Chef-Archäologe Husmann versucht auf dem sonnigen Marktplatz „durch die Leute zu messen“, wie er es nennt. Er zeigte sich erstaunt über die unbeeindruckte Umgangsweise der Jülicher mit den Bauarbeiten auf dem Marktplatz: Die Leute ließen sich so gar nicht stören und blieben an ihren Plätzen, äßen ihre Spaghetti, fast wie in Italien, findet er. Gerade dokumentiert eine Kollegin auf der Hauptbaustelle die „Abwesenheit archäologischer Funde.“ Das sei für die Arbeit auch sehr wichtig.
Das Team vom Herzog wird jedoch sogleich hinter die Propstei-Kirche geführt, denn da geschieht gerade das Gegenteil: Funde werden hier gerade dokumentiert. „Wir graben uns ja von der Neuzeit immer weiter runter“, so Husmann. Gerade sei man beim Zweiten Weltkrieg angelangt. „Hier hat mal ein Haus gestanden, das ist dokumentiert“ – ein Kellerfundament eines Hauses von vor dem zweiten Weltkrieg. Zerstört worden sei es im Zuge der Bombardierung. Und da, da sei die so genannte „Köttelsjass“ verlaufen – die Kirchgässchen, sagt er und zeigt in etwa in Richtung Elektrohandel Krieger. Besonders die echten Muttkrate werden den Ausdruck aus dem Muttkrate-Lied noch kennen. Geschichte wird vor dem inneren Auge lebendig, besonders als Husmann andeutet, wo das Haus im jetzt luftleeren Raum gestanden haben muss.
Die alten ausgegrabenen Fundamente würden jetzt dokumentiert, konserviert und dann wieder überbaut. Um die Fundamente der älteren Häuserfundamente vom Ende des Zeiten Weltkrieges sind noch ältere. Da wisse man noch nichts Genaues über die Datierung. Ein Stück weiter um die Kirche herum, wurden Knochen und Schädel freigelegt: „Hier muss man natürlich mit Gräbern rechnen“, so Husmann. Um die Kirche herum war ein Friedhof. Dass hier auch sehr früh schon Tote begraben wurden, zeigt ein ganz besonderer Fund: Einen Raucher könne man datieren. Diesen erkenne man durch die so genannte „Abrasion“ im Mundwinkel. Es müsse sich um einen Pfeifenraucher gehandelt haben, der aus dem 16. bis 18. Jahrhundert stamme. Pfeiferauchen sei in Aachen schon im 16. Jahrhundert erwähnt worden.
Verzögern sich die Marktplatzarbeiten dadurch? Dass man etwas finde, sei ja mit eingeplant. „Wir schreiten voran“, so Husmann. Demnächst, bei der Kanalverlegung, da dringe man dann noch in tiefere Schichten vor. Jülich habe sich ja seit dem Stadtbrand im 15. Jahrhundert durch den Baumeister Allessandro Pasqualini sehr verändert. Für das 19. Und 20. Jahrhundert, da gebe es auch jede Menge Material von Jülich, erklärt er und meint die zahlreichen Stadtpläne, die von der Herzog-Stadt erstellt worden seien. In diesem Bereich wird es also nicht so viel Überraschendes geben. Doch der „alte Pfeifen-Raucher“ – das ist schon eine Kuriosität.
Fotos: Volker Goebels