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Von Sylt in die Welt

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Sabine Trinkaus
Sabine Trinkaus. Foto: Peer Kling
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Der Samstag stand ganz im Zeichen der Frau, genauer im Zeichen des Weltfrauentags. Oder noch genauer, im Zeichen des ursprünglichen internationalen Frauen-Weltkampftages, worauf Sabine Trinkaus, gleich nach der freundlichen Einführung durch die Veranstalterin und Leiterin der Stadtbücherei, Birgit Kasberg, hinweist. Ein Büchertisch der Stadtbücherei stellt ausleihbare „Kampfliteratur“ vor. Sie und Sabine Trinkaus kennen sich schon lange und geraten leicht nostalgisch ins Schwelgen, in Erinnerung ihrer gemeinsam erlebten „wilden“ Zeit. Jetzt haben sie etwas „Jeckes“ vor sich, nämlich das 33. Jubiläum ihres Abschlusses ihrer Ausbildung zur Diplombiliothekarin, „wie das damals hieß“ schiebt Birgit Kasberg, wohl ein klein wenig wehmütig, hinterher.

Büchereileiterin Birgit Kasberg stellt Sabine Trinkaus vor. Foto: Peer Kling
In der Vorrede betont Sabine Trinkaus, Mutter einer Tochter, wie wichtig es für Frauen und insbesondere wohl für Autorinnen ist, Netzwerke zu bilden. „Wenn wir uns kennen, können wir uns gegenseitig aushelfen.“ Männer treten ja oft als Konkurrenten gegeneinander an. Diese Gockelei scheint bei Frauen weniger oder gar nicht ausgeprägt und mag mehr einem Verständnis von Solidarität weichen. Jedenfalls hat sich Sabine Trinkaus mit jedem Atemzug solidarisch gegenüber dieser Henriette erklärt.

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Was hat es mit dieser Person auf sich? Um nicht zu viel zu verraten: Der Roman zeichnet eindringlich den Werdegang einer Ausnahme-Persönlichkeit nach, der nichts geschenkt wird und die sich aus eigener Kraft einen Weg in die Freiheit bahnt. Eigentlich waren Thriller das Genre der Sabine Trinkaus. Zu der Herausforderung ihres ersten historischen Romans kam sie eher zufällig. Die ihr bekannte Cécil Mack hat ihre zahnärztliche Dissertation eben dieser Henriette gewidmet: „Henriette Hirschfeld-Tiburtius (1834-1911) – Das Leben der ersten selbständigen Zahnärztin Deutschlands. „Historie ist eigentlich nicht so mein Beritt,“ gesteht die Autorin, „aber nach sieben Titeln kam es zu einer gewissen Krimi-Müdigkeit und Henriette wurde zu meinem Herzensprojekt, das ich zunächst blauäugig angegangen bin. Das muss ich nicht plotten, die Geschichte gibt es ja wirklich.“

So kommt es zu so authentisch überlieferten Zitaten von „Hennie“ wie: „Paul (ihr Bruder) ist ein Junge geworden. Ich möchte auch ein Junge werden.“ „Aber, man braucht ein Setting, wenn man fiktional schreibt“, führt die Autorin weiter aus. Das „Drumherum“ war die eigentliche Recherchearbeit. Beide, Hennie und Sabine sind auf Sylt geboren. Die Autorin ist also zumindest mit dem geografischen „Drumrum“ von Kindheit an vertraut und besonders eindrucksvoll und einprägsam kommt das Kapitel mit der Schilderung des Gartentores aus Walknochen daher, das der Walfänger gebaut hat. Ebenso die Passage mit dem „Barbier und Zahnreißer, einem rohen Kerl, der nach Schnaps roch.“ Den hatte Hennie als Kind fürchten gelernt und vielleicht war ja diese Erfahrung wegweisend.


Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in ihrer Amtszeit dazu aufgerufen, bei Kindern Freude am Lesen zu wecken. Lesekompetenz sei „eine Voraussetzung, die durch keine andere Medienkompetenz einfach so ersetzt werden kann“. Das war zu Hennies Zeiten ganz anders, wie Sabine Trinkaus überdeutlich werden lässt. Lesende Mädchen und Frauen wurden mit Strafe bedroht. Das Lesen von Romanen galt als ein äußerst unschickliches Laster, das allerdings weitverbreitet war. „Wenn Lesen, dann nur erbauende Schriften oder die Bibel“, stellt die Romanautorin klar. Trinkaus erläutert klar, welche Erwartungen an das damalige Frauenbild geknüpft sind. Heiraten, Kinder bekommen, Fürsorgespiele mit Puppen üben dies früh ein. Erste Handarbeiten werden bereits im zarten Alter von vier Jahren fällig. Später dann das volle Spektrum: Stricken, Häkeln, Nähen, Stopfen. Rechnen bleibt auf dem Niveau: „Wenn ich für einen Kuchen drei Eier benötige, wieviele brauche ich dann für drei Kuchen?“. Sabine Trinkaus schenkt Kostproben des „reinen Weines“ aus, den sich der Arzt Dr. P. J. Möbius in seinem frei zugänglichen Werk mit dem Titel: „ Ueber den physiologischen Schwachsinn des Weibes“ von der Leber geschrieben hat. Da begegnen wir Sätzen wie: „Frauen sind Instinkt gesteuerte Wesen. Da merkt man schon die Nähe des Tieres.“ Sie empfiehlt dieses Portfolio frauenfeindlicher Äußerungen bei zu niedrigem Puls und / oder Blutdruck. Beides käme dann schnell in Wallung.

Wenn Ortsansässige den Namen Trinkaus lesen, denken sie an die Jülicher Musikerin Susanne. Und so wurde „Sabine“ in einem Fall als „Susanne“ angekündigt. Die Frage stand im Raum: „Sind Sie miteinander verwandt? „Nein, ich bin auf Sylt geboren. Die Familie kommt eigentlich aus Hessen“, so die Auskunft der Namensinhaberin. Wo es gerade um die Bedeutung von Namen geht: Der Vorname Henriette hat eine althochdeutsche Herkunft, ist die weibliche Form von Heinrich und die Koseform von Henrike und bedeutet übersetzt „die Hausherrin“, „die Herrscherin“, „die Reiche“ und „die Mächtige“.

BUCHINFORMATION
Sabine Trinkaus: Henriette – Ärztin gegen alle Widerstände | TB 448 S. | ISBN 978-3-8392-0699-7 | 16 Euro
Das Buch ist in der Stadtbücherei Jülich ausleihbar.

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Peer Kling
Peer Kling, typisches "KFA-Kind", nicht aus der Retorte, aber in der zweiten Volksschulklasse nach Jülich zugezogen, weil der Vater die Stelle als der erste Öffentlichkeitsarbeiter "auf dem Atom" bekam. Peer interessiert sich für fast alles, insbesondere für Kunst, Kino, Katzen, Küche, Komik, Chemie, Chor und Theater. Jährlich eine kleine Urlaubsreise mit M & M, mit Motorrad und Martin.

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