Rettung im freien Gelände zu suchen. Straßen und Wege waren zerbombt und verschüttet, die Kanalisationsschächte zerstört; sehr oft füllten sich die Reste der Keller schnell mit Wasser und vernichteten dort noch alle vorsorglich gehorteten Lebensmittel und Bekleidungsstücke der Zurückgebliebenen. (…) Knapp 30 Minuten hatten gereicht, um alles Leben in der Stad und Hab und Gut ihrer Bürger zu vernichten. (…) Noch lange nach dem Angriff gingen Zeitbomben hoch und vollendeten mit dem Artilleriebeschuss das Zerstörungswerk in der völlig zerfetzten Stadt, die noch tagelang lichterloh brannte.“

Günter Bers schreibt: „Von 1896 Wohnhäusern waren 1304 völlig zerstört und 592 stark beschädigt worden; insgesamt 240.000 Quadratmeter Wohnfläche war verloren gegangen.“

3994 Sprengbomben mit 1711 Tonnen Gewicht und 123.518 Brandbomben waren einzeln oder in Behältern zu 106 Stück abgeworfen worden. Das Unternehmen ging als Operation Queen in die Geschichte ein.

Lesen Sie hierzu von der Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag der Zerstörung: Jülichs Zerstörung nicht „schicksalhaft“


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