Eine Reihe von Plätzen gebe es in Jülich, an denen er sich genau erinnere, wie er bestimmte Songs dort zum ersten Mal gehört habe, erzählte Franz Schiffer auf seiner musikalischen Lesung „Stories & Songs“ im Foyer der Jülicher Musikschule. Als Beispiel erwähnte er seinen Weg auf der Schlossstraße kurz vor Einbiegung in die Düsseldorfer Straße: Hier sei dem in Broich Aufgewachsenen George Harrisons „My Sweet Lord“ aus einem Fenster herangeweht worden.
Das Geschichtenerzählen scheint Franz Schiffer im Blut zu liegen. Genau so wie seine Liebe zur Musik, respektive die Rock- und Popmusik der 60er und frühen 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Und so unternahm er locker flockig seine Reisen durch die populäre Musikgeschichte und ließ munter sein Publikum an den Gedankentouren teilhaben.
So bekräftigte er, würden weder „Smoke on the Water“ noch „Whole lotta Love“ oder „Satisfaction“ das wichtigste Intro beinhalten. Dieses Intro bestünde seiner Meinung nach aus einem Akkord, nämlich der Anfangsharmonie von „A Hard Day’s Night“. Um sich selbst einen Eindruck von den verschiedenen Openings machen zu können, riss Gitarrist Bernhard Gerards die jeweilige Passage kurz an.
Anschließend führte eine Band aus den Musikschuldozenten Eva Müller (Gesang), Bernhard Gerards (Gitarre & Gesang), Dennis Wohlgemuth (Schlagzeug), Stefan Michalke (E-Piano) und Gast-Bassist Adrian Marusczyk das Beatles-Stück „A Hard Day’s Night“ in Gänze auf. So präsentierten sie sich nicht nur als Reisebegleiter des Programms, sondern bewiesen eindrucksvoll, dass auch sie sich in dem Metier zwischen Beat, Pop, Folk und Rock’n’Roll spielend zuhause fühlten.
Gleichzeitig sorgten sie für die klangliche Dimension von Schiffers Geschichten: von Shocking Blues „Venus“ über Joan Baez und Ennio Morricones „Sacco & Vanzetti“, Michel Polnareffs „La Poupée qui fait non“ bis zu „I want to hold your Hand / Komm gib mir Deine Hand“ von den Beatles. Dabei hätten diese sicherlich auch nur durch den Text bestens funktioniert. Der Journalist versteht glänzend sein wortreiches Handwerk, weiß, wie er die Handlung seiner Erzählung mit den passenden Formulierungen vorantreibt, konzentriert sich dabei auf das Wesentliche und gibt interessante, launische und auch nachdenkliche Impressionen aus der Welt der Popmusik.
Dabei begab sich Franz Schiffer auf den Spuren seines Buches „Der Kaplan, der um Jimi Hendrix trauerte“ zurück in Zeiten, als Aachen noch eine Hochburg der Diskotheken war, in der Heinrich der Vorletzte als erster DJ weltweit auflegte. Er stellte Cassius Clay alias Muhammad Ali als Rapper und Sänger vor, erinnerte an den Rebellensender Radio Caroline und an die kriminellen Aktivitäten von Chuck Berry und Gary Glitter, zog aber auch seinen imaginären Hut vor Mariska Veres, Sängerin der niederländischen Band „Shocking Blue“, die bereits in den 60ern als Frau selbstbestimmt agierte, indem sie ihre Bandkollegen dazu verpflichtete, sich ihr gegenüber nicht aufdringlich zu benehmen.
80 Geschichten hat Schiffer in seinem Buch festgehalten. Eine Besonderheit für das Jülicher Publikum waren natürlich die Schmankerln mit Lokalkolorit. Sehr erheiternd wirkte auch das Wechselspiel mit Günter Vogel, der als Moderator durch den Abend führte. Als „Plattenprinz von Jülich“ von Franz Schiffer geehrt, vermittelte Vogel einige Eindrücke, wie sehr auch sein Leben von Musik bestimmt war. So war seine frühesten Erinnerungen an die Liebe eng mit dem Song „Bad Moon Rising“ von Creedence Clearwater Revival verknüpft.
Aber auch Juke Boxen sowie Auto Scooter und die Raupenkarussells auf Jahrmärkten bewahrten sich ihren Platz in beider Erinnerung, zumal letztere sich immer für einige Augenblick zu schließen vermochten und die darin befindlichen Pärchen von der Außenwelt abschotteten. Darüber hinaus ließ Franz Schiffer noch einmal den Jülicher Musiklehrer und Leiter des Collegiums Musicum Georg Bischof aufleben. In dessen berühmt-berüchtigten monatlichen Vorspielstunden durften Schülerinnen und Schüler eigene Lieblingsplatten mitbringen und laufen lassen. Allerdings konnte sich Bischof nur äußerst selten für die dargebotene Kost erwärmen. Dennoch fand er lobende Worte für den Wegbereiter der klassischen Musik in Jülich. Bischof habe immer mit Hingabe und Herzblut unterrichtet, unterstrich Franz Schiffer. Und: „Ohne ihn gäbe es diese Musikschule nicht.“
Weiter Infos zum Jubiläumsprogramm „50 Jahre Musikschule Jülich“ unter www.juelich.de/musikschule im Internet.