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Bange Zeit des Wartens

Aktionen wie „Judith braucht Jülich“ zeigen, wie die Jülicher ticken: Selbst die DKMS, ehemals Deutsche Knochenmarkspenderdatei, war völlig überrascht von der Hilfswelle, die am heutigen Samstag in der Katholischen Grundschule (KGS) anbrandete. Kurz nach 15 Uhr waren bereits über 1700 Freiwilligen gezählt worden, die zur Typisierung gekommen waren. Eine Ende war nicht abzusehen. „Wir schicken keinen fort“, war die klare Ansage von Dr. Alwin Bulla, Arzt am Jülicher Elisabethkrankenhaus und Koordinator der Typisierung. Für die Eltern und Judith beginnt nun die bange Zeit des Wartens: Vier bis sechs Wochen dauert es bis zur Auswertung der Blutproben. NACHTRAG: Die letzten Zahlen von Samstagabend aus dem Organisationsteam: Gestern haben sich 2553 Menschen am Aktionstag typisieren lassen. An Spenden kamen 40.000 Euro zusammen.

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Am Aktionsshirt waren die Organisatoren und Ansprechpartner gut erkennbar. Foto: Dorothée Schenk
Am Aktionsshirt waren die Organisatoren und Ansprechpartner gut erkennbar. Foto: Dorothée Schenk
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Zeitweise standen die Menschen bis auf den Parkplatz Schlange, um sich typisieren zu lassen.
Der Aufruf erging, weil für die an Leukämie erkrankte sechsjährige KGS-Schülerin Judith ein genetischer Zwilling gesucht wird, der nach einer Stammzellen-Spende das Leben des Kindes retten könnte. „Auch wenn ich Judith nicht helfen kann, so kann ich vielleicht doch für einen anderen Leukämie-Kranken die Nadel im Heuhaufen sein“, formulierte eine Freiwillige ihren Beitrag. Denn das ist der Sinn der Aktion: Weltweit für eine Erweiterung des Datennetzes zu sorgen, das es möglichst vielen Leukämie-Kranken ermöglicht, den richtigen Stammzellen-Spender zu finden. Bis weit über die Stadtgrenzen Jülichs hinaus hatten die Medien und Radiostationen regional und überregional den Aufruf veröffentlicht, das Fernsehen hatte berichtet und so kamen die Menschen nicht nur aus Jülich, sondern auch aus dem Kreisgebiet, den Nachbarkreisen und sogar ein Freiwilliger aus Belgien. Dieser musste unverrichteter Dinge wieder gehen, denn der DKMS darf nur deutsche Spender registrieren.

Bislang gab es für die Sechsjährige keinen „Treffer“. Auch nicht innerhalb der eigenen Familie. „Abstammung ist nicht alles“, sagt Dr. Bulla. „Für die Familie ist diese Aktion eine Strohhalm, an den sie sich klammert.“ Die Chance liege – aus welchen Gründen auch immer – bei 1 : 20.000 bis zu einer Millionen. „Das heißt, wenn wir heute hier 2000 Spenden haben, ist das ein super Ergebnis, aber ein Zehntel dessen, was man erwartet für die Minimalchance.“ Nur durch das stetige Wachsen der Datenbank kann die Hoffnung größer werden. Das Jülicher Forschungszentrums Jülich hatte am gestrigen Freitag bereits seine Mitarbeiter zur Typisierung aufgerufen. 600 Mitarbeiter waren der Aufforderung gefolgt.

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Rund 125 Helfer, so zählte Dr. Bulla, standen in der Turnhalle der KGS parat, 100 waren in ständigem Einsatz. Doppelt so viele Helfer und Unterstützer, wie es die DKMS normalerweise empfiehlt, wurden aufgeboten. Und die Resonanz gab den Jülichern Recht. Dr. Bulla hatte per Rundmail im Elisabeth-Krankenhaus nach freiwilligen Fachkräften gesucht, die auch Blut abnehmen dürfen. Was er nicht wusste: Die elektronische Post wurde auch von der Geschäftsleitung gelesen und in alle Häuser der Caritas-Trägergesellschaft verteilt. „Dann hat mein eMail-Konto angefangen zu brummen“, erzählt Koordinator Bulla schmunzelnd und selbst völlig überrascht von der Resonanz.

