Namen schenken Erinnern. Dafür sorgten die christlichen Kirchen in Jülich bei der Gedenkstunde an die Pogromnacht am 9. November 1938. Sie gaben Kerzen aus, die jeweils mit dem Namen eines Jülichers versehen war, der während der Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus ermordet wurde, in Konzentrationslagern umkam oder infolgedessen auch noch nach der Befreiung starb. „Wir stehen hier, weil wir wissen, dass diese brutalen Angriffe erst der Anfang der Katastrophe waren. Wir stehen hier, weil wir denken, ,wehret den Anfängen‘ und ,nie wieder'“, formulierte es Pfarrerin Elke Wenzel. „86 Jahre später können wir unsere Augen vor den Folgen dessen, was damals geschah, nicht verschließen. Immer noch wird Leid auf Leid auf Leid geschichtet. Die Spirale der Gewalt dreht sich unerbittlich weiter und wir sehen ohne Macht hilflos zu. Wir möchten Einhalt gebieten – und wissen doch nicht wie.“
So war diese Gedenkstunde nicht nur der Geschichte zugewandt, sondern galt vor allem der Zukunft und dem Aufruf zu Frieden, Gemeinschaft und Verständigung Menschen aller Religionen. Im gemeinsamen Gebet wurden die Worte gesprochen, die Pfarrerin Wenzel und Pfarrer Hans-Otto von Danwitz ausgewählt hatten: „Wir alle, Juden, Christen und Muslime, sehnen uns nach Versöhnung. Alle trauern um die Opfer von Hass und Gewalt.“
Sehr eindrücklich stellten Oberstufenschülerinnen des Gymnasiums Zitadelle die Schicksale Einzelner und von Familien vor. Mariella, Larissa, Elija, Beyza Bejsa, Matilda, Derya Dėrija, Eyla Älah, Smilla und Gökçe hatten sich über Menschen informiert, die in dem Ort geboren sind, in dem auch sie wohnen; wollten erfahren, ob etwa ältere Menschen Schonung erfahren haben; haben Menschen gesucht, über die aus verlässlichen Quellen Informationen zu finden waren. Für alle Genannten stellten sie Kerzen vor sich.
In einem Schweigemarsch ging es anschließend zum Mahnmal auf dem Propst-Bechte-Platz. Zu beiden Seiten des Mahnmals entstand ein Herz aus Kerzen. Ein emotionaler Moment. Bürgermeister Axel Fuchs betonte noch einmal die Bedeutung dieses Jahrestages. Zwar fiele der 9. November in diesem Jahr auf den Shabatt, den jüdischen Feiertag, aber das Gedenken auf einen anderen Tag zu verschieben, hätten die Stadt und die Kirchen übereinstimmend abgelehnt. „Denn dieser Gedenktag dient auch dazu, uns daran zu erinnern, dass Menschen mit jüdischen Glauben an Gedenkveranstaltungen in unserer Stadt nicht mehr teilnehmen können, weil die Tätergeneration dafür gesorgt hat, dass sie nicht mehr da sind.“ Zum diesjährigen Motto „Vertrauen wagen“ wünschte er sich und den Anwesenden, dass darauf das „Vertrauen schenken“ folge und schließlich das „Wir vertrauen“ stünde.
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