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Legendäre Flugschau

Tollkühne Männer in ihren fliegenden Kisten. Nach Quellen und Aufzeichnungen schildert Paul Wirtz den historischen Flugschau-Tag in Jülich.

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Bruno Werntgen auf dem Juelich-Artillerie-Fahrplatz-1911. Quelle: Paul Wirtz
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„Mit größter Spannung sieht man hier und in der weiteren Umgebung dem Jülicher Flugtage entgegen. Kein Wunder! Bisher hat das Jülicherland einen Flieger noch nicht gesehen, und nun soll sich ihm der beste rheinische Flieger zeigen, der jüngste Flieger der Welt, der erst 18jährige Bruno Werntgen.“ berichtete die Zeitung. Auf Einladung des VIII. Armeekorps kam der Pilot vom 17. bis 19. September 1911 nach Jülich und absolvierte auf dem Artillerie-Fahrplatz Schau- und Manöverflüge, die üblicherweise vor allem in größeren Städten vorgeführt wurden.

Entsprechend groß war das Interesse der Bevölkerung. Nach den gelösten Tickets – die übrigens in drei Kategorien angeboten wurden – beobachteten exakt 3374 Menschen das Spektakel. „Gleich groß war wohl die Zahl der Zaungäste“, heißt es in den historischen Quellen. Um die Fülle der Besucher aufzunehmen, war der Platz selbst gesperrt: „Wagen und Kraftfahrzeuge dürfen nicht auf den Flugplatz selbst fahren; an der Linnicherstraße sind zur Aufstellung von Wagen pp. geeignete Plätze, weshalb es sich empfiehlt, von der Linnicherstraße – gegenüber der Wirtschaft Brückmann – heranzufahren“. Heute steht hier noch das ,,Haus Heitzer“. Inhaber von Karten zum Startplatz und Plätze der Kategorie 1 durften den Flugplatz durch die Zitadelle betreten.

Quelle: Paul Wirtz
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„Dringend wird empfohlen, die Eintrittskarten an den in der Stadt eingerichteten Kassen zu lösen, damit der Andrang an den Kassen der Zugangsstellen vermieden wird. ,,Schon am Freitag war die Flugmaschine hier eingetroffen und viel bestaunt zum Artillerie-Fahrplatze gebracht worden, wo die Militärverwaltung am ,Trommelwäldchen’ ein großes Zelt für den großen weißen Vogel aufgeschlagen hatte. Vielfach wurde von der Gelegenheit Gebrauch gemacht, die Flugmaschine gegen 50 Pfg. Eintrittsgeld eingehend besichtigen zu können. Und da konnte man denn nur Ausdrücke des Staunens hören über den leichten Bau des ganzen Apparates, oft auch die Versicherung, dass man sein Leben einem ,solch gebrechlichen Ding’ nicht anvertrauen wolle. Am Samstagnachmittag wurde die Maschine für kurze Zeit auf den Platz hinausgeschoben. Bruno Werntgen und seine tapfere Mutter, die selbst das Fliegen erlernt hat, nahmen Platz darin und Photograph Schiffer machte einige Aufnahmen.“

„Sonntagnachmittag!

Schönstes Herbstwetter! Die Nachmittagszüge hatten so viele Besucher gebracht, wie sie nur fassen konnten, die Dörfer hatten geschickt, was sie mit Rücksicht auf die Einquartierung nur schicken konnten. Als kurz vor 4 Uhr die Kapelle der 70er ihre Konzertweisen erschallen ließ, lag der weite Platz leer da, ganz abgesperrt. Eingeladen worden war auch „Se. königl. Hoheit den Prinzen Leopold“ für den eigens ein Zelt errichtet worden war. Allerdings kam er nicht. Stellvertretend erschient der „Kommandeur der 15. Division, Exzellenz v. Wartenberg, und mit ihm zahlreiche Militärs. Gegen 4 Uhr zogen Soldaten die Maschine aus dem Zelt und schräg über den Platz zu der Ecke am Krankenhause hin, wo der erste Start stattfinden sollte.“

Bruno und Mutter Antonia Werntgen kurz vor dem Start. Quelle. Paul Wirtz

Zum Fliegen gehört zur damaligen Zeit Geduld. Dutzende Male versuchten Monteur und Pilot Werntgen die Maschine zu starten. „Die Schraube drehte sich einige Male, aber die Zündung blieb aus. Sollten die so schön begonnenen Flüge mit einem solchen Missgeschick enden? Das Publikum vertauschte schon ordnungswidrig die Plätze und sammelte sich um den Unglückmotor. Nach einstündiger Pause wurde auch die Platzabsperrung aufgehoben, und Hunderte verließen enttäuscht das Flugfeld. Zu früh! Kurz vor 6 Uhr beginnt plötzlich der Motor zu zünden und zu knattern, das Publikum Hurra zu rufen“. „…und wie ein Pfeil schießt die Flugmaschine geradeaus über den Platz. Sie fährt wie ein Automobil wohl 150 Meter weit, dann heben sich allmählich die Räder vom Boden, die Maschine schwebt über die Erde hin, Werntgen zieht die Höhensteuer, und unter dem Jubel der Zuschauer geht’s nun schräg hinein in die Luft auf Broich zu. Wie ein riesiger Vogel zieht die Maschine dahin. In weitem Bogen schwenkt sie an der Rur um, und gerade sind 3 Minuten verflossen, da senkt sie sich schräg wieder auf den Fahrplatz hinab.