Wer es bis zur Türe der Turnhalle geschafft hatte, wurde von einem Einweiser in Empfang genommen, der darauf achtet, wo ein Helfer eine rote Karte in Luft hielt. Das Zeichen, dass wieder ein Platz frei war. Platz nehmen zur Registrierung, Personalien abgeben und die Fragen nach akuten Erkrankungen und eventueller regelmäßiger Medikamenten-Einnahmen beantworten, Einwilligung unterschreiben und schon ging es mit einem mit Namen versehenen Röhrchen für die Blutspende weiter. Wählen konnten die Freiwilligen dann, ob sie lieber liegend oder sitzend beim freiwilligen Fachpersonal aus den ctw-Krankenhäusern im Kreis Düren ihre Stammzellen-Probe abgeben wollten. Keine zwei Minuten dauert das minutiös durchorganisierte Verfahren bis zur Endkontrolle.

Gut erkennbar waren die Engagierten durch die T-Shirts mit dem Aufdruck „Judith braucht Jülich“, die eigens von Judiths alter Kindergarten-Gruppe gestaltet wurden. Rund eine viertel Stunde Wartezeit mussten die Freiwilligen investieren und eine kleine Blutprobe. Mehr nicht. Wer wollte, konnte eine Geldspende abgegeben werden. 40 Euro kostet jeder Stammzellentest. Das Ziel von Dr. Bulla war es, die 1000er Marke zu knacken – damit lagen die zu erwartenden Kosten bei 40.000 Euro. Vor Aktionsbeginn waren am Freitagabend bereits 30.000 Euro Spendengelder eingegangen und am Tag selbst waren die prallgefüllten Spendenboxen sichtbares Zeichen für das hohe Engagement vor Ort. „Wir haben laufend Geld eingenommen“, sagt Dr. Bulla.

Das lag auch am hohen Einsatz der KGS selbst: Kollegium, Eltern und Schüler stellten sich in den Dienst der Sache. Sie sorgten in der Cafeteria, bei einem Flohmarkt und Versteigerungen für stetigen Fluss in die Kasse. Großzügige Spenden gingen außerdem vom Verein „Lichtblicke“ ein, Trikots vom FC Köln und der Mönchengladbacher Borussia mit Spielerunterschriften standen zur Versteigerung, Sportvereine, Maiclubs und Karnevalisten unterstützten die Aktion. Mittags tanzten die „Bärmer Sandhase mit der gesamten Mannschaft“, erzählte Schulleiterin Prömpers. Die „Minimüüs“ der Maiblömche schwangen zum Finale das Tanzbein und hatten gleich das Dreigestirn mit dabei, das sein närrisch blaues Blut übrigens ebenfalls der DKMS-Datenbank zur Verfügung stellte.

Der Tag ist vorbei. Die Euphorie wird jetzt einer bitteren Wartezeit weichen. Wie geht es weiter? In vier bis sechs Wochen liegen beim DKMS die Ergebnisse vor. Sollte in Jülich ein Spender gefunden worden sein, wird er kontaktiert. Spender müssen sich noch einer Folge von intensiveren Untersuchungen unterziehen, erklärt Dr. Bulla, ,,einer weiteren Blutabnahme und in 80 Prozent aller Fällen reicht sie, um die Stammzellen zu gewinnen. „Das ist ähnlich wie bei einer Dialyse“, erklärt Dr. Bulla. In 20 Prozent der Fälle ist Beckenkamm-Punktion notwendig unter Vollnarkose. Bei der Risiko-Abwägen stehe der Nutzen in keinem Verhältnis zum Risiko, sagt Dr. Bulla.

Wer an der Aktion nicht teilnehmen konnte, kann sich immer noch typisieren lassen. Die DKMS schickt „Spenderpakete“ zu. Wie es geht erfahren Interessierte hier


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