Gerade hat Mo Khomassi eine „Apotheke“ in Beirut eröffnet. Das sei eigentlich das falsche Wort sagt der 41-jährige Jülicher, denn die Medikamentenausgabe erfolgt zwar nach Vorlage eines Rezeptes aber kostenfrei für die Kranken. Möglich ist das, weil einerseits die Inhaber der Schlossapotheke, Nordapotheke und Post-Apotheke – Luc Rey, Eva Marx und Serkina Kerroumi – Medikamente spenden und fehlende Arznei durch Geldspenden zugekauft werden können, andererseits weil der Arzt Dr. Mohamed Hamoud in Beirut die Räume zur Verfügung stellt und ehrenamtlich die Ausgabe übernimmt. Schließlich könnten Schmerzmittel oder verschreibungspflichtige Medikamente nicht unkontrolliert abgegeben werden. Rund 200 Familien werden bisher schon betreut. Sie benötigen regelmäßig Arznei wegen Blutdruckhochdruck, Epilepsie oder einer Krebserkrankung. Aber auch Windelpakete für Kinder wie für Erwachsene sowie Babynahrung sind hier verfügbar.
Wer kein Geld für einen Arztbesuch hat, wird darüber hinaus eine Erstversorgung bei Dr. Hamoud erhalten – unabhängig von Nationalität und Religionszugehörigkeit. Das ist Mo Khomassi besonders wichtig. Es gibt viele Syrer, Palästinenser und Inder in der Bevölkerung, berichtet Khomassi, die ebenfalls durch die Wirtschaftssituation stark betroffen sind. Es fehle grundsätzlich an ärztlicher Versorgung. Viermal in der Woche wird künftig sie künftig in Beirut in der neuen „Apotheke“ möglich gemacht.
Die Not ist groß, wie Khomassi an einem Beispiel verdeutlicht: Ein städtischer Angestellter, der 2019 noch 1000 Euro verdient habe, verdiene heute noch 50 Dollar – ein wichtiges Medikament koste zwischen 70 bis 80 Dollar. Dazu käme, dass es kein Gesundheitssystem wie in Deutschland gäbe, etwa Krankenkassen. „Wenn Du Dein Monatsgehalt für Medikamente ausgeben musst und gleichzeitig noch Deine Familie versorgen musst, ist das eine nicht zu bewältigende Belastung“, beschreibt Khomassi anschaulich. Operationen seien überhaupt nicht finanzierbar. Als Beispiel führt Mo Khomassi die Begegnung mit einer Vierjährigige an, bei der sich durch einen Virus bedingt die Haut ablöste und für die ein Eingriff lebenswichtig war. „Ich hatte glücklicherweise noch Spendengelder aus Deutschland mitgenommen.“ So konnte vor wenigen Tagen die Operation vorgenommen werden. Die Eltern des Mädchens konnten das gar nicht glauben. „Ehrenamt nach unserem Verständnis gibt es im Libanon nicht“, erklärt Khomassi und sagt noch einmal deutlich: „Ohne diese Spendengelder würde ich das alles nicht schaffen.“
Der Auslöser für das Hilfsprojekt war die große Explosion 2020 im Hafen von Beirut, die sich am 4. August zum dritten Mal jährt. „Nah dran“ war Mo Khomassi, weil nicht nur seine Familie am Ort wohnt, sondern auch ein enger Freund ums Leben kam. Die Erkenntnis, dass es in dem wirtschaftlich gebeutelten Land an den nötigsten Medikamenten fehlte motivierte den Wahl-Jülicher, eine private Hilfsorganisation für den Libanon ins Leben zu rufen. „Es gibt vor Ort Hilfsorganisation, aber die Hilfe kommt nicht an“, ist Khomassis Erkenntnis und persönliche Erfahrung vor Ort. Korruption sei ein großes Problem.
Zu helfen ist für Mo Khomassi eine Herzensangelegenheit und eine Lebensaufgabe geworden. Nicht nur für sein Heimatland Libanon ist der 41-jährige im Einsatz. „Ich bin im Libanon natürlich durch meine familiäre Situation näher dran, aber ich würde es in jedem anderen Land genau so machen“. In Jülich hat er für Hilfstransporte in das Erdbebengebiet zwischen Syrien und der Türkei ebenso gesorgt wie für die Konvois in die kriegsgebeutelte Ukraine – und das über den Dienst für die Stadt Jülich hinaus, bei der er angestellt ist und für die er Koordinationsarbeit leistet. Dankbar ist er seinen Unterstützern. Besonders hebt er Silvia Rack aus Düren hervor, die eigentlich selbst Unterstützung bräuchte, aber neben Netzwerkarbeit sogar selbst auf Medikamente verzichte, um das Hilfsprojekt zu unterstützen. Darüber hinaus sei Joe Ecker ein unschätzbarer Unterstützer, betont Khomassi, alleine weil er durch ihn eine große Öffentlichkeit erreichen könne. „Ich habe die Hoffnung, dass durch die Öffentlichkeit eine Sensibilisierung stattfindet“, sagt Khomassi.
Wie schafft er es, sich persönlich von all dem Leid abzugrenzen? „Man muss die Notlage erkennen und dann professionell vorgehen. Du musst in der dieser Situation das Leid ausschließen und einen klaren Kopf haben – um den Menschen Halt zu geben“, erklärt Mo Khomassi. Zeit für Emotionen sei erst danach. Die „europäische Mentalität“, die er sich durch sein Leben in Deutschland angeeignet habe, sei dabei sehr hilfreich. „Meine Frau ist mein Halt“, sagt er, sie sei sein „Ventil“, wenn er Rückschläge erlebe, seine erste Ansprechpartnerin und kluge Ratgeberin.
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