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Ehrgeizige Ziele

Meist ist sie allein unter Männern, sagt die 43-jährige Leyla Bayraktar Cicek lachend. "Grenzen zu setzen, das liegt auch an der Frau!" ergänzt die gebürtige Türkin.

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Leyla Bayraktar Cicek. Foto: privat
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Die studierte Maschinenbauerin ist in der Zuckerfabrik Jülich als Projektingenieurin Vollzeit beschäftigt. Zeitgleich studiert sie im Masterstudiengang Industrial engineering an der FH Aachen. Dass Leyla Bayraktar Cicek darüber hinaus zwei Kinder großzieht und mit ihrem Mann das kürzlich erworbene Eigenheim grundsaniert hat, lässt das Gegenüber beeindruckt zurück. Warum tut man sich einen solchen Marathon an? „Meine Motivation ist nicht das Geld, sondern die Erfüllung“, sagt sie nach kurzem Nachdenken und fängt dann an zu Schwärmen vom „Duft“ der Technik, den sie beim Gang durch das Werk aufnimmt.

„Geschnuppert“ hat sie ihn zum ersten Mal in Appeldorn, am weiteren Zuckerfabrik-Standort von Pfeifer & Langen. Hier lebte sie mit Mann und Kindern und erfüllte einen Jahresvertrag. „Mein Mann war zu der Zeit arbeitslos“, erzählt sie und so kam es, dass sie sich um einen Nachfolgevertrag bemühte. Und sie bekam ihn – allerdings verbunden mit dem Umzug nach Jülich. „Das war eine große Herausforderung. Wir sind während Corona umgezogen, die Kinder konnten nicht in die Schule und mein Mann musste kochen.“ Leyla Bayraktar Cicek wirkt auf den ersten Blick traditionell, aber dieses Familienmodell – die Frau als Ernährerin, der Mann im Haushalt – das bedient mal so gar nicht das, was das Klischee erwartet. „Ich finde, das muss so sein“, sagt sie selbstbewusst.

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Inzwischen lebt die Familie seit fünf Jahren in Jülich. Der Ehemann arbeitet für die Bezirksregierung Düsseldorf, die Kinder gehen ins Gymnasium Zitadelle und die Nordschule. Selbst im Karneval ist die zehnjährige Tochter schon angekommen: Sie tanzt beim Nachwuchs der KG Rursternchen. Froh ist die Mutter, dass sich zwischen Mädchen und Eltern schon Freundschaften entwickelt haben. Denn so muss sie nicht immer alle „Runden“ mitdrehen, sondern darf am Wochenende lernen. Schließlich ist das Studium „Industrial engineering“, das sie als Vollzeitstudium und nicht etwa als dualen Studiengang oder berufsbegleitend absolviert, ausgesprochen anspruchsvoll. „Ich wollte gerne meine Sprachkenntnisse und Fachsprachkenntnisse verbessern“, erklärt Leyla Bayraktar Cicek. Naja, denkt sich Ottilie-Normal-Berufstätige, das kann frau ja vielleicht auch etwas leichter haben. Das gilt eben nicht für die zielstrebige Maschinenbauerin.

Und sie genießt das Studentenleben auch. Lachend erzählt sie von ihrem ersten Tag an der FH zur Vorlesung über Kostenrechnung: „Ich war die einzige mit Stift und Heft unter dem Arm!“ Inzwischen ist sie auch mit Tablet ausgestattet. Ihr Mann hat es ihr zum Geburtstag geschenkt, wie sie stolz erwähnt.

Wie lässt sich dieser Arbeits-Alltag-Studium-Marathon mit Familie vereinbaren? Nach dem ersten Semester habe sie Zweifel gehabt, ob es richtig sei. Ihre Kinder hätten anfangs schon die Zeit vermisst, in der gemeinsam gespielt und gelesen worden ist – natürlich passiert das auch jetzt noch, aber eben weniger. Inzwischen nimmt sie Sohn und Tochter auch schon mal an die FH und das gefällt den Kindern sehr. Sie seien auch stolz auf die Mutter berichtet Leyla Bayraktar Cicek. „Mein Sohn hat schon gefragt, wann er noch mal mit ins Labor kommen darf“, erzählt sie lächelnd.

Derzeit hat im Leben allerdings etwas anderes Priorität: Die Familie steht vor dem Umzug ins Eigenheim. Im Nordviertel haben sie ein Haus gekauft und kernsaniert. Vermutlich, weil man sonst Langeweile im Leben hat? Leyla Bayraktar Cicek lacht ihr ansteckendes Lachen. Nein, da hätte man sich schon professionelle Hilfe geholt. Dennoch hat dieses „Projekt“ auch viel Zeit verschlungen. Jetzt, wenn alles geschafft ist, hofft sie, dass sie sich auch wieder ihrem Hobby widmen kann: Nähen. Auf der Plattform etsy hat sie sogar einen eigenen Kanal, über den sie früher ihre Nähwerke vertrieben hat.

Noch drei Semester liegen vor der Maschinenbauerin. Natürlich wird sie die nicht in Regelstudienzeit schaffen. Sie setzt sich realistische Ziele. „Ich bin in meinem Zeitplan“, sagt sie. Und: „In ein paar Jahren sind meine Kinder groß. Vielleicht mache ich dann einen Doktor“, spricht’s und lacht laut, als ob sie es selbst nicht glaubt. Wer den Werdegang sieht, der hat allerdings wenig Zweifel daran, dass Leyla Bayraktar Cicek es könnte – wenn sie es wollte.

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Dorothée Schenk
HERZOGin mit Leib und Seele. Mein HERZ schlägt Muttkrat, Redakteurin gelernt bei der Westdeutschen Zeitung in Neuss, Krefeld, Mönchengladbach und Magistra Artium der Kunstgeschichte mit Abschluss in Würzburg. Versehen mit sauerländer Dickkopf und rheinischem Frohsinn.

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