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Politik ist bei „Grubens“ Frauensache

Vor gut 100 Jahren durften Frauen erstmals in Deutschland an die Wahlurnen treten und mitbestimmen. Auch wenn seit 15 Jahren mit Angela Merkel eine Frau an der Spitze der Regierung des Landes steht, sind Frauen noch immer nicht "selbstverständlich" in der Politik. Die Mandate sind nicht einmal annähernd paritätisch von beiden Geschlechtern besetzt. Die Chancen wachsen – sie müssen aber von Frauen auch wahrgenommen werden. Das sagen Julia und Martina Gruben.

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Martina (l) und Julia (r) Gruben - Mutter und Tochter mit Leidenschaft für die Politik. Foto: Dorothée Schenk
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Julia Gruben ist praktisch mit „Politik“ groß geworden. Mutter Martina ist seit 20 Jahren Ratsfrau für die SPD, aktuell die stellvertretende Fraktionsvorsitzende, und brachte natürlich so manches Thema auch zu Hause „auf den Tisch“. Dass Tochter Julia sich kurz vor dem Abitur für die CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union entschieden hat, ist zumindest bemerkenswert. Das tut der familiären Zuneigung keinen Abbruch, im Gegenteil. Beide Frauen sehen es als Gewinn, politische Kontroversen in den eigenen vier Wänden auszutragen. „Wenn man mit einem politischen Gegner im klassischen Sinne diskutiert, hat man auch immer eine gewisse Abwehrhaltung“, gibt Julia Gruben zu bedenken, „da ist man nicht ganz so empfänglich für die anderen Argumente. Das ist bei uns anders. Wir sind immer viel aufgeschlossener für die Argumente und Meinung der anderen.“ „Das dient auch dazu, den Horizont zu erweitern“, ergänzt Martina Gruben. „Auf kommunaler Ebene haben wir fast alle die gleichen Interessen – natürlich mit anderen Gewichtungen, aber, das merkt man auch im Jülicher Stadtrat, wir sind ja eigentlich…“ „…nah beieinander“, vervollständigt Julia Gruben. Martina Gruben: „So kann man das sagen.“

Irritationen in der Diskussionen gibt es nur dann, wenn von Parteistrukturen die Rede ist: Wenn die SPD-Frau vom Ortsverein spricht, meint die CDU-Frau den Stadtverband, der Kreisverband der CDU heißt bei der SPD Unterbezirk.

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Beide Frauen fühlen sich mit der Entscheidung für ihre Partei gut – dabei ist es in beiden Fällen tatsächlich eher dem Zufall geschuldet: „Ich habe mich über ganz viele Sachen in Jülich wahnsinnig geärgert“, sagt Martina Gruben lachend über ihren Einstieg in die Politik. Das war die Zeit, als Julia Kindergartenkind war, die Mutter engagierte sich als Elternratsvorsitzende und im Pfarrgemeinderat der Kirche in ihrem Wohnort Kirchberg. „In der Zeit hat man sich immer mehr für das Umfeld interessiert.“ Ein Freund hörte ihren Ärger und nahm sie mit zu einer Versammlung der SPD. Franz-Josef Köhne gewann sie, in der Partei „mitzumachen“. „Ich muss sagen, da war es Zufall, dass es die SPD war. Ich war damals noch nicht mal so fixiert. Wenn die CDU mich gefragt hätte und es mir schmackhaft gemacht hätte, wäre ich vielleicht bei ihnen tätig geworden.“ Darum ist es auch nicht verwunderlich, dass sie auf das Ansinnen ihrer Tochter Julia, sich bei der Jungen Union zu engagieren, so äußerte: „So lange Du nicht in eine Ultra-Organisation gehst, ist es mir eigentlich egal.“ Julia Gruben hatte es zunächst bei den JuSos versucht, war aber nicht überzeugt. Eine Freundin, die eintagsfliegenmäßig bei der JU war, nahm sie mit zur Jungen Union. Damals war Marco Johnen Stadtverbandsvorsitzender. „Da habe ich mich besser aufgehoben gefühlt, fand die Leute netter, die Themen haben mich mehr gepackt.“

Hat Politik Tradition in der Familie? „Jein“, sagt Martina Gruben. „Meine Mutter war tatsächlich im SPD-Ortsverein von Lohn bei Eschweiler engagiert. Aber ich wüsste nicht, dass zuhause großartig darüber gesprochen würde.“ Tochter Julia widerspricht: „Aber unpolitisch ist es bei Oma und Opa doch nicht.“ „Nein, es wurde auch immer diskutiert bei Familienfeiern. Das ist ganz klar.“

Übereinstimmend berichten beide Frauen, dass ihnen der Einstieg in die politische Laufbahn von den Männern nicht schwer gemacht worden ist. „Im Gegenteil!“ Martina Gruben hat sich von Anfang an gleichberechtigt und akzeptiert gefühlt. „Es war nie ein Thema ,Ich bin eine Frau unter den Männern‘.“ Der Jülicher „Boden“ sei hier schon etwas ganz besonderes, sagt die SPD-Frau und führt das auch auf die Herren aus dem Forschungszentrum zurück, die schon früh ein ganz anderes Frauenverständnis gehabt hätten. Julia Gruben, die als 29-Jährige die derzeit jüngste Kreistagsabgeordnete ist und für die CDU unter anderem dem Ausschuss für Kreis- und Regionalentwicklung angehört, findet sogar, dass Frauen es leichter hätten in der Kommunalpolitik. Der Grund: Frauen als Anwärterinnen seien „Mangelware“. „Man muss der Wahrheit entsprechend aber auch sagen, dass es zu wenig Frauen gibt, die sich überhaupt für ein Amt interessieren. Es ist nicht so, dass es ihnen nicht ermöglicht wird, oder die gläserne Decke so dick ist, das man da nicht durchkommt. Bis zu einem gewissen Grad wollen sie es nicht.“

„Es ist auch nicht immer ganz einfach“, gibt Martina Gruben zu bedenken. „Ich habe mich durchgesetzt, aber ich habe auch keinen Mann, der mich aktiv unterstützt. Er hat es akzeptiert, aber es ist nicht so, dass er öffentliche Termine mit mir wie selbstverständlich wahrnimmt. Das ist bei den männlichen Kollegen schon anders. Da sind die Frauen oft wie selbstverständlich dabei.“ Allerdings konstatieren beide Frauen, dass ein Umdenken stattfinde. „Ich weiß nicht, ob ich da zu naiv bin“, sagt Julia Gruben, „aber ich habe die Hoffnung, dass sich das bald ändert. Wenn ich in meiner Generation sehe, wie anders sich die Männer im Thema Familie einbringen, wie die jungen Väter in meinem Freundes- und Bekanntenkreis wie selbstverständlich Elternzeit nehmen. Da ist ein Umdenken. Es ist auch – vielleicht noch anderes als in Deiner Generation – absolut selbstverständlich, dass die Frau auch arbeitet. Für uns stellt sich die Frage gar nicht.“ Martina Gruben stimmt zu: „Das ist bei Euch schon viel besser. Aber es ist noch nicht so, dass diese Männer anschließend auch selbstverständlich in Teilzeit gehen.“ „Ich glaube, mit Babyschritten kommt man langsam in die richtige Richtung“, ist Julia Gruben zuversichtlich.


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