Start Kreis Düren „Keine Region hat bessere Voraussetzungen“

„Keine Region hat bessere Voraussetzungen“

Zukunftstalk im Technologiezentrum Jülich: Jan Philipp Burgard interviewt Ministerpräsident Hendrik Wüst

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Der Zukunftstalk im TZJ. Foto: Kreis Düren
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Vor der Zukunft braucht der Kreis Düren keine Angst zu haben. Das sagt wenig überraschend der Landrat. „Wir sind sozusagen im Epizentrum des Strukturwandels, begreifen den Wandel als Chance und wollen mit Wasserstoff in die Zukunft fahren“, begrüßte Wolfgang Spelthahn die Gäste im Technologiezentrum zur aktuellen Ausgabe des „Zukunfttalks“. Aber auch der Gast des Abends, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, attestierte dem Kreis, seine Hausaufgaben gemacht zu haben. „Sie möchten von 270.000 auf 300.000 Einwohner wachsen, denken Wohnlandentwicklung und Infrastruktur mit. Diese Region hat über den Strukturwandel einen Riesenhebel, um attraktiv zu bleiben. Die Leute werden kommen, hier wird viel Wachstum passieren“, prophezeite Wüst. Und während „jeder was mit Wasserstoff machen will“, seien aus Sicht Wüsts die Weichen im Kreis Düren bereits gestellt und die Kompetenz unter anderem über die Forschungseinrichtungen schon vor Ort. Kurzum: Das Fundament für die Entwicklung der Zukunft sei gelegt, bilanzierte auch Moderator Dr. Jan Philipp Burgard. „Keine Region hat bessere Voraussetzungen“, erklärte der Chefredakteur des Fernsehsenders „Welt“. Damit wäre zur Zukunft alles gesagt?

Gastgeber Wolfgang Spelthahn, Gast Hendrik Wüst und Moderator Jan Philipp Burgard (v.l.)                Foto: Kreis Düren

Nicht ganz. Fachkräftemangel, Integration, Digitalisierung – zu Beginn der Talkrunde ploppten Themen auf, die schon vor Corona unter den Nägeln brannten. „Wir wollen ein klimaneutrales Industrieland werden, 144 Milliarden Euro Investitionen sind aber bereits aus Deutschland abgeflossen. Wir haben eine Rezession. Je klarer wir das sehen, desto entschlossener werden wir handeln. Wir müssen die Zeitenwende jetzt annehmen, sie klar durchdeklinieren und uns Herausforderung stellen“, sprach Hendrik Wüst Klartext. Dazu gehöre es auch, den Abfluss von Investitionen zu stoppen und den Standort Deutschland attraktiv zu halten. „Grüner Wasserstoff ist super“, sagte Wüst. Doch bis dieser eher mittel- wenn nicht langfristig ausreichend zur Verfügung stehe, müssten auch moderne Gaskraftwerke die Grundlast sichern. Ohne „Brückenstrompreise“ für die Industrie dauere der Ausbau der Erneuerbaren zu lange, um eine De-Industrialisierung zu verhindern. Die die Abschaltung der letzten Kraftwerke zum derzeitigen Zeitpunkt hält er für einen Fehler („Wir finanzieren Putins Krieg mit unserem Energiehunger.“), mahnt aber gesellschaftliche und politische Geschlossenheit an, um die Herausforderungen dieser Zeit „im Geist der Gemeinsamkeit“ anzugehen.

Foto: Stephan Johnen
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Eine der großen Herausforderungen der Zukunft sei auch der Umgang mit Geflüchteten. „Wir müssen die Fakten so nehmen, wie sie sind“, sagte Wüst. 230.000 Menschen aus der Ukraine habe das Land bereits aufgenommen. „Eine Riesenaufgabe, die viel öffentliche Infrastruktur in Beschlag genommen hat – und der schlimme Krieg hält an.“ Angesichts der weltpolitischen Lage werde das Land weiter Flüchtlingskontingente an die Kommunen zuweisen – zuweisen müssen, erklärte Wüst. „Zu uns kommen derzeit zu viele Menschen, die jeden guten Grund haben, zu uns zu kommen. Aber es gibt auch Menschen, die kein Recht haben, hier dauerhaft zu bleiben“, forderte er eine klare Unterscheidung. Wer vor Krieg und Verfolgung flüchte, müsse hier sicher sein. Wüst: „Alle anderen brauchen gar nicht erst zu kommen. Das müssen wir humanitär lösen. Ich möchte nicht, dass Menschen im Mittelmeer ersaufen. Aber wir müssen auch regeln, dass es keine Anreize gibt, nach Deutschland zu kommen.“ Er sprach sich für Kontrollen an den Außengrenzen aus – auch um den Menschen im Land und ihrem Anspruch auf Integration gerecht zu werden. „Die Chance, die in Europa auf dem Tisch liegt, müssen wir auch nutzen. Wir werden Hauptprofiteur einer neuen, gemeinsamen europäischen Flüchtlingsstrategie“, sagte der Ministerpräsident.

Foto: Stephan Johnen

Zweites Zukunftsthema sind Verkehr und Infrastruktur, beziehungsweise die Sanierung der Altlasten und massive Investitionen in den Erhalt. „Hier ist zu lange zu wenig investiert worden, zeitgleich sind die Verkehre immens hochgegangen“, sagte er. 213 Millionen Euro seien im Haushalt für die Landesstraßen eingeplant. Nur für den Erhalt. „So viel wie seit Jahrzehnten nicht, aber wir müssen auch aufholen. Wir werden weiter Rekordsummen brauchen, um die Infrastruktur zu erhalten. Das ist die vordringliche Aufgabe aller staatlichen Ebenen für die kommenden 10 bis 20 Jahre.“

Und zum Strukturwandel gab es auch noch etwas zu sagen: „Strukturwandel besteht nicht darin, dass wir Seen schaffen. Es geht um die Schaffung von Arbeitsplätzen. Wir haben die zur Verfügung stehende Zeit halbiert, aber das Tempo nicht verdoppelt“, sagte er. Für das Rheinische Revier sieht er dennoch deutlich mehr Chancen als Risiken, angesichts des vorherrschenden Fachkräftemangels vor allem da die bestehenden Fachkräfte in der Energiewirtschaft und den technischen Berufen. Ein weiterer Pluspunkt sei die hervorragende Forschungslandschaft. Wüst: „Wir wären doch bescheuert, auf diese Innovationskräfte zu verzichten.“

Die Frage zur eigenen Zukunft, also nach einer möglichen Kanzlerkandidatur, verneinte er geschickt: „Auch wenn Sie mir das jetzt nicht glauben. Aber es ist gerade kein Thema.“ Ob es mal Thema werden könnte, ließ er offen. Er möchte schon an einem Abend so viel in die Zukunft schauen.


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