Die Zeichen am Ufer des Baggersees standen auf Sturm. Spätestens seit dem Beginn der Corona-Pandemie ist Naherholung am Barmener See kein Geheimtipp für Anwohner mehr. Der kleine Strand, den es gefühlt schon immer gab, wurde während der Pandemie stark frequentiert, auf den Wegen rund um den See war immer viel los. Es gab mitunter große Nutzerkonflikte, denn weite Teile des Sees und des ihn umgebenden Naturraums sind Landschaftsschutz-, Naturschutz- und Fauna-Flora-Habitat-Gebiet und unterliegen einem besonderen Schutzinteresse, das eine Freizeitnutzung mitunter ausschließt. Als der Landschaftsplan des Kreis Düren 2021 neu aufgestellt wurde, sah ein erster Entwurf vor, den See komplett unter Naturschutz zu stellen. Dies hätte das Ende für die Nutzung als Naherholungsgebiet bedeutet. Kein Strand mehr, keinen Weg rund um den See mehr. Dass es anders kam ist ein Beweis dafür, dass trotz unterschiedlicher Interessen und aller damit verbundenen Konflikte dennoch tragfähige Kompromisse erzielt werden können. „Die Menschen sind wieder in den Dialog getreten, haben miteinander gesprochen, nicht übereinander“, blickt Jülichs Beigeordneter Richard Schumacher auf das Jahr 2021 zurück. In diesen Tagen wird es noch einmal spannend, denn bis Ende des Jahres entscheidet sich, ob die von der Stadt eingereichte Projektskizze „Naturerlebnisraum Barmener See“ in die zweite Runde der Ausschreibung geht und somit der Weg frei wäre für die Beantragung von Fördermitteln, um das Naturerleben noch ansprechender gestalten zu können. Doch der Reihe nach.
2021 hatte Stadt erstmals alle Beteiligten in der Bürgerhalle zusammengerufen, um Möglichkeiten auszuloten, die Interessen von Naherholung mit den Belangen von Natur- und Landschaftsschutz unter einen Hut zu bekommen. Denn nicht alles, was getan wurde und sich eingebürgert hatte, war auch erlaubt. Nur war dies auch nicht immer bekannt. Dieses Treffen war auch die Geburtsstunde einer Arbeitsgruppe, der unter anderem Vertreter der Kommune, der Anwohner, der Naturschutzverbände, der Jäger, Angler und Landwirte sowie der Forstverwaltung angehören. Allein diese Zusammensetzung zeigt, welche Interessensschnittmengen es am kleinen See gibt. „Wir haben einen Kompromiss erarbeitet, der vom Kreis Düren als Untere Landschaftsschutzbehörde akzeptiert worden ist“, fasst Richard Schumacher die zahlreichen Beratungen zusammen. „Die Fördermittel aus dem Strukturwandeltopf wären jetzt das Sahnehäubchen“, fügt Strukturwandelmanagerin Petra Dören-Delahaye, 2021 Leiterin des Planungsamtes der Stadt Jülich, hinzu. Die Entflechtung von Orten für die Naherholung und ökologisch sensibler Bereiche könne so noch einmal auf eine andere Ebene gehoben werden, beispielsweise durch den Bau einer Steganlage, die die Bereiche von Zu- und Abfluss des Sees auch bei hohem Wasserstand ermöglicht und eine Ausweichroute schafft, damit geschützte Vogelarten ungestört brüten können.
Die Projektskizze wurde Ende August im Förderaufruf „KoMoNa“ (Kommunale Modellvorhaben zur Umsetzung der ökologischen Nachhaltigkeitsziele in Strukturwandelregionen) eingereicht. Bis Ende des Jahres entscheidet sich, ob die Skizze in die nächste Phase des zweistufigen Verfahrens kommt, in der ein konkreter Förderantrag vorbereitet und gestellt werden kann. „Vorgabe des Fördermittelgebers war, dass die Skizze maximal zehn Seiten umfassen darf, ein Anhang mit Grafiken und Bildern darf maximal zwei Seiten lang sein“, erklärt Richard Schumacher. Auch die Gliederung war vorgegeben. Dementsprechend sei die Projektskizze in dieser Phase des Verfahrens inhaltlich relativ grob verfasst. „Sie soll in erster Linie die Idee vermitteln und bietet keinen Platz für Details“, erklärt der Dezernent. Hat die Skizze Erfolg, werden in der zweiten Stufe des Verfahrens die einzelnen Projektbausteine sowohl inhaltlich als auch finanziell detaillierter ausgearbeitet und abgestimmt.
