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Ohne echte Bauern wäre der Karneval nur halb so schön

Sie sind die Krönung einer jeden Karnevalssaison – die bunten und prachtvoll geschmückten und manchmal auch pompösen Karnevalswagen. Gemütlich tuckernd ziehen sie „Tollitäten“ und Jecke durch die Straßen; lassen Musik erschallen und Kamelle regnen. Eines ist klar: ohne engagierte Landwirte, die dafür sorgen, dass der Zug nicht nur läuft, sondern auch fährt, wäre der Karneval nur halb so schön. Gemeinschaft entsteht ja erst, wenn "dr Zoch kütt" und alle Spalier stehen.

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Foto: Sonja Neukirchen
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Landwirt Erich Gussen aus Güsten ist seit über 30 Jahren dabei im Karneval. Er erinnert sich noch, dass bei ihm damals eine Jugendgruppe für eine Art Karnevalswagen angefragt habe. Herausgekommen sei etwas „Abenteuerliches“, blickt der Kreisbauernvorsitzende zurück. Mittlerweile gebe es viele Schutzverordnungen. Erst seien es einige gewesen und dann immer mehr. Neben den meist noch unproblematischen Versicherungsauflagen – „da kümmern sich die Vereine meist rechtzeitig selbst drum“ – müssen jetzt auch die Räder komplett geschützt sein. Aufstiege zum Wagen müssen nun zwingend hinten sein, eine TÜV-Abnahme der Anhänger vor dem Zug sei Pflicht.

Ohne den Sinn dieser Auflagen in Frage zu stellen weiß Gussen, dass es sehr schwierig sei – gerade für kleine Gruppen – dies alles umzusetzen. Auch die so genannten „Wagenengel“, die den Wagen sichern müssen und dafür sorgen, dass buchstäblich niemand unter die Räder kommt, müssen erstmal gefunden werden. Als Fahrer sei man ohnehin „angespannt“ weiß Gussen aus eigener Erfahrung. „Der Aufwand ist schon hoch“. Deswegen werden die Wagen in den Lagerhallen extra vorgehalten und gehen in mehreren Zügen mit. Immer wieder die Anhänger umzurüsten, das lohne sich nicht, so Gussen. Natürlich brauche es dafür einen Stellplatz sagt er, und beherbergt selbst einen Karnevalswagen in seiner Halle.

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Gibt es ein Problem für den Karnevalsumzug, weil die Bereitschaft der Bauern abnehme? Das sei nicht das Haupt-Problem, so Gussen, der bisher immer den Kinder-Elferrat-Wagen der KG Güstener Schnapskännchen 1936 e.V. gefahren hat. Die Landwirte würden auch einfach immer weniger. Hier in Güsten seien es noch fünf. Früher, da seien es 20 gewesen, nennt er ein Beispiel. Der Trend bei den Gruppen sei deshalb, kleine Trecker oder sogar Handwagen zu nehmen. Dies bestätigt auch Landwirtschaftskollege Stefan Meuser, der selbst zweiter Vorsitzender der KG Schnapskännchen ist.

Die Umzugswagen, die im Karneval noch mitmachen, sind heute gut ausgestattet und auch die Musik erschallt jetzt per Anlage vom Wagen. „Früher haben das die Trommler- und Pfeifenchöre gemacht.“ Aber dafür gebe es jetzt einfach zu wenige Leute. Auch müssen die natürlich bezahlt werden. Deshalb geht jetzt nicht das Musikchor im Umzug in Güsten vorneweg, sondern Gussen steuert erstmals einen Wagen an der Spitze des Zuges.

Ob es Probleme gibt, Landwirte und Zugmaschinen zu bekommen, hängt vom Standort ab: In Stetternich schlägt sich das von Gussen benannte Problem schon nieder: „Das Thema Traktoren und Fahrer für unseren Rosenmontagszug in Stetternich stellt sich in diesem Jahr schwieriger dar“, weiß Markus Kieven, Schriftführer und Literat der KG Schanzeremmele Stetternich 1948 e.V., zu berichten. Auch Fahrer zu finden, sei schwer gewesen. Schuld sei der bürokratischen Aufwand. Michael Piel, Vorstandsmitglied der IG Meetzehuuse Rut-Wiess berichtete vom Zug, der bereits durchs eigene Dorf gezogen ist: „Hier hatten wir kein Problem, da wir seit Gründung unseres Vereins in unserem Dorf viele Unterstützer haben. Einen passenden Traktor zu finden, ist da ein Leichtes. Schwieriger werde es, einen bereitwilligen Fahrer zu finden, der in der Lage ist, unseren großen Wagen zu fahren. Aber auch der war im Dorf schnell gefunden und wir sind ihm dankbar dafür. „Der Zusammenhalt in Merzenhausen ist groß. Mit ihrer „Ahl Kaschämm“ seien sie auch an weiteren Karnevalstagen im Jülicher Land unterwegs, so Piel.

Auch bei der GKG Koslar griffen noch die dörflichen Strukturen. Deshalb sei es in diesem Jahr nicht schwerer als sonst gewesen, Zugwagen für den Karnevalsumzug zu bekommen.“ sagt der Presseverantwortliche Jürgen Psotta. Und auch Dirk Emunds, Sprecher der KG Maiblömche Lich-Steinstraß 1935 e.V., kommentierte: „Wir bekommen die Traktoren, die wir benötigen.“ Aber schwierig zu stemmen seien die hohen Sicherheitsauflagen, die sich finanziell stark niederschlügen, ist er besorgt.

Auch von den Finanzen betroffen: Der Kamelle-Regen fällt in diesem Jahr hier und da nicht so üppig aus, wie in den letzten Jahren. Dazu gab es bereits negative Kommentare in den sozialen Netzwerken. Das Wurfmaterial, das von der KG Schanzeremmelle zentral eingekauft wird, sei teilweise bis zu 30 Prozent teurer geworden, wenn man überhaupt Wurfmaterial bekommen konnte, so Kieven. Dieser, wie auch andere Vereine, machen dafür eine Haussammlung. Manche Gruppen kaufen ihr Wurfmaterial jedoch komplett selber und jeder Einzelne muss dann die gestiegenen Kosten berappen – eine Tatsache, der sich die Kritiker des Wurfmaterials bewusst sein sollten, bevor sie unwillig vermeintlich „billiges Material“ zurückwerfen.

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