Bei allem Ernst tut es gut, dass zu Demonstrationen viel Phantasie frei gesetzt wird, die zum Schmunzeln anregen: Ob da die Ghostbusters auf Plakaten zu sehen sind mit Hitler-Schnäuzer, Bernd, das Brot die A*f*D „Mist“ findet oder geschüttelte Reime besagen: „Lieber solidarisch als solide arisch“. Durchaus gut gelaunte 300 Demonstranten zogen zum zweiten Mal unter der Überschrift „Jülich solidarisch – Ein Zeichen gegen Faschismus“. Der Weg führte erneut vom Versammlungsort Propst-Bechte-Platz über die Ellbachstraße bis zum Walramplatz, durch den Hexenturm dem Ziel „Schlossplatz“ entgegen, auf den mit gut hörbarem Song „Kein Kölsch für Nazis“ eingezogen wurde. So wurde auch dem letzten Passanten unmissverständlich klar war, warum die Menge sich auf den Weg gemacht hatte.
Dass es diesmal nur ein Drittel der Teilnehmerschaft vom Januar war, ist vermutlich dem Umstand geschuldet, dass zeitgleich im Rathaus getagt wurde, die CDU ihren Jahresempfang abhielt und die aktiven Abiturienten gerade in der Hochphase der Prüfungen sind. Also schlechtes Datum? Nein, meinen die Initiatoren, denn nichts tun wäre verkehrt und sie verstanden die Jülicher Demo als Auftakt zu den Demonstrationen im Vorfeld der Europawahl, die vielerorts in Deutschland an diesem Wochenende stattfinden.
Aufklärende und gute Worte fanden die Redner, die immer wieder in einem Fazit endeten: Demokratie entscheidet sich an der Wahlurne. Die nächste Entscheidung fällt zur Europawahl am 9. Juni.
Kevin Hoffstadt von Fridays for Future mahnte, dass die A*f*D keinesfalls nur bundesweit agieren, sondern sich auf ein internationales Netzwerk stützen und warnte vor Podcast-Formaten, die aus den USA und Russland in der deutschen Medienwelt Einzug halten. Darüber hinaus sei durch das Fortschreiten der Künstlichen Intelligenz (KI) die Verbreitung von gefälschten Informationen möglich. „Wir können uns nur davor schützen, indem wir lernen, zwischen handwerklich gutem Journalismus und stark polarisierenden Nachrichten und Posts unterscheiden.“ Aktuell brächten sich Rechtspopulisten in Stellung und planten nach eigenem Bekenntnis den „Umsturz des europäischen Establishments“, wie Hoffstadt zitierte. „Wir können uns nicht darauf verlassen, dass sie sich selbst entzaubern.“
Liam Franken bekannte für das Jugendparlament Jülich Farbe: „Faschismus ist nicht nur eine dunkle Episode der Vergangenheit, sondern eine ständige Bedrohung“. Junge Menschen zu ermutigen, sich für demokratische Werte einzusetzen, war eine Forderung und eine aktive Beteiligung jedes Einzelnen. Schon durch den Gang zur Wahlurne bei der Europawahl könne man diese zeigen: „So einfach kann es manchmal sein.“
„Ich hätte nicht geglaubt, dass es noch einmal notwendig sein würde, für die Demokratie auf die Straße zu gehen“, formulierte es Stadträtin Katja Böcking. Viele Grundpfeiler der Demokratie – frei Wahlen, Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit – hätte auch sie für selbstverständlich genommen. Das sei nicht mehr so. Darum zeigte sie sich erfreut, dass es noch einmal 300 Menschen auf die Beine gebracht habe, für diese Werte im Wortsinn aufzutreten.