„In der Skizze stehen Ideen, die schon über einen langen Zeitraum gewachsen sind – mit einer hohen Rückkopplung an die Realität“, erklärt Jülichs zweite Strukturwandelmanagerin Karen Steffens. Wenn es in der zweiten Phase um den konkreten Förderantrag und die detaillierte Ausarbeitung der einzelnen Bausteine geht, werde auch die Arbeitsgruppe wieder einbezogen, betont Karen Steffens. Sollte sich die Jülicher Projektskizze um bundesweiten Wettbewerb der Ideen beweisen, bleibt für die Stellung des Förderantrags voraussichtlich rund ein halbes Jahr Zeit. Mit einer Bewilligung sei dann Ende 2025 zu rechnen, die ersten Maßnahmen könnten Anfang 2026 umgesetzt werden. Im Raum steht eine Fördersumme von bis zu acht Millionen Euro, die auch zur Planung, Umsetzung und Begleitung der Maßnahmen notwendiges (zusätzliches) Personal refinanziert.
Doch mit welchen Ideen, die noch einer Konkretisierung bedürfen, geht Jülich überhaupt ins Rennen? Zur Verbesserung des ökologischen Zustands des Sees sollen beispielsweise Maßnahmen zur naturnahen Ufergestaltung umgesetzt werden, nicht heimische Pflanzen und Gehölze entfernt und Schutzzonen definiert werden. Die bestehende Badestelle am westlichen Ufer soll gezielt für die Freizeitnutzung hergerichtet und der angrenzende Treffpunkt für Jugendliche aufgewertet werden. Die vom NABU am östlichen Seeufer errichtete Vogelwarte könnte durch eine barrierefreie Naturbeobachtungsstation ersetzt werden. Die Rundwege um den Barmener See und die Rurmäander im Barmener Driesch sollen zu Themenpfaden für die Umwelt- und Naturschutzbildung entwickelt und barrierefrei und verkehrssicher umgestaltet werden. Ansprechendes Stadtmobiliar, also Bänke und Tische, sollen zum Verweilen am Wasser einladen und den See zur „grüne Oase“ machen. Nicht Massentourismus für gestresste Großstädter sei das Ziel, sondern „sanfter Tourismus“, naturnah, mit ganz viel Naherholung für die Anwohner und Anrainer und einem außerschulischen Lernort für die Umweltpädagogik, heißt es aus dem Rathaus. Die Parkmöglichkeiten an der Broicher Seite und in Barmen an den Sportanlagen sollen daher auch nicht ausgeweitet werden.
„Was ausdrücklich auch von den Anwohnern nicht gewünscht ist, ist eine überregionale touristische Erschließung, womöglich mit Wasserski-Anlage oder Gastronomie am Strand“, stellt Richard Schumacher klar. Dies sei auch nicht mit den Belangen von Natur- und Landschaftsschutz zu vereinen. Aus diesen Gründen bleiben auch Segelsport, Stand-up-Paddling und das räumlich uneingeschränkte Schwimmen im See verboten. Ob mit oder ohne Förderkohle aus dem Strukturwandeltopf – rechtlich bleiben die Rahmenbedingungen gleich. Mit einer „KoMoNa“-Förderung aber könne die Umsetzung vieler bereits heute skizzierter Ideen „ansprechender, professioneller und mit mehr Möglichkeiten“ umgesetzt werden. „Ohne Förderung geht es natürlich auch weiter. Aber mit kleinen Schritten und sehr reduzierten Maßnahmen – und parallel suchen wir alternative Fördermöglichkeiten“, sagt Richard Schumacher.
„Der Prozess war bislang sehr spannend. Mich hat fasziniert, wie Partizipation mit den Bürgern funktioniert. Die Leute wollen mitmachen, wollen beteiligt werden. Da wir alle zusammen auch mit den Trägern öffentlicher Belange an einem Tisch saßen und uns austauschen, hilft dieses Wissen, den anderen zu verstehen“, sagt Strukturwandelmanagerin Petra Dören-Delahaye. „Ganz oft fehlt angesichts dieser doch langen Zeiträume der Glaube an die Umsetzung. Der Barmener See zeigt, dass es sich lohnt, sich über einen so langen Zeitraum mit einem Projekt zu beschäftigten“, fährt sie fort. Der Arbeitskreis wird im Januar das nächste Mal tagen. Eine Bestätigung für die bisherige Arbeit wäre es, wenn die eingereichte Projektskizze in die nächste Runde gekommen ist. Auch, wenn dies wieder neue Arbeit bedeutet.