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Trip in die Punkrock-Vergangenheit

Mit seinem Projekt Punkrock Piano brachte Uli Sailor die gleichnamige Musikrichtung der 90er zurück in den Jülicher Kulturbahnhof, teilweise mit Domi Amian am Kontrabass. Als passenden Support fetzten Fluegge alias Tobi Peters und Adolfo Alvarez Blanco.

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Uli Sailor rockte mit seinem Punkrock Piano alleine und mit Domi Amian das Publikum im KuBa. Foto: Arne Schenk
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Punkrock – das war die Musik der jungen Menschen, unangepasst und mit viel Power, um die ganze Energie, die in einem angestaut war, wieder loszuwerden. Und damit auch den ganzen Ärger, den man mit sich herumschleppte – über die Schule, das Elternhaus, die Ungerechtigkeit in Deutschland und sonstwo auf der Welt. Oder einfach über andere Menschen, die einen gerade drangsalierten.

Doch was machen Punkrocker, wenn sie älter geworden sind und womöglich kleine Menschen in eine Welt gesetzt haben, in der die Bewegung nur noch als eine von vielen angesehen wird, die irgendwann einmal in der Vergangenheit stattgefunden hat? Uli Sailor schlägt eine Variante vor: einfach sich ans Klavier setzen und ein paar alte Schmankerl zum Besten geben. Aber ist das noch Punkrock?

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Weitab von Fahrstuhl und Jazz Lounge schleuderte Uli Sailor eine Handvoll von Songs, die ihn persönlich beeinflusst und somit sozialisiert haben, in das Publikum der KuBa-Kneipe. Eine erlesene Auswahl an Stücken, die weitab jeglicher „Ich singe Deinen Song“-Lagerfeuer-Romantik aus einer Zeit stammten, als Musik mehr als nur der Soundtrack zum Wunsch war, den nächsten Urlaub zu planen.

NOFX, Bad Religion, Millencolin, Propagandhi, Terrorgruppe, ja, und ganz besonders D-Sailors standen für eine Lebenseinstellung, und die betreffenden Namen auf seiner Lederjacke oder zumindest auf dem T-Shirt stehen zu haben, bedeutete, Stellung zu beziehen und Flagge zu zeigen. Anders ist es kaum zu erklären, dass ein Alt-Punk am Piano alleine dafür sorgte, dass die KuBa-Kneipe wohlgefüllt wie selten war. Sie hofften ganz offenbar, auf diese Weise einen Trip in die Vergangenheit gebucht zu haben. Schließlich erinnert nicht nur sein Namen an die einstige Jülicher Vorzeige-Punkrock-Band „D-Sailors“.

Und Uli enttäuschte sie nicht. Aus dem Stand ließ er Kracher auf Kracher folgen: „You are (the government)“, „Island of Shame“ und „Bullion“, gab mit einem umwerfenden „Mystery“ von Turnstile auch einen Tipp zur aktuellen Musikszene ab, ehe er mit „Linoleum“ noch ein paar Kohlen mehr ins Feuer warf. Und dies alles nur mit Piano und Gesang, aber trotzdem mit der zugehörigen Power und Drive, wie sie sonst nur Rock-Bands haben. Und auch seinen ehemaligen Mitseemännern huldigt er mit dem Song „Release me“. Für zusätzliche Tiefe sorgte bei einigen Songs Domi Amian am Kontrabass, als Mitglied der Socks ehemaliger Wegbegleiter Sailors und Schwager von Uli.

„Es ist wichtig, dass es Räume gibt, wo man Musik machen kann“, betonte der Multi-Instrumentalist, der auch eine Vergangenheit mit den Deutschpunkx von Terrorgruppe und den Alternative Rockern Tusq hat. Vor dem geistigen Auge waren sie wieder da, die Menschen, die sich gegenseitig animierten, mit anderen Songs einzustudieren, um sie dann anderen vorzuspielen. Eigenhändig produzierte Musik mit passender Dramaturgie, um dann in der großen Familie zu schauen: Und was habt Ihr vorbereitet?

Und sie hatten es auch dieses Mal. Nicht mehr ganz Punkrock-Nachwuchs und somit seit längerer Zeit bereits Fluegge präsentierten sich Tobi Peters und Adolfo Alvarez Blanco in eher zeitgenössischem Gewand mit Akustikgitarre und Cahon. Allerdings nehmen sie vom aktuellen Singer-Songwriting nur die einprägsamen Melodien samt Songstruktur auf unverstärkter Basis. Der Rest ist auch bei ihnen purer Punkrock.

Mit spärlichen Mitteln bauen die beiden spannende Arrangements und ungeheure Dynamik auf, bei der einige Songs für den speziellen Abend extra ein Piano-Gewand erhielten, wie Tobi Peters erklärte. So konnte Adolfo Alvarez Blanco eine weitere Facette seiner Musikalität ins Spiel bringen. Tobi selbst spielte auf seiner akustischen Gitarre wie auf einer elektrischen, nur dass die Akkorde ein flächigeres Klangbild erzeugten. Auch in den Texten pflegt er stets per Gesellschaftskritik und dem Wälzen von Alltagsproblemen einen punkrockigen Touch. Und so wühlten sie sich durch Fluegge-Songperlen, bis sie mit einer fulminanten Version „Keine Scherben“ einen mitreißenden Schlusspunkt setzten.

Ein Kumpel von Uli Sailor habe ihm gesagt: „Du hast uns zusammengebracht, sonst wäre ich heute auf der Couch geblieben.“ Ulis Fazit lautete: „Wir sollten uns viel öfter zusammenbringen.“ Das wäre eindeutig eine Win-Win-Win-Situation. Ein Gewinn für Uli, ein Gewinn für den Kumpel, aber auch ein Gewinn für Rock City Jülich, das davon lebt, wenn Menschen sich abends in einer wunderbaren WunderBar treffen, um mit anderen Menschen bei kräftiger Mucke zu feiern. Ja, genau: Das ist Punkrock.


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