Kaum betritt man den ersten Ausstellungsraum im kühlen Kellergewölbe des Jülicher Museums Zitadelle werden die Hereinkommenden schon vom Künstler begrüßt – und das selbst dann, wenn Jens Dummer überhaupt nicht vor Ort ist. Seine Erkundung des Selbstportraits in verschiedenen Materialien führte zum Bildnis auf einem Spiegel, das in der aktuellen Ausstellung „Ecce Ego“ gleich zu Beginn das Gesicht des interessierten Publikums neben seinem eigenen wiedergibt. Vielleicht ein Aufruf, sich ebenso selbst zu ergründen wie Dummer es in den vielen Zeichnungen und Gemälden selbst über Jahrzehnte hinweg getan hat?
Anders als bei der Portraitierung anderer Menschen, die eine gewisse Erwartung an das Bild haben, kann der Künstler das Selbstportrait so hart an der Wahrheit darstellen wie er möchte und auch unangenehme Darstellungen zulassen, brachte Kunsthistoriker Dirk Tölke in seiner Laudatio anlässlich der Ausstellungseröffnung vor einer gut besuchten Schlosskapelle Jens Dummers Kunst in einen Kontext. Die „Skala vom edlen Antlitz bis zur fiesen Visage“ in verschiedensten Darstellungsarten lässt sich auch für das wissenschaftlich ungeübte Auge in der Ausstellung gut erkennen.
Im Gegensatz etwa zu den selbstdarstellerischeren und erzählerischen Werken Horst Janssens, so wertete der Kunsthistoriker, seien die des Jülicher Künstlers relativ nüchtern und selbstkritisch. Es sei ein Ausweis von Selbstzweifeln in der Auseinandersetzung mit sich selbst statt Egoismus oder Selbstverliebtheit. Gleichzeitig zeichneten seine Kunst freie Linien und eine Lebendigkeit aus. Die Schwierigkeit in einer Momentaufnahme Gesichtsausdrücke und Gefühle auszudrücken betonte er dabei ganz explizit: in Karikaturen spiele bereits eine Änderung des Winkels eine Rolle. Künstler und Publikum seien auf Vermutungen angewiesen, da sie keinen weiteren Kontext für die Ausdrücke hätten. Historisch habe bereits Rembrandt 80 Selbstportraits erarbeitet, ordnete der Beginn der Laudatio ein – die Werksammlung die das Jülicher Museum von Jens Dummer erhalten hat umfasst hingegen 2000. In einem anderen Zusammenhang setzte Tölke diese Zahl zum Schluss seines Vortrags: Eine Million Selfies würden jeden Tag im Internet hochgeladen, was machen da 2000 Zeichnungen? „Das ist nichts, und trotzdem mehr als es in der Kunstgeschichte sonst von Anderen gibt. Das ist ein enormer Schatz.“
Auch Museumsleiter Marcell Perse formulierte, dass es eine Herausforderung sei, sich über so lange Zeit dem gleichen Thema Selbstbild zu stellen. Jeder, der sich selbst anschaue und zum Thema mache, wisse, dass auf sich selbst zu schauen anstrengend sein könne. Dabei ginge der Künstler schnurstracks auf zentrale Themen zu, ohne Tabu- und Schweigebereiche zu kennen. Er lobte auch den Wortwitz und die Wortwahl, die der Künstler als Eigenheit in seinen Zeichnungen verwendet, und nannte den Künstler einen „Meister der Linie und des Wortes“.
Dummer selbst zeigte sich zum Schluss der Eröffnung allerdings mehr als Mann der Abbildungen. Nach Ende der Reden beider Laudatoren schloss er mit dem Satz: „Der Worte sind genug gewechselt, lasst uns endlich Bilder sehen.“
Der Ausstellungskatalog zu „Ecce Ego“ ist per Eintragung in eine Liste im Museum Zitadelle Jülich zu erhalten. Der Preis richtet sich nach den Rückmeldungen. Die Ausstellung ist noch bis zum 30. Oktober zu den Öffnungszeiten im Schlosskeller des Museums zu sehen. Kuratorenführungen mit Jacek Grubba sind für die Sonntage des 20. August, des 17. September und des 15. Oktober jeweils ab 11 Uhr angesetzt.