Zum dritten Mal geht es bei den „Zehnern“ innerhalb der letzten 25 Jahre um die Vereinsführung und Finanzen. Seit 2017 sind die Mitglieder nicht mehr zur Jahreshauptversammlung eingeladen worden. Entsprechend gab es weder einen Austausch über die Fusionspläne 2019 mit Jülich 12 noch zur Spielgemeinschaft Rurland oder der geplanten Neugründung eines 1. FC Rurland.
Seit 2018 bestätigen Mitglieder auf Nachfragen sei ihnen weder ein Tätigkeitsbericht noch ein Kassenbericht vorgelegt oder zugesandt worden. Die Mitgliederversammlung ist das höchste Entscheidungs-Gremium des Vereins, wie die Satzung unter §14.1 vorgibt. Jährlich ist, wie unter §14.2. vermerkt, eine Jahreshauptversammlung einzuberufen. Der Vorstand muss satzungsgemäß alle zwei Jahre als Ausführungsorgan gewählt werden. Im Amt ist der Vorstand trotz Nicht-Wahlen dennoch, weil als Besonderheit in der Satzung unter §17.5 festgelegt ist, dass die Geschäftsführung auch nach Ablauf der Wahlperiode im Amt bleibt, bis ein neuer geschäftsführender Vorstand gewählt ist. Außerdem muss nach §21.4 jährlich zum Abschluss des Wirtschaftsjahres eine Kassenprüfung vorgenommen werden. Der Bericht ist laut §21.5 der Mitgliederversammlung vorzulegen. Diese in der Satzung festgelegten Verfahren sind seit vier Jahren nicht erfolgt.
Vereinsvorsitzender Michael Lingnau und der 2. Vorsitzende Claus Nürnberg sehen in diesem Verfahren kein vereinsrechtliches Verfehlen ihrerseits. Die in der Satzung festgelegten Mitglieder- und Wahlversammlungen seien Kann-Vorschriften. „Auf der rein formalen Seite sind wir sauber“, erklärte Nürnberg. Es würde nicht nur monatlich eine Umsatzsteuer abgegeben, sondern der Jahresabschluss sei stets von einer Steuerberaterin gefertigt und dem Finanzamt vorgelegt worden. Nur so, betont Lingnau, sei es gelungen, die Gemeinnützigkeit für den Verein wiederzuerlangen. „Der Verein wird auf Basis von Guthaben geführt und nicht auf der Basis von Schulden“, verweist Lingnau auf die 2012 gelungene Abwendung der Insolvenz und die Bilanz der vergangenen 13 Jahre. Claus Nürnberg räumt ein, dass man im Informationsfluss gegenüber den Mitgliedern sicher anders hätte verfahren können, stellt aber auch die Frage in den Raum: „Wo hat unser Verhalten zu einem Schaden des Vereins geführt?“
Diese Haltung stehe im Widerspruch zu §36 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), erklärte ein unabhängiger Jurist auf Nachfrage der Redaktion. Die Zehner-Satzung beinhalte keine Kann-Vorschrift, sondern besage genau, dass eine Mitgliederversammlung jährlich einzuberufen sei. In der Kommentierung des Gesetzes heiße es, dass dies „zwingendes Recht ist“ und der Vorstand dazu verpflichtet sei. Ansonsten könnten auf den Vorstand Schadensersatzansprüche zukommen. Näheres auch hier
Desweiteren steht in der Kritik, dass derzeit die Vereinsführung in der Hand von drei Personen plus kommissarischem Jugendabteilungsleiter Dietmar Mangels liege. Vorsitzender ist Michael Lingnau, das Amt des 2. Vorsitzenden bekleidet Claus Nürnberg, der nach dem Ausscheiden von Elvira Musiol in Personalunion kommissarischer Geschäftsführer ist, und Sabine Meyen ist Kassiererin. Als stellvertretender Vorsitzender wird Peter Kosprd geführt, der angibt, nicht mehr im Amt zu sein. Vorsitzender Michael Lingnau widersprach und erklärte auf Nachfrage, dass Peter Kosprd bis zur Neuwahl formell den stellvertretenden Vorsitz inne habe und auch weiterhin an allen Sitzungen des geschäftsführenden Vorstandes teilnehme. Kosprd selbst gibt seine Funktion als kooptierter Berater an. Er sei nicht gewählt worden.
