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Es muss einfach sein

Die Doppeldeutigkeit ist Prinzip: Es muss einfach sein! Es geht um Digitalisierung.

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Rathaus Jülich. Foto: Archiv PuKBSuS | Bearb. Tom Besselmann
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Die Stadtverwaltung kommt aus unterschiedlichen Gründen nicht an diesem Veränderungsprozess vorbei. Sie muss ihn befördern. Das bundesweite Online-Zugangsgesetz (OZG) sieht vor, bis Ende 2022 fast 600 Behördenvorgänge abgestimmt digital anzubieten. Das Gelingen dürfte zweifelhaft sein, wenn man weiß, dass Stand Ende Oktober erst 35 Projekte im zentralen Kommunalportal NRW in der Umsetzung sind. Vieles liegt darum in den Händen der Kommunen selbst und an deren Initiativen. Im Jülicher Rathaus steht – das war bereits 2015/16 zu hören – eine Reihe von Pensionierungen an, die nicht durch Neueinstellungen aufgefangen werden können. „Natürlich ist auch ein Gedanke hinter der Digitalisierung, Prozesse so zu optimieren, dass wir weniger Personal benötigen – nicht weil wir es nicht mehr einstellen wollten, sondern weil wir es nicht mehr bekommen“, erklärt Dezernent Richard Schumacher, in der Stadt Jülich für die Digitalisierungsprozesse zuständig. Und darum weiß er: „Es muss einfach sein“, und meint: „Die Prozesse müssen so einfach sein, wie – so sagen wir es in EDV-Kreisen schon mal – eine Bestellung bei dem größten Online-Versandhändler. Da gibt es kein Problem damit, seine Daten oder ein Bezahlsystem zu hinterlegen.“ Wenn das Verfahren einfach wäre, würde auch für die Bürgerschaft die Nutzung digitaler Formulare der Verwaltung selbstverständlich. „Ich muss Anträge praktisch auf einer Busfahrt erledigen können“, blickt Richard Schumacher in die Zukunft. Denn die wird sich seiner Ansicht nach nicht einmal mehr am Computer, sondern den „mobilen Endgeräten“ sprich Smartphones abspielen.

Ohne Standards geht es nicht

Vorab: Einiges ist schon geschafft. Aber die Menschen nehmen es wenig wahr, weil sie die meisten digitalen Prozesse nur indirekt betreffen. Vollzogen ist die Umstellung beispielsweise im Bereich Sitzungsdienste, Presse- und Bildarchiv, digitaler Personal- und Steuerakten und Rechnungen. Inzwischen wird jede Rechnung an zentraler Stelle gescannt und im Haus verteilt. Dazwischen liegen viele Einzelschritte wie etwa Rechnungsprüfung, Vier-Augen-Prinzip, Auszahlung. „Das Gleiche wollen wir auch mit der Post machen, dem sogenannten digitalen Posteingang – da sind wir aber coronabedingt in Verzug geraten“, räumt Schumacher ein. Der Grund ist unsichtbare Komplexität: Bis die Umstellung erfolgen kann, müssen viele Automatisierungsprozesse vorgeschaltet werden. Bis zu 70 Fachanwendungen liegen hinter einem Verfahren. Eine Standardisierung ist notwendig. Richard Schumacher erläutert sie am Beispiel Versicherung: „Bei den Verfahren steht immer oben rechts in der Ecke die Versicherungsnummer. Da hat man eine automatische Zuordnung. Das wollen wir auch erreichen. Wir wollen beispielsweise ein Kassenzeichen an einer bestimmten Stelle haben, damit der Scanner sofort erkennt, an welches Amt er es schicken muss. Also intelligentes Scannen, damit möglichst viel automatisiert wird.“ Der Unterschied zur Versicherung: Es gibt viele Formate von einem Brief in A4 bis zum Bauplan in A0. 

