Die Sicht bekannter Persönlichkeiten mit einer speziellen Verbindung zur Herzogstadt von außen auf die Evangelische Kirchengemeinde Jülich ist ein Format, dass zum Reformationsjubiläum 2017 neu eingeführt wurde. Dadurch erhältlich die Gemeinde interessante Informationen von Menschen, deren Weltverständnis womöglich ein anderes ist, wobei sie allerdings ihr Thema selbst wählen dürfen.
Mittlerweile haben sich die Kanzelreden, die in unregelmäßigen Abständen ein bis zweimal im Jahr stattfinden, zu einer liebgewonnenen Tradition entwickelt. Mit Hussein Eljajieh wurde der Leiter und Mitbegründer des Islamischen Zentrums Jülich, wo er zudem als Imam und Vorbeter agiert, als Redner gewonnen. Geboren und aufgewachsen ist er im Libanon, wo nach seiner Aussage ein äußerst tolerantes Verhältnis zwischen den einzelnen Religionen herrsche.
Dazu zeigte er ein Foto: Moschee und Kirche nebeneinander, wie es in fast jeder Stadt zu sehen sei. Obwohl die Bevölkerung überwiegend dem Islam angehört, wird gesetzlich garantiert, dass Andersgläubige ihre Religion in Freiheit ausüben dürften. Das ginge sogar so weit, dass jeder seine eigene Gerichtsbarkeit hat. 1000 Jahre lang hätte es kaum Probleme gegeben, bis die Religion für eigene Zwecke herhalten musste.
Zwar gebe es die eine wahre Lehre im Koran, aber daraus würde auch je nach Verständnis interpretiert. „Vor allem diejenigen, die irgendwelche Verse oder Sätze aus dem Kontext nehmen und interpretieren, wie sie wollen“, eben in der Absicht, um diese Koranstellen auszunutzen, um ihre Ziele und Interessen zu erreichen.
Vieles, was westliche Staaten dem Islam zuordnen, sei Ausdruck der Tradition der jeweiligen Staaten. „Wir haben viele Sachen aus der Tradition mit Religion gemischt“, unterstrich Hussein Eljajieh. So seien Ehrenmord islamisch, obwohl es dort verboten sei. Auch würde die Religion keine besondere Kleiderordnung vorgeben: „Die Religion hat nie vorgeschrieben, wie man sich anzieht. Sie hat nur gesagt, es soll anständig sein.“
Die Frauen seien schon angehalten, sich nicht verführerisch zu kleiden, aber Farben, Formen oder gar die Verpflichtung, das Gesicht zu verhüllen, gäbe es nicht. Dies entspringe ausschließlich der Tradition. So hätte es auch nichts mit der Religion zu tun, dass Frauen bis vor kurzem in Saudiarabien nicht Auto fahren durften. Gefährlich sei die Mischung aus Tradition und Fanatismus.
In seiner eigenen Jülicher Gemeinde, die der Ingenieur der Elektrotechnik ehrenamtlich betreut, seien lediglich drei Libanesen, ansonsten kommen die Gläubigen aus 16 Nationen wie Marokko, Syrien, Palästina, Pakistan, Indien oder Bangladesch. Er selbst hätte das Gefühl, dass Gott beziehungsweise Allah einen wichtigen Platz in seinem Leben einnehmen und er Verantwortung übernehmen sollte, bereits in frühester Kindheit.
„Jesus ist bei uns so heilig und geehrt“, unterstrich er, „und ich gehe auch durch Jesus ins Paradies.“ Er sei genau wie Mohammed, ohne dass er den einen über den anderen setze. Er gehe auch durch beide ins Paradies, „weil sie auch zu einem einzigen Gott gerufen haben, die einzige Moral umsetzen wollten und die Botschaft gebracht haben, die nur Frieden verbreiten soll“.