„Mit Unverständnis und Bestürzung verfolgen wir, die wir in den deutschen katholischen Bistümern Mitverantwortung für die internationale Zusammenarbeit tragen, die aktuellen Diskussionen um die Zukunft der Entwicklungszusammenarbeit und der Humanitären Hilfe für die Länder des Südens und Ostens unserer Welt.“ So richtet sich Markus Offner, Leiter der Stabsabteilung „Kirche im Dialog“ im Bischöflichen Generalvikariat an alle Bundestagsabgeordneten (MdB) aus dem Bistum Aachen. Hintergrund ist die für 2025 weitere geplante Kürzung des Etats des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung noch einmal um zwei Milliarden Euro sowie weitere geplante Einsparungen für die Folgejahre. Weiter kritisiert Offner: „Begleitet wird diese Diskussion nach unserer Wahrnehmung von einer regelrechten Kampagne zur Diskreditierung der Entwicklungszusammenarbeit in einer unwürdigen Mischung aus nationalistischer Tonlage und Desinformation.“
Wegen möglicher Auswirkungen auf zukünftige Finanzierungen von Hilfswerken und Projekten fordert Offner die Politiker auf, sich für eine solide finanzierte und somit für eine handlungsfähige deutsche Entwicklungspolitik einzusetzen – bei den anstehenden Haushaltsverhandlungen ebenso wie bei den öffentlichen Debatten: „Bitte treten Sie den populistischen Angriffen entgegen. In wenigen anderen Politikbereichen wird so detailliert ausgewertet, wie Gelder ausgegeben werden und was sie bewirken, wie im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Lassen Sie nicht zu, dass Deutschland seine Rolle als international geschätzter und glaubwürdiger Akteur aufs Spiel setzt. Treten Sie für eine starke Entwicklungspolitik im Haushalt 2025 ein und sichern Sie damit die Existenzgrundlage vieler Menschen weltweit und leisten Sie damit auch einen Beitrag für Frieden und Sicherheit sowie die Zukunftsfähigkeit Deutschlands und Europas!“
690 Millionen Menschen leben weltweit in extremer Armut. Jeder zehnte Mensch auf unserem Planeten hungert. Mehr als 100 Millionen sind Menschen auf der Flucht. Angesichts dieser Tatsachen hält es das Bistum Aachen für unverantwortlich, wenn Deutschland seine Bemühungen im Kampf gegen die weltweite Armut einschränkt. In einer Zeit sich multiplizierender Krisen und gewaltvoller Konflikte sei eine handlungsfähige Entwicklungspolitik geboten – nicht nur aus humanitären Gründen.
„Deutschland und Europa allein können in diesen Herausforderungen nicht bestehen. Wir brauchen weltweit verlässliche Partner und ehrliche Verbündete. Müssen wir nicht bereit sein, für diese Partnerschaften eher mehr als weniger einzusetzen, auch weil China und Russland ihren Einfluss in Entwicklungs- und Schwellenländern stark ausbauen?“
Es sei begrüßenswert, wenn die Bundesregierung bei Staatsbesuchen die Themen Menschenrechte und Demokratie auf die Tagesordnung setze. Doch diese Worte mit Leben zu füllen, sei nur mit einer starken internationalen Kooperation, vor allem auch über die jeweiligen Zivilgesellschaften, möglich. „Die geplanten Kürzungen hingegen schwächen die Glaubwürdigkeit Deutschlands und schaden dem Ansehen unseres demokratischen Gesellschaftsmodells, vor allen Dingen gehen sie durch das Ausbleiben finanzieller Unterstützung von konkreten Projekten zulasten von zahllosen Menschen, die schon jetzt unter menschenunwürdigen Bedingungen leben müssen“, so die Botschaft an die Mitglieder des Bundestages.
Im Bistum Aachen haben mit Misereor, Missio und dem Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ drei internationale Hilfswerke ihren Sitz. Die Arbeit der dort engagierten Menschen erfährt aus guten Gründen seit vielen Jahren hohe Wertschätzung und Anerkennung. Sie sei nicht zuletzt ein Markenzeichen gelebter globaler Verantwortung unserer Region. Neben der breiten Unterstützung durch Christinnen und Christen brauche diese hoch qualifizierte Arbeit eine angemessene staatliche Mitfinanzierung, um einen maßgeblichen Anteil des zivilgesellschaftlichen Engagements Deutschlands weltweit zu ermöglichen.
In einer ersten Reaktion aus den Reihen der MdB haben der Aufruf uneingeschränkte Zustimmung gefunden, meldet das Bistum. Vor dem Hintergrund immenser weltweiter Herausforderungen sei eine Kürzung des Entwicklungshilfe-Etats nicht akzeptabel. Da die Kürzungspläne jedoch noch nicht im parlamentarischen Verfahren angekommen seien, komme der Aufruf des Bistums genau zum richtigen Zeitpunkt.