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FH-Campus Jülich und das Lernen in Zeiten von Corona (3)

Unter erschwerten Bedingungen wird allerorts gelernt. Von jungen Menschen, die studieren, erwartet man grundsätzlich ein Höchstmaß an Eigenständigkeit und Eigenverantwortung. Die Fachhochschule ist aber auch praktisches Lernen ausgerichtet. Wie am Campus Jülich und in Aachen gelernt derzeit das Studium in Bahnen gelenkt wird, haben in einem Interview mit Mira Otto der Rektor der FH Aachen, Prof. Marcus Baumann, und der Prorektor für Studium und Lehre, Prof. Josef Rosenkranz, erläutert.

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Illustration: Sophie Dohmen
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Wie nehmen Sie momentan die Situation an der FH Aachen wahr? Anders gefragt: Wie geht es Ihnen gerade mit den Schutzmaßnahmen?

Prof. Marcus Baumann: Wir mussten uns schrittweise daran gewöhnen, dass sich der Hochschulbetrieb völlig neu aufstellen muss. An einer Hochschule für angewandte Wissenschaften wie der FH Aachen ist der tägliche und persönliche Kontakt zwischen den Lehrenden und den Studierenden sehr wichtig und liegt uns am Herzen. Seit gut zehn Jahren entwickeln wir an der FH Aachen digital gestützte Lernformate und stellen Aufzeichnungen von Vorlesungen ins Netz. So können die Studierenden sie zur Vorbereitung der Prüfungen abrufen. Gerade am Campus Jülich gibt es naturwissenschaftliche und technische Fachbereiche. Die chemischen und biotechnologischen Praktika, aber auch die Maschinenbaupraktika durch onlinegestützte Lehre zu ersetzen, ist nicht so einfach. Auch wenn das Verfahren noch nicht überall umgesetzt worden ist, arbeiten unsere Kolleginnen und Kollegen sehr findig an neuen Lösungen. Insofern kann man sagen: Aus Krisen schöpft man immer Neues, aus Krisen entstehen wertvolle neue Sachen. Wir praktizieren in den meisten Fachbereichen seit vielen Jahren mit sehr vielen Kolleginnen und Kollegen E-Learning und digital gestützte Lehre, die wir jetzt flächendeckend weiter vorantreiben.
Es ist schön, als Rektorat zu erleben, mit welchem Engagement die Kolleginnen und Kollegen vorangehen, um Lehre zu ermöglichen. Ich finde es großartig, wie diese Herausforderung angenommen wird. Wir müssen das als Rektorat immer wieder sagen, weil wir natürlich an der Spitze sitzen. Aber die Arbeit wird eben dort gemacht, und wir wissen das sehr zu schätzen.

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Was bedeutet das für das bereits gestartete Sommersemester?

Prof. Marcus Baumann: Uns war schon zu Beginn klar, dass das Sommersemester 2020 kein sogenanntes Nullsemester werden darf. Ein Problem, das sich schnell stellte: Wie können wir die Leistungen der Studierenden überprüfen? Die bestandene Prüfung ist die notwendige Voraussetzung, um die nötigen Leistungspunkte für ein Modul zu erhalten. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir die Präsenzlehre und die Präsenzprüfungen weitgehend ersetzen können, wenn auch nicht zu 100 Prozent. Wir haben die leise Hoffnung, dass sich am Ende des Semesters die Situation soweit verbessert hat, dass Präsenzprüfungen wieder möglich sind oder das etwa Blockveranstaltungen umgesetzt werden können.
Wie kann die Lehre unter diesen Vorzeichen am Campus Jülich stattfinden?

Prof. Josef Rosenkranz: Ich würde vorsichtig sagen: 85 bis 90 Prozent können wir tatsächlich in Onlineformate umsetzen. Das gelingt uns, weil wir seit über zehn Jahren die digitale Lernplattform „Ilias“ nutzen und ständig weiterentwickeln. Lehrende können dort Videos hochladen, die Vorlesungsfolien vertonen, Sprechstunden mit verschiedenen Werkzeugen wie einem Konferenz-Tool anbieten. Die Kommunikation mit den Studierenden über diese Plattform funktioniert im Großen und Ganzen gut.

