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Heimische Piepmatze gefährdet

Vogelarten, die besonders durch ihren Gesang auffallen nennt man Singvögel. Besonders seit diesem Frühjahr scheint es, als seien mehr Gesänge zu hören, als zuvor. „Viele Menschen nehmen mehr Vögel in den Städten und Dörfern wahr. Es sind aber nicht mehr Vögel geworden. Die Tendenz geht eher in Richtung Abnahme der heimischen Vogelarten.“, erklärt Achim Schumacher, 1. Vorsitzender des Naturschutzbundes (NABU) Düren.

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Der farbenfrohe Eisvogel, der nach einem abgespielten Lockruf sein Revier verteidigt. Foto: Jana Gehlhaar
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Durch Reviergesänge markieren Singvögel ihr Revier oder imponieren damit Weibchen. Obwohl mehr Gesänge in der Umgebung wahrzunehmen sind, liegt das nicht an wachsenden Zahlen in der Vogelwelt. Ganz im Gegenteil: „Allerweltsarten nehmen ab. Zum Beispiel der Haussperrling, der Spatz und Schwalben sind seltener zu beobachten als noch vor einigen Jahren.“, so Achim Schumacher, der auch leidenschaftlicher Naturfotograf ist und die Vögel oft stundenlang beobachtet.

Das Phänomen hat einen ganz anderen Grund: Futterstellen. Heutzutage wird viel häufiger und intensiver gefüttert. Meistens werden Futterstellen nicht mehr nur über den Winter aufgestellt. Ganzjährig finden die Singvögel in den Gärten also Nahrung. Deshalb hat man das Gefühl, insgesamt mehr Piepmatze zu hören. Besonders an den Futterstellen zu beobachten sind Amseln, Meisenarten, Grünfinken, Buchfinken, Ringeltauben, Bundspechte, Haussperrling und auch der Sperber, der ein auf Singvögel „spezialisierter“ Greifvogel ist und ganz genau weiß, wo sich die örtlichen Futterknödel befinden.

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Auch die milderen Winter der letzten Jahre spielen dabei eine große Rolle. Zugvögel ziehen nicht in wärmere Gebiete, weil sie das schöne Wetter genießen möchten. Sie verlassen die kalten Gebiete im Winter, um ihre Nahrungsaufnahme sichern zu können. Die milden Winter der letzten Jahre haben jedoch zur Folge, dass viele Insekten auch hier überleben können. Vögel wie der Zilpzalp überwintern dann auch gerne hier. Auch der Bienenfresser zum Beispiel profitiert von wärmeren Temperaturen und ist immer häufiger auch im Norden Deutschlands zu beobachten. Das große Insektensterben der letzten Jahre ist dabei jedoch kontraproduktiv. Der massive Rückgang führt dazu, dass den verweilenden Vögeln wiederum die Nahrungsgrundlage fehlt.

Man muss jedoch wissen, dass einige Arten mit diesen Temperaturschwankungen nicht zurecht kommen. Es wird laut Achim Schumacher vermutlich zu „Änderungen in der Artenzusammensetzung“ kommen. Einige Arten profitieren davon und können sich dauerhaft halten. Andere haben jedoch nicht die Möglichkeit sich in die neu entstehende ökologische Nische zu setzen. Manche Arten könnten völlig aus der Umgebung verschwinden. Es wird „Gewinner und Verlierer“ geben, so der Vorsitzende des NABU Düren. Die Tiere müssen sich also immer an die Wettergegebenheiten anpassen. Es werden wieder kältere Winter kommen, in denen sich die Vögel kurzfristig anpassen müssen. Ansonsten ist durch den schnellen Stoffwechsel der Vögel leider der Tod die Folge. Flexible und anpassungsfähigere Vögel werden dabei die „Gewinner“ sein.

Sinkendes Vogelvorkommen ist außerdem jedoch auch auf vermehrt auftretende Krankheiten zurückzuführen: Zum Beispiel der Usutu-Virus macht den Amseln zu schaffen. Besonders in diesem Jahr kam auch die Meisenseuche auf, wo zehntausende tote Meisen im deutschen Raum gemeldet wurden. Besonders den heimischen Vögeln setzt das zu. Vögeln aus anderen Gebieten tragen Viren und Bakterien hierher. Offene Futterstellen begünstigen die Verbreitung solcher Krankheiten, dadurch dass die Vögel in die Futterschalen koten, durchlaufen und in Kontakt mit den Viren treten. Achtung also: Am Besten Futterspender aufhängen, an die sich Vögel dranhängen können. Bei Tränken sollte man darauf achten, das Wasser häufig zu wechseln, um die Verbreitung im Wasser zu vermeiden.

Wer sich fragt, ob die Vögel, die durch Corona entstandene Ruhe genießen? Ja und nein. Natürlich spüren die Tiere, dass die Welt teilweise zum Stillstand gekommen ist und man sichtet mehr Tiere als zuvor. Andererseits muss man jedoch sagen, dass die Menschen ihren Weg zurück in die Natur gefunden haben und die freie Zeit draußen genossen haben. Dabei kann es zu Störungen von zum Beispiel Brutstätten kommen, wenn man seinen Spaziergang nicht den Waldweg entlang, sondern Kreuz und quer durch die Bäume hinter sich legt. Achim Schumacher sieht es jedoch positiv: „Man schützt nur das was man kennt!“. Das gewisse Naturbewusstsein, das wieder entwickelt wird, lässt einen Bezug zu Tier und Natur entstehen, der einen wiederum viel achtsamer werden lässt.

Wer gerne auch im eigenen Garten etwas für die Artenvielfalt tun möchte, kann folgenden Tipp von Achim Schumacher ganz einfach umsetzen: Für mehr Vögel in der Umgebung muss man erst einmal Nahrung beschaffen. Das bedeutet, man muss die Artenvielfalt in der Insektenwelt fördern. Schmetterlingsflieder zum Beispiel ist eine tolle Nektarquelle für viele Insektenarten, der auch recht pflegeleicht ist. Ansonsten ist jede blühende Pflanze mit Nektar eine wichtige Nahrungsquelle, die Insekten versorgt, die wiederum Nahrung für die Vögel sind. „Mut zur Natur im eigenen Garten“, wünscht der Vorsitzende den Menschen. Die Natur einfach Natur sein lassen, auch im eigenen Garten. Achtung: Kiesel- und Steingärten zählen nicht.

Aktuelle Zahlen zu den vorkommenden Vogelarten kann man auf der Internetseite der NABU unter den Aktionen „Stunde der Gartenvögel“ und „Stunde der Wintervögel“ finden. Jeder Mensch wird dabei dazu aufgerufen in seinem Garten oder einem umliegenden Park für eine Stunde an bestimmten Tagen im Januar und Mai die Vögel zu zählen und eine möglichst flächendeckende Kartierung zu erreichen.

An der heimischen Futterstelle beobachtet Fotograf Volker Goebels die geflügelten Gäste.


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