Wir schreiben das Jahr 1960. Bundeskanzler der Bundesrepublik ist Konrad Adenauer, der Benzinpreis liegt bei 60 Pfennig.
Dann zwei Jungs aus Jülich mit den Namen: Albert Hartkopf, Jahrgang 1939, und Günter Dreßen, Jahrgang 1941. Beide planten einen Motorrad Urlaub an den Bodensee – genau gesagt nach Konstanz-Staad auf einem Campingplatz. Nach langer Vorbereitungszeit starteten wir im August 1960 mit dem Motorrad, einer gut bepackten 250er NSU Max, in Richtung Urlaubsziel. Die Fahrt verlief gut und so kamen wir zwar müde aber glücklich ans Ziel. Der Zeltaufbau war problemlos und der Hunger riesengroß. Selbstbeköstigung war angesagt auch das klappte gut.
Nicht weit weg unseres Zeltplatzes versammelten sich Leute um ein Zelt herum welches mit drei Jungs in unserem Alter belegt war. Der Grund war nicht zu überhören: Musik aus Banjo und Gitarre begleitet mit Gesang veranlasste auch uns dorthin zu gehen. Es sollte nicht der letzte Abend sein, an dem wir den Klängen zu lauschen, sondern der Anfang einer Urlaubsbekanntschaft.
Die drei Jungs mit ihren Kosenamen: Schino, Dandy und Freddy waren angereist mit einem VW Käfer aus Borghorst-Steinfurt/Westfalen. Leider wurde durch eine Beschwerde wegen Ruhestörung wegen Musik und Gesang den dreien der Aufenthalt auf dem Campingplatz gekündigt. Auf eine nahegelegene Wiese schlugen sie ihr Zelt wieder auf. Wir aber blieben im engen Kontakt und unternahmen viele gemeinsame Touren. Darunter eine Fahrt zur Insel Mainau, die unvergessen blieb.
Unsere finanziellen Möglichkeiten waren allerseits begrenzt. Der Lebensunterhalt wurde durch selber kochen geregelt. Einmal jedoch fuhren wir in die Innenstadt Konstanz zu einem deftigen Dinner. Laut Karte gab es einen Erbseneintopf mit Schweinebauch – einfach köstlich.
Unter anderem leisteten wir uns am Wochenende einen Besuch in einem Tanzlokal zur „Sonne“. Mit dem Bus fuhren wir von der Campinghaltestelle dorthin. Auf dem Weg zur Abfahrtsstelle hatte ich festgestellt, dass ich den Personalausweis nicht eingesteckt hatte und lief eiligst zum Zelt zurück um diesen zu holen. Welch ein Glück sollte sich später herausstellen. Im Tanzlokal wurde bei den unterschiedlichen Klängen fleißig das Tanzbein geschwungen. Auch ein so schöner Abend ging einmal zu Ende. Wir mussten die Uhr im Auge behalten, da wir vom Lokal bis zur Bushaltestelle mit Ziel Campingplatz noch ein gutes Stück gehen mussten. Es war die letzte Fahrt, die man also auf keinen Fall verpassen durfte.
Ich konnte der Ankündigung des letzten Tanzes nicht wiederstehen den „Kriminaltango“ zu tanzen. Zu Ende getanzt ging ich inspiriert singend auf dem Bürgersteig weit hinter meinen Kollegen, als ich dann aufgefordert von der gegenüberliegenden Straßensite einer Polizeistreife stehen zu bleiben, was ich aber ignorierte. Schnell wendete das Fahrzeug und stand unmittelbar neben mir. Ein Polizeibeamter forderte mich auf meinen Personalausweis zu zeigen. Ich hatte ihn ja Gottseidank noch geholt.
Beim überprüfen stellte der Polizeibeamte fest das mein Wohnsitz Jülich sei. Er stockte und lies mich wissen, dass er Jülich kenne aus der Zeit des Krieges wo er in Jülich als Soldat gewesen sei. Er fragte mich wo ich denn hin müsse worauf ich antwortete zu meinen Kollegen die ein gutes Stück Vorsprung hätten um mit dem letzten Bus zum Campingplatz zu fahren. Ich ließ ihm wissen das ich mich beeilen müsse um diesen Bus zu kriegen. Der Beamte forderte mich auf nicht mehr zu singen. Ich bejahte dies uns lief zum Bus. An diese Begegnung mit einer Polizeistreife habe ich mich oft in meinem Leben erinnert.
Am Tag danach ging alles seinen gewohnten Gang. Kochen, Essen und Spaß haben. Der Urlaub ging langsam zu Ende – aber nicht ohne den Austausch der Adressen. Zu Hause angekommen, wurden die Schwarz-Weiß Filme entwickelt um einen regen Bilderaustausch per Brief vorzunehmen. Anfangs wurden die Briefkontakte sehr gepflegt, was aber im Laufe der Zeit nachließ. Es kam aber zwischenzeitlich zu gegenseitigen Besuchen aber eher weniger wobei die Entfernung eine Rolle spielte. Irgendwann mit der Zeit brach der Kontakt zu Freddy und Dandy gänzlich ab.
„Schino“, mit bürgerlichen Namen Gottfried Hanisch blieb, unserer Freundschaft treu. Wir – Albert, Günter und Schino – hatten zwischenzeitlich geheiratet und Familien mit Kindern gegründet. Die Jahre zogen ins Land und die Idee aufgegriffen doch einmal gemeinsam eine Radtour an die Mosel zu unternehmen. Das wurde schnell umgesetzt. Ein schöner Urlaub mit vielen Events. Das gleiche wurde praktiziert in den man sich in Borghorst sowie in Jülich besuchte und Radtouren unternahm. Krankheitsbedingt mussten wir in den letzten Jahren einige Abstriche machen wodurch unsere Freundschaft nicht gelitten hat, sondern noch fester wurde.
In Gesprächen über die Vergangenheit stellten wir plötzlich fest, dass wir das Kalenderjahr 2020 schreiben und somit das „Diamantene Fest der Freundschaft“ feiern konnten. 60 Jahre Freundschaft war dann Anlass dies gemeinsam zu feiern. Ein Wochenende in Moers am Niederrhein in einem schönen Hotel war das würdige Treffen zu unserem Anlass. Ein Besuch der Landesgartenschau in Kamp-Lintfort rundete unsere gemeinsamen Tage zu aller Zufriedenheit ab.
Der Abschied fiel uns allen schwer, aber wir haben das Ziel uns widerzusehen und unsere Freundschaft nie enden zu lassen.