Illustration: Sophie Dohmen

Was passiert mit Studenten, die vielleicht keine Kamera und kein Mikrofon am Laptop integriert oder zu Hause keine gute Internetverbindung haben?

Prof. Josef Rosenkranz: Heute hat fast jede oder jeder ein Smartphone, und mindestens darüber komme ich auf die Lernplattform. Man braucht keine extrem leistungsfähige Hardware. Es reicht ein normaler Laptop mit Webcam. Wir haben bisher noch nicht gehört, dass Studierende aufgrund fehlender technischer Ausstattung da nicht mitziehen können. Unser Eindruck ist, dass das problemlos funktioniert. Wir werden aber dazu systematisch Befragungen durchführen und daraus lernen. Im Moment gibt es ja keine Alternative.

Was passiert, wenn Ihnen mitgeteilt wird, Smartphone oder Laptop seien defekt und somit fehle die Voraussetzung, weiterhin online zu studieren?

Prof. Marcus Baumann: Ich gehe davon, dass wir Lösungen finden, falls solche Fälle auftreten. Es gibt Probleme, die viel weiter reichen. Zum Beispiel sind viele Studierende darauf angewiesen zu jobben. Viele dieser Jobs, etwa in der Gastronomie, sind jetzt weggefallen. Da versuchen wir natürlich auch, Lösungen anzubieten, um das aufzufangen. Das gelingt uns als Hochschule nicht ganz so leicht, weil wir unsere Mittel in diesem Bereich nicht direkt einsetzen dürfen. Das ist aber ein landesweites Problem. Wir sind auf Landesebene unterwegs, um Lösungen zu finden. Es gibt zum Beispiel vom Studierendenwerk eine Plattform, auf der in Not geratene Studierende Gelder beantragen können. Das Ministerium überlegt, dort in diesen schwierigen Zeiten mehr Geld bereit zu stellen. Aber abseits der offiziellen Wege, wenn jemand beispielsweise keinen Laptop besitzt – da können wir mit Sicherheit Lösungen finden.

Vieles kann virtuell weiterlaufen. Allerdings nicht alles. Wird es

Illustration: Sophie Dohmen

Ausnahmen für Praktika geben?

Prof. Marcus Baumann: Wir haben im Vorstand der Landesrektorenkonferenz (LRK) darüber debattiert: In welcher Form kann es weitergehen mit der Präsenzlehre? Ein Beispiel: Wenn Sie Chemie studieren und einen Brand löschen müssen, können Sie das nicht online lernen. Normalerweise wird eine Schaufensterpuppe angezündet und mit dem Kittel muss dieser Brand gelöscht werden. Es reicht nicht, das am Bildschirm zu betrachten, weil man diese Situation später im Beruf unter Umständen im Labor anwenden muss. Es kostet Überwindung, eine brennende Person mit dem Kittel festzuhalten. Dafür ist es notwendig, es erlebt zu haben. Für solche Fälle müssen wir uns tatsächlich überlegen, ob wir nicht doch Präsenzveranstaltungen anbieten, auch wenn ich noch nicht weiß, wie das gehen soll. Dabei ist die Direktive ganz klar: Zwei Meter Abstand muss eingehalten und alle vom Robert Koch-Institut herausgegebenen Richtlinien beachtet werden. Das bezieht sich auf den Zugang zu einer Veranstaltung und auf die Situation in der Veranstaltung, in der ein Mundschutz getragen werden muss. Das ist ein großer Aufwand.

Wissen Sie schon, ob die Prüfungen, die zum Ende des Semesters anstehen, stattfinden können?

