Nichts wird so heiß diskutiert wie die Gestaltung der Innenstadt. Was derzeit im Integrierten Handlungskonzept angestoßen wird, ist dabei im Gegensatz zu den Veränderungen, die vor rund 30 Jahren abgeschlossen wurden, eine Kleinigkeit. Damals wurde die Stadt zur Fußgängerzone! Heute gibt es grelle Unmutsäußerungen, wenn drei Straßenzüge autofrei werden sollen. Und wie war das mit der Bürgerbeteiligung 1986? Die zitierte „Ausstellung“ im Hexenturm mit den Entwurfszeichnungen, zu der die Bevölkerung eingeladen war, zeigten die Ergebnisse des Wettbewerbs zur Innenstadtumgestaltung, den Helmer Meyer-Seiler gewonnen hatte. Die Jülicher waren demnach zum „Gucken“, nicht aber zu einer Mitentscheidung aufgefordert – so zumindest ist es der Aktenlage im Rathaus zu entnehmen, bestätigt der erste Beigeordnete Martin Schulz auf Nachfrage.
Worum geht es eigentlich?
Der Stadtrat hat das InHK mit der Planungsgruppe MWM im Oktober 2018 auf den Weg gebracht. Ein Bestandteil ist die Neugestaltung des Marktes. Bis Ende 2020 sind sieben Mal die Bürgerinnen und Bürger zu ihren Ideen und Wünschen befragt worden in drei Präsenzveranstaltungen, zwei Online-Formaten, und als gesonderte Zielgruppen kamen Kinder und Jugendliche, Studenten und Verwaltungsmitarbeiter zu Wort. Eine Lenkungsgruppe ist installiert, die mit Vertretern aus Politik, Verwaltung und Vereinen besetzt ist. Diese haben sich schließlich mit den Ergebnissen beschäftigt, die die Planungsgruppe MWM auf Grundlage der Bürgerwünsche vorgestellt hat. Für den Marktplatz gab es fünf Varianten. Einhellig, so Bürgermeister Axel Fuchs, sei die Entscheidung in der Lenkungsgruppe gefallen, Variante 5 einmal „zu visualisieren“. „Den Vorwurf lasse ich nicht gelten! Dass es Leute gibt, die von Anfang an dabei sind und uns dann vorwerfen, die Meinung der Bürger sei beiseite gekegelt worden, das ist ein Skandal“, betont Fuchs.
Nicht nachvollziehen kann der Bürgermeister die Kritik, dass die Parteien die Vorschläge schon jetzt – vor der Bürgerbeteiligung im Mai – in die Öffentlichkeit getragen haben. „Das ist ja nichts Geheimes.“ Die Verwaltung hatte die Entwürfe den Parteien zur Verfügung gestellt. „In dem Moment, in dem die Weiterleitung erfolgt ist, dürfen die Parteien – das ist deren Recht – eine politische Diskussion in Gang setzen.“
Auf Antrag der SPD vom 23. Februar, die Pläne für Jedermann und Jederfrau zu veröffentlichen, reagierte die Stadt: Seit 25. Februar sind die Pläne auf der Homepage der Stadt und seit 1. März auch auf der Internetseite www.zukunftsstadt-juelich.de veröffentlicht. Die Umsetzung des Vorschlags einer analogen Präsentation in Schaufenstern der Innenstadt ist in Arbeit.
Im Mai haben aber alle Jülicherinnen und Jülicher die Gelegenheit, sich zu Detailfragen zu äußern: Wie soll der Bodenbelag aussehen? Wie steht es mit einer Bepflanzung? Was ist mit Wasserspielen auf dem Markt? Ende offen. Aus dem Rathaus wurde mitgeteilt, dass die Planungen sich in der Anfangsphase befänden und damit weit von der Zielgeraden entfernt. Klar ist nur: Der Markt soll neu gestaltet werden unter Berücksichtigung der historischen Bedeutung und Einmaligkeit des Platzes, der Nutzungsvielfalt und Aufwertung bezüglich der Aufenthaltsqualität. Dienen muss der Ort dem Markttreiben, muss Begegnungsstätte sein und gleichzeitig Veranstaltungsfläche. Historiker Guido von Büren weist darauf hin, dass es sich keineswegs um einen Marktplatz, sondern den Markt, also das Herzstück der Stadt handelt. In der Historie hätten dort im Übrigen nie Bäume gestanden.
Ein großes Thema ist das Pflaster, das von oben betrachtet ein optischer Leckerbissen ist, aber eben nur aus der Ferne ein sinnvolles Ganzes ergibt, und die Steine in die Jahre gekommen sind. Flickwerk ist hier in den vergangenen Jahren das Mittel der Wahl gewesen. Jetzt soll das große Ganze entstehen. „Wer uns vorwirft, wir würden nur den Bodenbelag austauschen, dem kann ich nur sagen: Der Bodenbelag wird das zentrale Thema dieses Platzes sein – denn sonst haben wir in 20 Jahren dasselbe Problem wie heute.“
Übrigens: Spätestens seit 2008 wird über eine Innenstadtsanierung gesprochen. Der Niederschrift vom 9. September ist zu entnehmen, dass die Planungsausschuss-Mitglieder sich für die Sanierung durch Asphalt ausgesprochen hatten – trotz des Einwandes von Beigeordnetem Martin Schulz und des Hinweises, dass diese Vorgehensweise eine Teilrückzahlung des Zuschusses zur Folge haben könnte.
Der Ausschuss für Kultur, Dorf- und Stadtentwicklung, Wirtschaftsförderung diskutierte vergangene Woche die fünf bereits bestehenden Varianten und den neuen Vorschlag Variante „V“, was für Vereine steht.
INHK Chronologie
2019, 20. März „Wir erfinden die Stadt neu“
2019, 22. März Auftaktveranstaltung InHK Jülich
2019, 23. Juni Stadtspaziergänge zum InHK
2019, 9. Sept. Mehr Mut erwünscht
2019, 11. Sept. InHK: Jülicher Ideen sind gefragt
2019 , 29. Okt. Erste Ergebnisse der InHK-Bürgerbeteiligung
2020, 1. Febr. Maßnahmenplanung zum INHK nimmt Fahrt auf
2020, 11. Febr. Integriertes Handlungskonzept: Ergebnisse der Bürgerbeteiligung
2020, 27. Febr. Dritte Online-Beteiligung zum InHK
2020, 6. März Fontänenfeld für den Schlossplatz?
2020, 23. Juli Bürgerbeteiligung beendet
2020, 10. Okt. 15 Millionen für den Stadtumbau
2021, 1. April Bürgerbeteiligung auf der Kippe: Letzter Versuch
2021, 3. April Marktplatzpool
2021, 3. April Der Markt und die Ausbauvariante 5
2021, 9. April Über 4,5 Millionen Fördergelder für Jülich