Die 14. Schulmail ging nach 22 Uhr am 16. April bei den Schulleitungen ein und gab das Vorgehen für den Sonderweg NRW bekannt: Während die Bundesregierung den offiziellen Schulstart für den 4. Mai für die Abiturientia, „Neuner“, „Zehner“ und Viertklässler anberaumt hat, wird der freiwillige Unterrichtsbesuch für die Abschlussklassen bereits ab Donnerstag, 23. April, möglich – ausgenommen sind die Grundschüler. Nicht freiwillig ist der „Schulbesuch“ für das Lehrerkollegium. Es muss sich ab heute, Montag, 20. April, bereits auf die neue Situation vorbereiten. Weitere Direktiven wurden angekündigt – allerdings nicht, wann sie kommen sollen.
Das Unverständnis und die Irritationen darüber waren bei Nachfrage des HERZOGs in der Jülicher Schulleiterrunde einhellig. „Es lässt uns ratlos zurück, warum ausgerechnet das Bundesland mit den höchsten Corona-Fallzahlen am frühesten starten soll“, formulierte es Dr. Edith Körver, Rektorin am Gymnasium Zitadelle. Es fehlen den Schulleiterinnen und Schulleitern, die sich neben dem Bildungsauftrag auch in der Verantwortung sehen für die Gesundheit der Schüler, des Kollegiums und nicht-pädagogischen Personals, verbindliche Aussagen zu Hygieneverordnung, Pausenkonzept und Schulbuskonzept. Natürlich gelten die Eckdaten auch für Schulen – 1,50 Meter Abstand, Desinfektion, Vorhalten von ausreichend Handtücher und Seife. Wie viele Schülerinnen und Schüler aber in einer Gruppe zu unterrichten sind bei welcher Raumgröße, ist gänzlich unklar.
„Man lässt uns mit den Schwierigkeiten allein“, stellt Christiane
Clemens vom Mädchengymnasium Jülich fest. „Wir müssen die Hygienevorschriften einhalten, aber den offiziellen Hygieneplan bekommen wir erst am 29. April. Das ist wenig fürsorglich.“ An diesem Tag wird die Kultusministerkonferenz tagen und Details zum weiteren Vorgehen bekannt geben. Thorsten Vogelsang beschäftigt in seiner Verantwortung für das Gymnasium Haus Overbach ein anderes Problem: „Was aus meiner Sicht noch nicht geklärt ist, wie ich mit Lehrkräften der Risikogruppe umgehe. Wie genau ist sie zu definieren? Das ist aus meiner Sicht absolut offen. Da fühle ich mich allein gelassen und warte auf weitere Instruktionen.“ Weitere Frage am Rande: Wenn Maskenpflicht in den Schulbussen besteht, Schüler aber nicht über eine Maske verfügt, wie kommen sie dann zur Schule?
„Ich habe mehr Fragezeichen als Ausrufezeichen“,
fasst Zitadellenschulleiterin Körver die Lage zusammen
Einigkeit herrscht allerdings auch bei den Schulleitungen des Gymnasiums. Wenn geöffnet wird, hätten die Prüfungen auch wie geplant am 21. April vonstatten gehen können, weil auch jetzt lediglich eine Wiederholung und Verfestigung des Gelernten zur Debatte stehen. Es kommt kein neuer Stoff hinzu. „Mit der Q2 haben wir die ganze Zeit Kontakt gehabt“, so Christiane Clemens. In mehreren Videokonferenzen hätten sie sich ausgetauscht, und alle fühlten sich gut versorgt. Das gilt an der Zitadelle ebenso wie an Haus Overbach.
Aktuell machen sich wohl einige Abiturienten Sorgen. „Das Horrorszenario meiner Abiturientia ist im Moment: Wenn sie nächste Woche wieder in die Schule kommen, sich anstecken und werden zu den schriftlichen Prüfungen am 12. Mai krank – dann können sie dieses Jahr kein Abitur mehr schreiben, weil die Nachschreibetermine ja entfallen“, gibt Dr. Körver Einblicke in die Schülerseelen. Sollten keine Prüfungen stattfinden können, etwa wenn die Fallzahlen nach der ersten Lockerung wieder rasant ansteigen würden, dann würde ein „Durchschnittsabitur“ errechnet. Er ergäbe sich aus den Vorleistungen der vergangenen beiden Jahren, die wie immer zwei Drittel der Note ausmachen und dem letzten Drittel, das normalerweise die Note der Abschlussprüfung ausmacht.
Gleiches gilt für die zentralen Abschluss-Prüfungen – kurz ZP 10 – an der Sekundarschule, die zur mittleren Reife führen. Per Erlass sollen die Schulen jetzt ihre eigenen Prüfungsaufgaben stellen können. Unverständlich, wie die Schulleiterin Angelika Lafos findet. „Es gibt doch vorbereitete zentrale Prüfungen – warum schickt man sie nicht? Die Schülerinnen und Schüler werden ja ähnlich wie die Abiturienten bereits das ganze Jahr über vorbereitet.“ Betroffen sind an der Sekundarschule 150 Schüler in fünf zehnten Klassen.
Ob es einen „runden Abschluss“ also einen gemeinsamen Festakt, geben kann ist
noch fraglich. Dass keine Party wie üblich stattfindet, ist allen klar, aber: „Eine schulische Abschlussfeier ist so wertvoll, die sag‘ ich erst im allerletzten Moment ab“, betont Christiane Clemens für ihr MGJ. Über Möglichkeiten der Gestaltung denkt Thorsten Vogelsang ebenfalls nach. „Dass man gar nichts macht, kann ich mir nicht vorstellen – es muss einen Abschluss geben.“ Ob in der Aula nur mit den Schülern und den Eltern an Stehtischen im Innenhof – da steht noch nichts fest, weil noch unausgesprochen ist, wie die Auflagen für eine Veranstaltung im Innenraum ist. „Ich kann mir vorstellen, dass Pater Költringer ein Gebet spricht, und wir gemeinsam ein Lied singen“, denkt Vogelsang laut nach. „Was man auf keinen Fall machen darf, ist zu diesem Zeitpunkt eine Aussage zu treffen, weil man nicht weiß, welche Rechtsgrundlage dann gilt.“
Lesen Sie hierzu Verschiebung, Motivation, Mottowoche