Die im Vergleich zu internationalen Wettbewerbern hohen Energiepreise in Deutschland belasten Unternehmen so stark, dass immer mehr Industrieunternehmen über eine Verlagerung der Produktion ins Ausland nachdenken oder diese bereits umsetzen. Rund 39 Prozent der rund 3300 antwortenden Unternehmen sehen ihre Wettbewerbsfähigkeit durch die hohen Energiepreise gefährdet. In der Industrie – eine Branche, die in einem besonderen internationalen Wettbewerb steht – sind es sogar 61 Prozent. Diese Zahlen haben sich im Vergleich zur Vorjahresumfrage aus dem Jahr 2023 kaum verbessert.
„Die Energiewende geht nur mit der Wirtschaft. Doch das Vertrauen der deutschen Industrie in die Energiepolitik ist stark beschädigt. Der Politik ist es bisher nicht gelungen, den Unternehmen eine Perspektive für eine zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung aufzuzeigen.”, fasst Raphael Jonas, Geschäftsführer des Bereichs Innovation, Umwelt und Standort, der Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen, die Ergebnisse zusammen. „Während in den Jahren vor 2023 viele Unternehmen auch Chancen in der Energiewende für den eigenen Betrieb sahen, überwiegen zuletzt aus ihrer Sicht deutlich die Risiken.“
Für die Politik seien Einsparung von Energie ein wichtiger Schlüssel für die Senkung des klimaschädlichen CO2, doch anders als die Politik glaube, besäßen die Unternehmen hier immer weniger Spielraum. Bereits in den vergangenen Jahren seien Einsparpotenziale von den Unternehmen durch Effizienzsteigerungen ausgeschöpft worden, schließlich sei die Reduktion von Energiekosten für die Unternehmen eine relevante Stellschraube zur Verbesserung des Betriebsergebnisses.
Die IHK misst der zügigen Steigerung des Angebots an erneuerbarer Energie Bedeutung große bei. Leider habe die Bundesregierung auch in ihrer neuen Wachstumsinitiative nachhaltige Lösungen für Energieangebot und Energiepreisfrage völlig ausgespart. „Für viele Betriebe aus der Industrie ist das aber derzeit die entscheidende Standortfrage”, sagt Jonas. „Wer das nicht auf dem Schirm hat, kann der De-Industrialisierung unseres Landes nur noch zusehen. Dieser Prozess hat bereits begonnen und die Politik muss dringend gegensteuern. Die Uhr tickt”, warnt Jonas.
Neben den hohen Kosten seien es vor allem die hohen bürokratischen Anforderungen und fehlende Planbarkeit, die die Unternehmen vor Herausforderung beim Bau und Betrieb eigener Kapazitäten für erneuerbare Energien stellten. Rund zwei Drittel (62 Prozent) der antwortenden Unternehmen sehen laut IHK-Umfrage in der überbordenden Bürokratie die größte Hürde für eine erfolgreiche Energiewende. Als weitere Hemmnisse werden fehlenden Informationen sowie geringen Planbarkeit und Verlässlichkeit der gegenwärtigen Energiepolitik benannt.
„Das beabsichtigte Gegensteuern der Bundesregierung durch Abbau von Bürokratie und Beschleunigung von Genehmigungsprozessen schlägt sich bislang nicht spürbar in der betrieblichen Praxis nieder“, sagt Jonas. „Die Unternehmen sehen sich mit Vorgaben konfrontiert, die in der Praxis viel Zeit und damit Geld kosten und dann für Investitionen und Innovation fehlen. „Die Rückmeldungen zeigen, dass ein ‚Weiter-so‘ gefährlich ist für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Unternehmen erwarten daher von der Politik ein deutliches Umdenken in der Energiepolitik mit weniger Detailsteuerung.“
Die nordrhein-westfälischen Unternehmen stünden dabei selber nicht auf der Bremse, sondern trieben die Energiewende trotz der vielfältigen Herausforderungen aktiv mit voran. Laut des IHK-Energiewende-Barometers, mit dem die DIHK seit 2012 die Einschätzungen von rund 3300 Unternehmen aus der Breite der deutschen Wirtschaft abbildet, planen über 83 Prozent der befragten Unternehmen in Nordrhein-Westfalen, bis spätestens 2045 klimaneutral zu wirtschaften; 21 Prozent planen dieses Ziel bereits 2030 zu erreichen. Eine Vorreiterrolle in Sachen Klimaneutralität nehmen insbesondere die Unternehmen der Handelsbranchen ein. Hier verfolgen über 90 Prozent der Unternehmen das ambitionierte Ziel des deutschen Klimaschutzgesetzes, bis 2045 treibhausgasneutral zu sein. Die Finanzierung würde aus eigenen Mitteln bestritten.
Rund 23 Prozent der antwortenden Unternehmen haben nach eigenen Angaben bereits eigene Kapazitäten zur Erzeugung erneuerbarer Energien aufgebaut und nutzen die erzeugte Energie beziehungsweise speisen diese in das Stromnetz ein. Weitere 25 Prozent planten entsprechende Maßnahmen. Besonders Industrieunternehmen, die vielfach einen hohen Energiebedarf besitzen, zeigen hier verstärktes Engagement und bauen eigenständig Erzeugungskapazitäten auf.
Weitere Informationen und die vollständige Auswertung des IHK-Energiewendebarometers für Nordrhein-Westfalen sind unter www.ihk.de/aachen/energiewendebarometer-nrw zu finden.