Private und genossenschaftliche Investoren lassen seniorengerechten Wohnraum am Wallgraben entstehen, bauen an der Schirmerstraße und werden bald sichtbar an der Düsseldorfer Straße und in der Baierstraße Wohnhäuser errichten. 250 Wohnungen mit dem Label „sozialer Wohnungsbau“ sind am Buchenweg entstanden und an der Schweizer Straße. Familien sind vor allem die Zielgruppe, die sich am Ginsterweg auf den 110 Grundstücke ansiedeln sollen, wo sich jüngst zum Vermarktungsstart die Partner Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG), Konzepta, Sparkasse Düren und Stadt Jülich trafen und symbolisch den Spaten in die Erde stachen. Skeptiker befürchten, es werde mehr in Jülich gebaut, als der Bedarf hergibt – weit gefehlt, sagt Frank Drewes, Geschäftsführer der SEG.
Wohnraum für gut 1200 Menschen ist in den vergangenen zwölf Jahren entstanden. Werden alle geplanten Projekte umgesetzt, wächst das Angebot innerhalb von fünf Jahren etwa für die gleiche Zahl an Menschen. Dennoch die Erkenntnis: Was gebaut wird, reicht noch nicht. Das hat unterschiedliche Gründe. Geprägt ist die Stadt durch Bauten aus den 1970er, 1980er Jahren. Wer sich räumlich vergrößern möchte und modernere Wohnungen sucht, hat es in Jülich schwer. „Uns fehlt es an hochwertigem Wohnraum“, erklärt Drewes und darum an Fluktuation. Die so genannten „mittelpreisigen“ Wohnungen werden nicht frei. Als gutes Beispiel, wie es gelingen kann, führt Frank Drewes die Villa Römerstraße ins Feld: Riesig war das Interesse an der grundsanierten, ehemaligen Bahnmeisterei. Mit Qualität gewinnt man Einwohner heißt die Gleichung. Auf dem ehemaligen FH-Gelände entsteht gerade ein Angebot in diesem Sektor. Perspektivisch ist das Gebiet „Westlich der Zitadelle“ ebenfalls prädestiniert und bezeichnet das einstige Sportplatzgelände der alten Schirmerschule, Düsseldorfer Straße, mit Blick in den Wallgraben. „Das Problem ist, dass Jülich als gewachsene Stadt nicht über Industriebrachen verfügt. Damit es für uns schwieriger Flächen in der Kernstadt noch Bauplätze zu finden.“ Eine überregionale Vermarktung gelinge nur mit dem Pfund „Infrastruktur“ einer Innenstadt.
Und was ist mit Baugebieten in den Dörfern? Da ist man an die Ortsgrenzen gebunden. „Ich kann nicht in den Freiraum gehen – das widerspricht dem deutschen Planungsrecht“, erläutert Frank Drewes. Wenig sinnhaft sei es außerdem über den Preis Menschen aus der Rheinschiene beispielsweise in Güsten anzusiedeln. Ortsteile sollen aus sich heraus wachsen, das heißt „Kinder“ sollen bei den Eltern im Heimatort ihr Eigenheim bauen können. Abrundungsbebauung nennt sich das im Fachterminus. „Es geht um den Schutz der Identität.“. Außerdem: „Ein Verwachsen der Ortsteile mit der Kernstadt ist nicht gewollt.“ Seit den 1970er Jahren reglementiert das Planungsrecht, dass „Strukturen wie im Ruhrgebiet, wo man nicht weiß, ob man schon im Ortsteile ist“ unzulässig sind.
Aber Jülich soll wachsen. Das zumindest ist das Bekenntis von Landrat Wolfgang Spelthahn und Jülichs Bürgermeister Axel Fuchs. Es geht um die so genannten „Wachstumsinitiative“ des Kreises Düren, den Strukturwandel, der in aller Munde ist, und seinen lokalen „Motor“, den interkommunalen Brainergy-Park. In diesem Zusammenhang wird von einem Sprung der Bevölkerung Jülichs über die 40.000er Marke gesprochen. Auch diese Menschen müssen „wohnen“.
Wirtschaftsgeograf Michael Gramm und einer der Väter des Brainergy-Parks betont die Bedeutung, dann das „große Ganze“ im Blick haben zu müssen. „Wenn ich eine Kommune komplett neu aufstelle, muss ich synchron auf allen Gebieten wissen, was passiert.“ Das gelte für die Demografie ebenso wie die Entwicklung des ansässigen Forschungszentrums und der Fachhochschule, die Attraktivitätsmerkmale müssten beachtet werden und der Nahverkehr – Stichwort: Schienenverbindungen nach Düseldorf, Köln und Aachen. „Da brauchst Du den großen Wurf.“ Und die Zeit, hier die Weichen zu stellen, wird knapp, denn Planungsverfahren sind in Deutschland bekanntermaßen zäh. „Wir brauchen Fläche, wenn wir wachsen wollen“, sagt Frank Drewes – und die kann Jülich alleine nicht bedienen. Der Landesentwicklungsplan ist maßgeblich. Auf der Fläche, auf der einst der Golfplatz geplant war, könnten bis zu 5000 Menschen Wohnraum finden. Diese Flächen müssten das Land NRW freigeben. Damit ist Politik am Zuge.