Mit 1800 Kraftfahrzeugen innerhalb von 24 Stunden schätzt Fachmann Thomas Rödl das Verkehrsaufkommen in der Leisartstraße in Koslar als vergleichsweise gering ein. Sowohl die Anzahl der gemessenen Fahrzeuge als auch die Einschätzung sind für den ortskundigen Laien verblüffend. Rödl relativiert, denn die Zahl der Fahrzeuge ist nicht isoliert zu betrachten. Es gehe um die „Qualität“ der Durchfahrt. Sechs Meter misst die Straße von Hauskante zu Hauskante, referiert er, und bietet wegen der parkenden Autos nur eine halbseitige Nutzung für den Straßenverkehr. Hier sind nicht nur Fahrer unterwegs, die den Schleichweg in Richtung Autobahn und Aldenhoven (oder retour in Richtung Jülich) nutzen, sondern auch Lastwagen und Schulbusse. Die Fußgänger und vor allem die Anwohner sind deutlich im Hintertreffen, weil ihnen nur ein handtuchbreiter Bürgersteig zur Verfügung steht. „Für Kinderwagen oder Rollator-Nutzer ist der Gehweg nicht nutzbar“, bestätigt Rödl. Sie würden daher auf der Fahrbahn gehen und bei nahenden Fahrzeugen hinter schützende Autos springen, die geparkt am Straßenrand stehen.
Das sei, so verdeutlichte es der Verkehrsplaner, ein gewachsenes Problem. Dereinst war die Leisartstraße Teil der L14 und damit eine Landesstraße, die Durchgangsverkehr aufnehmen sollte. Inzwischen gibt es die L14N, die zwischen Merzenhausen und der Autobahn die Verbindung bildet. Bei der Probe aufs Exempel stellten die Verkehrsplaner fest, dass kein Weg daran vorbei geht, dass die kürzeste und schnellste Strecke durch die Leisartstraße führt.
Hier bestehe Handlungsbedarf, erklärt Rödl, der aber nicht einfach zu benennen ist. Der Grund: die Abhängigkeit der Verkehrströme. Darum wurde im Ausschuss für Kultur, Dorf- und Stadtentwicklung, Wirtschaftsförderung sowohl das Straßennetz durch „Alt-Koslar“, nämlich entlang der Theodor-Heuss-Straße betrachtet – für die der Planer eine flächendeckende Tempo-30-Zone als Gedankenanstoß mitbrachte –, als auch die Orte Barmen und Merzenhausen mit ihrem Durchgangsverkehr.
Durch Merzenhausen führt die L228, über die zwar auf den Kreis Düren bezogen vergleichsweise wenig Verkehr gehe, aber durch die beengte Durchfahrt eine niedrige Verträglichkeit für Anwohner gegeben sei. Mehr als Tempo 30 wäre nicht empfehlenswert. Thomas Rödl riet den Ausschussmitgliedern: „Bleiben Sie als Stadt Jülich am Ball, dass die Ortsumgehung Merzenhausen im Landesstraßenbedarfsplan mit Priorität versehen wird.“ Das müsse man „politisch pushen“.
Wer von Merzenhausen aus nach Jülich fahren möchte, der nutzt entweder die L14N und dann die Leisartstraße oder er muss die L228 in Richtung Linnich fahren und in Richtung Barmen abbiegen. Hier geht es dann regulär über die Herrenstraße auf kurvigen Wegen zur K6 in Richtung Koslar.
Bestandsaufnahme der Verkehrsführung Barmen / Merzenhausen. Foto: tee
Unglücklich ist diese Streckenführung der Durchgangsstraße (auf dem Foto „rot“ gekennzeichnet“). Sie ist der Grund, warum die Schleichwege Jägergasse und Seestraße so unliebsam frequentiert werden und zu Brennpunkten geworden sind. Und das, obwohl hier die Stadt Jülich bereits alles zur Beruhigung getan habe, wie Rödl betont. Die Straßen sind als Anliegerstraße ausgewiesen und Schikanen an der Zufahrt aus Richtung Linnich eingebaut. „Der Planer ist immer dann am Ende, wenn Regeln übertreten werden“, sagt Thomas Rödl. Aber er sagte auch: „Jeder Widerstand, den Sie einbauen – Tempo runter und rechts vor links – macht eine andere Route attraktiver.“ Da spiele der psychologische Effekt zusätzlich eine Rolle.
Das Verbindungsstück zwischen Merzenhausen und Barmen – Kirchweg beziehungsweise Kirchgracht – ist seit geraumer Zeit Einbahnstraße. Diese Regelung sieht Rödl als unumkehrbar an, da bereits bei dieser Straßenführung 900 Fahrzeuge passieren.
Als „Nachdenkstoff“ ließ der Verkehrsplaner den Ausschussmitgliedern den Vorschlag da, die K6 statt durch Barmen weiterzuführen als „Spange“ entlang der alten Bahntrasse zu führen und so den Streckenschluss in Richtung Linnich zu vollziehen. Das würde den Verkehr aus dem Ort fernhalten. Berücksichtigen müsse man unter anderem, dass die Bahntrasse nicht überbaut werden darf.
Derzeit könne Barmen den Verkehr noch „aufnehmen“, konstatiert Thomas Rödl. Entwickele sich Jülich aber wie gewünscht – Stichwort Brainergy und Wachstumsoffensive mit steigenden Einwohnerzahlen – dann könnte sich das negativ auf den Ort auswirken.
Heilende Wirkung könne nur eine Ortsumgehung haben.
(Anm. der Red. Dieses Thema beschäftigt seit den 1970er Jahren die Stadt Jülich. Der Ortsumgehung widmet sich die Redaktion in den kommenden Tagen und der nächsten Printausgabe im Mai ausführlich.)