In dem Moment, als die Stadtverwaltung nach der Zerstörung Jülichs zurückgekehrt war, wurde zügig auf das Thema Wiederaufbau hingearbeitet. Damals war Heinz Scheuer Stadtbaumeister. Schon 1946 gab es den ersten Entwurf zum Wiederaufbauplan durch René von Schöfer, der auf Pläne aus der Vorkriegszeit zugreifen konnte. In seinem Generalbebauungsplan 1934 hatte von Schöfer die noch heute aktuellen Stadtumfahrungen – den Schöfer-Ring – vorweggenommen, ebenso eine Nord- und Süd-Umfahrung der Stadt. Dazu hat er den Altstadtbereich klar definiert. Letztlich ist der Stadtrat diesen Vorschlägen zur damaligen Zeit nicht gefolgt. Ein Stück weit kann man den Rat auch verstehen. Nach einer Erhebung wurden pro Minute maximal zwei Fahrzeuge an den Zählstätten gemessen. Es fehlten Erfahrungswerte aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg.
Die Aussage, dass es bestimmt 30 Jahre dauern werde, ehe die Stadt wiedererrichtet sei, wurde allerdings Lügen gestraft. Die Privatleute haben in der Regel mit der Bautätigkeit nach Umsetzung der Währungsreform 1948 angefangen. Das war der Zeitpunkt, als die Menschen auf ihre alten Grundstücke in die Keller ziehen konnten und ihre Häuser wiederaufgebaut haben – auch wenn es schwierig war, an Baumaterial zu kommen. Befördert hat den Aufbau der Stadt als Ganzes, dass alle Leitungen noch relativ gut erhalten geblieben waren und man den Grundriss weitgehend beibehalten konnte.
Im Grunde stand die Stadt schon 1956 in den wichtigsten Punkten. Zu dieser Zeit entstand das Nordviertel. Es musste im Zuge der Entscheidung, dass „das Atom“ – also die Kernforschungsanlage, heutiges Forschungszentrum – in Jülich angesiedelt wurde, Wohnraum geschaffen werden. Die nächste „Stadtgrenzenerweiterung“ kam mit der vollzogenen Umsiedlung von Lich-Steinstraß 1986 nach Jülich.
Veränderungen, die heute Relevanz haben, beziehen sich vor allem auf den Innenstadtbereich. Mit Heinz Schmidt als Bürgermeister bekam Jülich ab 1984 ein neues Gesicht: Der Marktplatz wurde autofrei, die Kölnstraße im unteren Bereich zur Fußgängerzone. Die Kanalsanierung erfolgte 1986/87, und in kürzester Zeit erhielt die Stadt die Tiefgarage „An der Zitadelle“, die 1989 in Betrieb ging. Möglich geworden waren diese Maßnahmen, weil unter Ministerpräsident Johannes Rau das Land NRW erstmalig Fördermittel dafür zur Verfügung gestellt hatte.
In diese Zeit fiel auch die Diskussion, ob sich Jülich als Austragungsort der Landesgartenschau 1998 bewerben sollte. Einstimmig war im Stadtrat am 27. Oktober 1988 das Votum ergangen, und 1990 erhielt die Stadt den Zuschlag. Eine perspektivische Entscheidung, denn im Zuge der Landesgartenschau wurde auch die Stadtsanierung und -entwicklung in den Blick genommen. Um nur einige Punkte zu nennen: Seither gibt es den Ring-Schluss rund um Jülich und den Von-Schöfer-Ring, ist die Pasqualini-Brücke der neue Stadteingang zur Zitadelle, und der Umbau des Bahnhofs zum soziokulturellen Zentrum, liebevoll „KuBa“ genannt, wurde vollzogen. Insgesamt, so rechnete Dr. Peter Nieveler in einem Beitrag vor, seien vor und während der Landesgartenschau in Jülich rund 70 Millionen Mark investiert worden. „Dabei wurde das Gesicht der Stadt zunehmend schöner, und bei Beginn der LGS konnte man feststellen, dass nun der Wiederaufbau der kriegszerstörten Stadt abgeschlossen war.“
Anfang der 2000er Jahre begannen die Gespräche zur Errichtung des interkommunalen Gewerbegebietes auf der Merscher Höhe – heute sichtbar als wachsender Brainergy Park. In Sichtweite entstand der neue Campus der FH Aachen. Aktuell geht es wieder um die Entwicklung der Innenstadt. Im Zuge des InHK (integrierten Handlungskonzeptes), das 2019 im März angekündigt wurde, sind im Oktober 2020 15 Millionen Euro Fördergelder bewilligt worden. Nach 30 Jahren kommt es damit zur zweiten Innenstadtsanierung. Erstes sichtbares Zeichen ist der umgestaltete Marktplatz. Klar ist heute schon, dass nicht alle Ideen umgesetzt werden können.
Der nächste große Markstein in der Jülicher Stadtentwicklung wird das Quartier Nierstein sein. Der Spatenstich zu dem 22 Hektar großen neuen Stadtviertel soll 2025 erfolgen. Einmal mehr steht die Stadtgesellschaft vor einer großen Herausforderung. Gelingen muss, die Menschen, die dorthin in das städtische Leben – wie die Vereinskultur – ziehen, einzubinden, damit keine abgegrenzte Vorstadt entsteht.