Vor allem Bürokratie und finanzielle Risiken sind es, die das ländliche Apothekenwesen auch im Bereich des Nachwuchses vor Probleme stellen, erklärt Luc Rey, Sprecher der Jülicher Apotheken. Nach einem halben Jahr Pflichtpraktikum stellten Viele fest, dass sie unter diesen Umständen nicht ihr Arbeitsleben verbringen möchten, gibt der Rey an. Die Realität sei mit den moralischen und gesetzlichen Pflichten des Apothekertums nicht mehr vereinbar.
Der Leiter der Schlossplatz Apotheke berichtet vom Alltag: Rücksprachen mit der verschreibenden medizinischen Fachkraft sind zu führen, um die Richtigkeit des Rezeptes zu bestätigen, ebenso wie die Notwendigkeit der Prüfen alle Aufkleber und Unterschriften. Teilweise lande man bis zu Stunden lang in Telefonschleifen. Und dann drohe selbst bei geringen Formfehlern – etwa bei Einlösen des Rezeptes am 29. Tag, dabei seien Rezepte nur 28 Tage gültig, oder des Übersehens von Rabattverträgen – eine so genannte „Retaxierung“: Die Krankenkassen zahlen ihren Beitrag nicht, manchmal kommt die Rückmeldung erst Monate später. Die Apotheke bleibt auf den Kosten sitzen – ganz ohne beispielsweise staatliche Förderungen.
Gerade sei die sogenannte „Nullretaxierung“ im Gespräch, nach der die gesetzlichen Krankenkassen nicht nur teilweise, sondern sämtliche Kosten zurückweisen könnten. „Die muss dringend vom Tisch“, fordert Rey. Betroffen von hohem bürokratischem Aufwand und damit einhergehender Erschöpfung seien zudem nicht nur Apotheken, sondern der Gesundheitssektor insgesamt, warf er ergänzend ein. Ein Grund, warum sich der erfahrende Apotheker den Bundestagsabgeordneten Thomas Rachel zum Ortstermin eingeladen hatte.
Die schon seit langem abzusehende Lage habe sich im Zuge der Lieferengpässe zugespitzt, hieß es im Hintergrundgespräch. Auch der Onlinehandel, der durch vergünstigende Boni locke, dabei aber die Serviceleistungen der Apotheken nicht biete, sei ein Problem. Gabriele Manheller, Amtsapothekerin des Gesundheitsamts Düren, stellte den Mangel eindrücklich dar: Im Kreis Düren gebe es sechs so genannte „alleinstehende Apotheken“. So werden diejenigen genannt, die mindestens fünf Straßenkilometer von der nächsten entfernt sind. Solche aus angrenzenden Kreisen würden in der Berechnung mit einbezogen. Dabei steige die Tendenz, auch wenn es anhand der Zahlen noch nicht unbedingt auffalle: Mehr alleinstehende Apotheken schlössen, dabei würden gleichzeitig mehr Apotheken zu alleinstehenden. Ein bekanntes Beispiel aus der erweiterten Region sei eine Apotheke in Schmidt. Und nicht nur der Weg ist für Kranke ein Problem: Bei einem Notfall müsse erst herausgefunden werden, welche Apotheke Notdienst habe und insbesondere in der aktuellen Lage sei dann noch nicht sicher, ob das passende Medikament dort vorrätig sei.
Claudia Kirsch-Robens, stellvertretende Leiterin der Schlossplatz Apotheke, warf einen Verbesserungsvorschlag ein: Zu Corona-Zeiten sei es den Apotheken selbst vorbehalten gewesen, wenn ein Medikament nicht in der entsprechenden Dosierung oder nur ein etwas teureres Präparat vorhanden war, diese Alternative anzubieten. Die Abgaberegelungen waren entsprechend vereinfacht worden. Heute sei man wieder, wie zuvor, streng an die ärztlichen Anweisungen gebunden.
Rachel versprach, die Anregung mit in die Gespräche zu nehmen. In konkreten Zahlen führte er dabei an, dass es bei 473 Medikamenten momentan Lieferengpässe gebe. Auf lange Sicht müsse Deutschland wieder unabhängiger von den monopolisierten Herstellern werden und nicht nur eine Nationale Reserve schaffen, sondern auch wichtige Wirkstoffe im Land oder der EU selbst produzieren, um eine Versorgung sicherzustellen. Auch ein nationales Frühwarnsystem zog er in Betracht. Zunächst aber müsse schnell gehandelt und ein Beschaffungsgipfel mit Bund, Ländern und medizinischem Fachpersonal abgehalten werden, nach dem auch Medizin aus dem Ausland gekauft werden könne, schlug er vor.
Luc Rey bekräftigte, dass Beteuerungen seit Jahren anhielten, aber die Apotheken konkrete Signale bräuchten, dass tatsächlich etwas passiere. Die „Fesseln“ im Alltagsgeschäft, wie er das enge bürokratische Korsett nannte, müssten zügig gelöst werden. Durch dieses würden nicht nur die medizinischen Kräfte von der Verschreibung bis zur Medikamentenausgabe in ihren Aufgaben behindert, sondern auch der kranke Mensch verunsichert. Und, so gab er zu, es geht auch um das Geld verdienen, um die Planungssicherheit der Apotheken, denn sie sind gleichzeitig Unternehmen, die Angestellte versorgen und Medikamente einkaufen müssen sowie die notwendige Technik vorhalten, beispielsweise für das Labor.