Prof. Marcus Baumann: Wir wollen auf jeden Fall Prüfungen abnehmen. Wir denken über verschiedene Formate nach. Es besteht Hoffnung, dass sich die Situation wieder etwas erleichtert. Vorstellbar ist, dass im Audimax nur 100 Personen mit einem Abstand von drei, vier, fünf Metern sitzen – was übrigens der Aufsicht zugutekommt. Wir haben auch überlegt, ob Onlineprüfungen bei laufender Kamera möglich sind. Es gibt Erfahrungen von anderen Hochschulen, wo die jungen Leute so viele Fragen in einer bestimmten Zeiteinheit beantworten müssen, dass sie gar nicht die Möglichkeit haben zu pfuschen. Da ist auch das Gerechtigkeitsprinzip im Fokus. Es ist wichtig, dass alles vergleichbar mit den Prüfungen in anderen Semestern ist. Es kann nicht sein, dass eine Prüfung in der Coronazeit weniger anspruchsvoll ist als eine Prüfung unter normalen Umständen.

Prof. Josef Rosenkranz: Natürlich muss es Prüfungen geben. Die Studierenden müssen die Leistungspunkte erwerben können. Sie müssen mit einer Prüfung abschließen, denn nur dann können wir ihnen den ECTS-Erwerb auch bescheinigen. Wir arbeiten gerade an den Umsetzungsszenarien in den Fachbereichen, weil wir festlegen müssen, welche Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Der Zugang und das Verlassen der Räume lassen sich so regeln, dass die Abstandsregeln eingehalten werden. Wir können uns eine Kombination aus Präsenzprüfungen und Onlineprüfungen vorstellen. Ich bin zuversichtlich, dass wir dadurch eine Entlastung des Präsenzgeschehens bekommen. So können mündliche Prüfungen in einer Videokonferenz abgehalten werden. Entsprechend angepasste Regelungen gibt es bereits, das war rechtlich früher schwieriger.

Illustration: Sophie Dohmen

Prof. Marcus Baumann: In einer Verordnung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft wird die Rechtssicherheit für die Hochschulen geschaffen, damit auch andere Prüfungsformen möglich sind. Wir empfinden das als große Erleichterung. Sie beinhaltet trotzdem noch eine Sicherheitsschleife: Wenn das Rektorat eine Änderung beschließt, kann der Fachbereich immer noch entscheiden, diese nicht anzunehmen. Da ist der wichtige Gedanke der Partizipation an deutschen Hochschulen trotzdem noch gewahrt. Uns ist sehr daran gelegen, dass den Studierenden kein Nachteil aus dieser Situation erwächst. Wir versuchen alles, um die Konsequenzen aus dieser Pandemie und dieser schwierigen Situation zu minimieren. Die Studierenden sollen ihre Studienleistungen erbringen können, damit dieses Semester für sie nicht verloren geht
Die Studierenden hadern natürlich wie wir alle mit den Lebensumständen, die anders sind. Da kann ich nur um viel Geduld bitten, das zu ertragen und das Beste draus zu machen. Eins liegt mir wirklich auch am Herzen: Gucken Sie mal in die Flüchtlingslager, gucken Sie mal dorthin, wo es den Menschen wirklich schlecht geht, wo sie um ihr Leben bangen und in katastrophalen Verhältnissen leben. Wir klagen hier auf ganz hohem Niveau, und wir tun alles, wirklich alles, um die Konsequenzen und die Folgen aus der Corona-Krise irgendwie lebbar zu machen.

Prof. Josef Rosenkranz: Wir wollen ja eigentlich keine Onlineuniversität sein. Wir wollen ja Präsenz. Für uns ist es ganz wichtig, dass wir mit den Studierenden persönlichen Kontakt haben, dass wir mit ihnen reden können, dass wir sie anleiten können. Das ist natürlich online eine Herausforderung. Viele Kolleginnen und Kollegen tun das gegen ihren inneren Wunsch, mit Studierenden direkt und nicht über den Rechner zu kommunizieren.

Den aktuellen Sachstand und Informationen zum Studium veröffentlich die FH Aachen auf ihrer Homepage

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