Wenige Minuten über dem Boden hat Bruno den Motor abgestellt, die Schraube steht still, und im sanften Gleitflug geht´s hinab auf festen Grund, ohne jeden Stoß. Noch einige 20 Meter fahren die Räder, dann steht die Maschine still. Gerade diese glatte Landung imponierte den Zuschauern sehr.“

Bruno Werntgen. Quelle: Paul Wirtz

Ursprünglich wollte die Pilotin Werntgen mit ihrem Sohne ebenfalls über Jülich abheben, überließ dann aber Fabrikant Ernst Meller den Vortritt, der sich interessiert gezeigt hatte. Sechseinhalb Minuten hat die Lufttour gedauert, die „in einer großen Schleife bis etwa Hasenfeld, dann zurück über den Platz bis über den Patterner Weg und in großer Schleife über das Broicher Feld, auf dem erschreckt die Hasen aufsprangen, zurück zum Fahrplatz,“ führt, „wo die Landung wieder äußerst glatt erfolgte“.

„Damit waren die Flüge zu Ende. Die Maschine wurde zurück ins Zelt gezogen, wo Bürgermeister Vogt dem Werntgen Dank und Anerkennung aussprach, und dem jugendlichen Flieger einen Kranz und Frau Werntgen einen Blumenstrauß überreichte.“ Aber nicht nur zum „Schaufliegen“ waren die Werntgens gekommen.

Am Montag schlossen sich die militärischen Flüge an.

„Um 7.20 Uhr stieg Bruno mit Hauptmann Koeppen vom Generalstab des 8. Armeekorps“ (der am 4. September 1911 in Koblenz bereits mitgeflogen war) „als militärischem Beobachter zu einem Flug über das Manövergelände mit auf. Der Abflug ging glatt von statten. Sie überflogen die Ortschaften Jülich, Broich, Mersch, Müntz, Hottorf, östlich Gevenich wurde eine Zwischenlandung von 8 Minuten wegen einem Defekt an der Flugmaschine vorgenommen, und zwar auf gewöhnlichem Acker. Ohne jegliche Hilfe stiegen die Flieger wieder auf, was militärisch sehr wichtig war. Es ging weiter über Koffern, Lövenich, Tenholt, Granderrath, Hohenbusch und Schwanenburg. Nachdem also der nördlichste Punkt Schwanenburg erreicht war, erfolgte der Rückflug über Benrath, Kuckum, Holzweiler, Gevelsdorf, Hasselsweiler, Spiel, Güsten, Welldorf, Stetternich nach Jülich, wo die Landung um 8.18 Uhr auf dem Fahrplatze glatt erfolgte. So hatten die Flieger in einer Stunde das ganze Manövergelände im Zickzackflug in 400 bis 500 Meter Höhe überflogen, einen Weg von rund 90 Kilometern (das ist die Strecke Jülich-Köln und zurück.)

Hauptmann Koeppen brachte dem Chef der Division, Sr. Exzellenz Generalleutnant von Wartenberg, die Meldung über die erfolgten Beobachtungen und die Lage der feindlichen Partei.

Quelle: Paul Wirtz

Ein zweiter geplanter Flugtag von Bruno Werntgen am Dienstag wurde erst durch undurchdringlichen Nebel, später durch starken Wind behindert. „Trotzdem wagte er um 7.20 Uhr mit seinem militärischen Fahrgast an Bord einen zweiten Aufstieg. In der Höhe jedoch erwies sich der Wind weitaus stärker, als auf dem Boden. Kräftige Böen drückten von oben auf die Tragfläche und damit die Maschine herunter. Nach kurzem Flug beschloss daher Werntgen umzukehren und wieder zu landen. Die Landung erfolgte ohne Gefahr auf dem Artillerie-Fahrplatz. Nur kam durch den von oben drückenden Wind das Dornerflugzeug zu heftig auf, weshalb eines der Laufräder aus der Achse flog. Werntgen brachte das Flugzeug aber sicher zum Stehen“.

Einige Stunden nach diesem Flug kamen bei der Redaktion Fischer in Jülich von auswärts mehrfach telefonische Anfragen, ob der Pilot bei seinem letzten Flug heute Morgen abgestürzt sei. Von einem Absturz konnte keine Rede sein und Personen kamen nicht zu Schaden. Infolge dieser kleinen Beschädigung musste der „Dorner-Eindecker T III“ nach Köln zurück gebracht werden, da das Rad angeschweißt werden musste. Aufstiege fanden nun nicht mehr statt. Werntgen und sein Monteur bauten das Flugzeug noch am gleichen Tage auseinander. Am Mittwochmorgen wurde das Flugzeug auf ein Pferdefuhrwerk zum Jülicher Bahnhof abtransportiert. Um die Mittagszeit desselben Tages verließen Frau Werntgen, ihr Sohn Bruno, Direktor Philipps und der Monteur die Stadt und kehrten nach Köln zum Niehler Exerzierplatz zurück.


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