Genau 80 Jahre, einen Tag und rund eine Stunde nachdem die Stadt Jülich am 16. November 1944 vollständig dem Erdboden gleichgemacht wurde, erklingt am Sonntag, 17. November, 17 Uhr, in der wiederaufgebauten Propsteikirche unter Leitung von Kantor Christof Rück Wolfgang Amadeus Mozarts Requiem in d-Moll. Zum Gedenken der Toten des Bombenangriffs – aber auch als Mahnung an nachkommende Generationen, das kostbare Gut Frieden nicht leichtfertig zu verspielen.
„Über das gemeinsame Singen holen wir Leute zusammen, die wir sonst nicht zusammen bekommen hätten“, spricht Winfried Hellmanns vom Vorbereitungsteam des Projektchores Heilig Geist von einer wahrhaftigen Verstärkerwirkung – für Mozarts Requiem und seine verbindende Musik ebenso wie für die Erinnerung an die Geschehnisse des 16. Novembers 1944. Im vergangenen Jahr wurde ein öffentlicher Aufruf gestartet, dem mehr als 100 Sängerinnen und Sänger aus dem gesamten (Nord-)Kreis folgten. Seit 15 Monaten wird alle zwei Wochen geprobt. Eine unglaubliche (und ökumenische, überkonfessionelle) Resonanz, die am sehr populären Werk liegen mag, aber auch daher rührt, dass große Chorprojekte eher rar geworden sind und viele Chöre durchaus mit Nachwuchssorgen zu kämpfen haben.
Damit am 17. November aus über 100 Sängerinnen und Sängern ein Chor wird, probt Kantor Christof Rück von der GdG Heilig Geist Jülich seit September 2023 mit allen Beteiligten. Eine lange Strecke hat der Projektchor bereits zurückgelegt. „Musikalisch-fachlich haben wir es mit ganz vielen Leute mit unterschiedlicher Vorerfahrung zu tun“, erklärt der Kantor.
Manche Sängerin, mancher Sänger habe schon von Kind an eine Chorbildung genossen und eine Singschule besucht, andere wiederum würden gerne singen, hätten dies aber nur selten oder nie in Gemeinschaft getan. „Dass sich alles wunderbar mischt, hängt viel mit den Charakteren zusammen“, spricht Christof Rück von einer „wunderbaren Stimmung“ im Chor und viel gegenseitiger Rücksichtnahme und Geduld, gerade während der ersten Phase der Proben. „Die Chorerfahrenen waren geduldig mit den weniger Chorerfahrenen. Das hat die anderen wirklich motiviert und mitgezogen“, spricht der Kantor ein großes Lob aus.
Rund ein halbes Jahr habe es gedauert, das Fundament der „Tonproduktion“ zu legen, seitdem wird sich auf die musikalische Arbeit konzentriert. Was sicherlich immer geholfen hat, ist aus Sicht von Winfried Hellmanns die Schönheit der Musik: „Viele gehen bewegt von der Probe nach Hause und können nicht schlafen, weil ihnen die Melodie noch durch den Kopf geht.“ Oder mit den Worten von Christof Rück: „Mozart konnte Melodien komponieren, die alle kennen. Auch Fragmente aus seinem Requien haben wir unbewusst im Kopf. Es ist Klassik, die Menschen verbindet. Darum geht es hier ja.“
Die Aufführung des Requiems in der Propsteikirche sei definitiv kein schöner, fröhlicher Anlass. „Aber ein wichtiger“, sagt Christof Rück. Der Abschluss der Gedenkveranstaltungen in der Propsteikirche werde mit Würde begangen. „Als Katholiken können wir das Requiem auch im Kontext von Vergänglichkeit des Seins und Hoffnung auf das, was nach dem Leben kommt, sehen“, fügt Rück hinzu. Mit Blick auf die Schaffung neuer Pastoraler Räume im Bistum Aachen richtet auch Winfried Hellmanns seinen Blick in die Zukunft: „Wir werden größer. Der Projektchor zeigt, dass wir gemeinsam etwas auf die Beine stellen können, das wir alleine sonst nicht geschafft hätten.“
„Singen ist ein Gemeinschaftserlebnis, das einfach Spaß macht“, sagt Winfried Hellmanns. Und er ist überzeugt, dass die Aufführung von Mozarts Requiem des Projektchors und der Rheinischen Kammerphilharmonie im kirchlichen Bereich auch eine Botschaft hinaus in die Welt vermitteln kann, die angesichts des erstarkenden Rechtspopulismus so aktuell war wie nie: „Dieses Datum dürfen wir nie vergessen.“