Analog und digital

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Ein unerwartetet großer Erfolg ist mit der Umstellung auf digitale Bewerbungsverfahren gelungen. 99 Prozent aller Bewerbungen gehen inzwischen per e-Post, also EMail ein, auch wenn der übliche Postweg weiterhin möglich ist. Das sei gut für den Bewerber, der automatisch eine Eingangsbestätigung bekäme, automatisiert könnten Einladungen verschicken werden und die Akten eben digital abgelegt. „Wenn man Prozesse optimieren will, muss man auch die Vorgänge dahinter digitalisieren, das heißt: Wir haben – Beispiel Personalbereich – alle Akten der Mitarbeiter digital. Die alten sind gescannt, was neu reinkommt wird in einem so genannten Dokumentenarchiv abgelegt“, erläutert der Dezernent. Die Digitalisierung, davon ist Schumacher überzeugt, biete übrigens mehr Datensicherheit. „Wenn es früher irgendwo gebrannt hat, war die Akte unwiederbringlich verloren. Heute sind die Daten gesichert und noch mal gespiegelt, also doppelt gesichert in Rechenzentren. Die Datensicherheit ist auch erhöht worden.“

Weniger Papier und „verschlankte“, also verkürzte Verfahrenswege ermöglicht auch der Planungsinformations- und Beteiligungsserver Tetraeder. Wer schon einmal ein Bauverfahren durchlaufen hat weiß, dass viele „Träger öffentlicher Belange“ beteiligt werden müssen. „Die Liste an Behörden füllt ein A4 Blatt“, schildert Schumacher den Umfang. Früher musste jede Akte –teilweise in zweifacher Ausführung – an alle Träger geschickt werden. „Dieser Prozess, kann man sich ja vorstellen, hat ewig gedauert.“ Der Server ermöglicht eine digitale Versendung, die Stellungnahme erfolgt digital und wird als solche im System mit abgelegt.

Auch wenn die bürokratische Welt sich immer mehr per Computer abspielt, sollen die analogen Abläufe weiter möglich bleiben: „Es darf keine soziale Spaltung geben“, betont Dezernent Schumacher. Darum bietet die Stadtverwaltung auch künftig den Service im Bürgerbüro an. Hier treffen sich digitale und analoge Welt: Der Termin kann online oder via Telefon erfolgen, das Formular etwa für den Personalausweis via Computer zu Hause oder vor Ort ausgefüllt werden. 

Corona war ein Digitalisierungsbeschleuniger und Hemmschuh gleichermaßen, konstatiert EDV-Fachmann Schumacher. Adhoc galt es, den Mitarbeitern eine Arbeit von zu Hause aus zu ermöglichen. Alle Facetten von der praktischen Voraussetzung über Rechtssicherheit bis zur Frage, welche Telefonnummer bei der Rufumleitung zum Anrufer „gesendet“ wird, waren zu bedenken. Voraussetzung war eine Modernisierung der Telefonanlage, und letztlich muss auch die Verkabelung im Rathaus dafür geeignet sein. 

Derzeit „in Arbeit“ sind die Einführung eines digitalen Aktenplans, digitaler Hunde-, Denkmal- und Friedhofsakte sowie die Digitalisierung des Vertragsmanagements.

Stichwort: Digitalisierung

Das Wort ist in aller Munde, aber nicht allgemeinverständlich: Es bezeichnet die Umwandlung von analogen, also „anfassbare“ Informationen – beispielsweise

  • einen Schriftstück in Papierform – in digitale Informationen also eine Textdatei im Computer.
  • Umwandlung von analogen Medien wie eine Kasetten oder CDs in MP3 oder MP4-Datei im Computer.
  • Der Prozess betrifft ebenso Arbeitsabläufe: Aktenordner werden zu Dateiordner im Computer, Rechnungen werden per Computer zu Computer geschickt und auch der Bezahlvorgang erfordert keinen Gang zur Bank mehr, sondern kann von zu Hause aus per Computer getätigt werden, Stichwort Online-Banking oder Bezahlsysteme.
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Dorothée Schenk
HERZOGin mit Leib und Seele. Mein HERZ schlägt Muttkrat, Redakteurin gelernt bei der Westdeutschen Zeitung in Neuss, Krefeld, Mönchengladbach und Magistra Atrium der Kunstgeschichte mit Abschluss in Würzburg. Versehen mit sauerländer Dickkopf und rheinischem Frohsinn.

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