Einen erweiterten Vorstand, der sich laut §18 aus Stellvertretern für die beiden Vorsitzenden, der Geschäftsführung, sowie der Kassenwartin zusammensetzt und darüber hinaus Abteilungsleiter und bis zu acht Beisitzer vorsieht, ist personell nicht besetzt. Laut Satzung würden einem Gesamtvorstand wenigstens zehn, höchstens 18 Personen angehören. Auch diesen Satzungspunkt bezeichnet Michael Lingnau als „Kann-Vorschrift“.
Auch hier ergaben die anwaltlichen Nachfragen der Redaktion, dass der Gesamtvorstand keineswegs fakultativ, sondern nach der Satzung zwingend sei.
Geplant ist jetzt eine Sitzung für den kommenden Oktober. Termin und Ort sollen bis Monatsende festgelegt werden. Die Sitzung ist allerdings noch mit Fragezeichen versehen, weil sie gekoppelt sei an die dann geltenden Coronaschutzbedingungen. Wegen der Altersstruktur käme nur eine Präsenzsitzung in Frage, ist das Vorstandsduo überzeugt – das gelte vor allem angesichts der Veränderungen im Verein: „Es ist uns wichtig, uns den Mitgliedern in einer Versammlung zu stellen“, betont Michael Lingnau. Eine Aussage, warum 2018 die Sitzung ausgefallen ist, gab es nicht. Eine für Ende 2019 geplante Sitzung mit Neuwahlen sei auf Anfang 2020 verschoben worden und dann pandemiebedingt ausgefallen.
Für die Wahlen bei einer Mitgliederversammlung steht bereits ein „Gegenvorstand“ in den Startlöchern. Heiko Mock, 2008 als Beisitzer im Vorstand der Zehner, hat eine Vorstandsmannschaft aufgestellt, deren Kandidaten Spielerfahrung zum Teil bis zur Verbandsliga mitbringen, Erfahrungen als Trainer – auch mit Lizenz – vorweisen können, beziehungsweise Umgang mit Finanzen und Marketing haben. Der Fokus soll nicht auf einem „Kick“ einer 1. Mannschaft in den höheren Spielklassen liegen, nicht auf einer „Fusion“, sondern darauf, die Tradition des Vereins hochzuhalten und die Jugendarbeit und Infrastruktur neu aufzustellen, sowie die Vereinsaktivitäten wiederzubeleben. Mit einem neuen Konzept, avisierten Sponsoren und dem Wissen, dass eine Übernahme der Vorstandsarbeit einen langen Atem erfordert, der mehr als eine Amtszeit überdauern muss, möchte dieses Team auf einer Mitgliederversammlung gegen den amtierenden Vorstand kandidieren. Bislang ist außer Heiko Mock allerdings kein Vorstands-Gegenkandidat Mitglied des SC Jülich 1910. Die Mitgliedsanträge seien indes gestellt, sagt Heiko Mock. Die Entscheidung über eine Annahme der Anträge obliegt dem amtierenden Vorstand. Er kann sie satzungsgemäß ohne Angabe von Gründen ablehnen.
Kandidaten für einen Vorstandsposten müssen aber nach §26 BGB offenbar nicht Mitglied im Verein sein. In der Kommentierung hieße es, dass Nicht-Mitglieder in den Vorstand gewählt werden könnten, wenn es in der Satzung nicht anders vermerkt sei, so der unabhängige Jurist auf Nachfrage.