Start Stadtteile Jülich „Mentoring ist ein Geschenk!“

„Mentoring ist ein Geschenk!“

Vor einem Jahr feierte der Film "Die Unbeugsamen" Premiere. Er stellt die ersten Politikerinnen in den Mittelpunkt, die im Bundestag den beschwerlichen Weg in Ämter und Funktionen erkämpften. Eine Ermutigung, die gut passt zum Förderprogramm der EAF Berlin e.V. „Frauen in die Politik“, an dem die Kommunen Jülich-Linnich-Titz als Region teilnehmen. Bundesweit sind nur zehn Regionen ausgewählt worden. Nach dem Kick-off im März steht im August die Runde 2 an. Erste Erfahrungen aus Sicht einer Mentee, die sich für das Programm beworben hatte.

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Die erste rein weiblich Fraktionsspitze präsentierten "Die Grünen" im Deutschen Bundestag, von links: Heidemarie Dann, Annemarie Borgmann, Antje Vollmer, Erika Hickel, Waltraud Schoppe und Christa Nickels, posieren vor dem Bundesadler im Parlament, Gruppenfoto, SW-Aufnahme, 12.02.1984. Foto: © 2020 Paramount Pictures | Verwendung weltweit / Archiv
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„Es braucht immer Verbündete!“ – Dieser kleine Satz ist mir bei der „frauenstarken“ Mentoring-Eröffnungskonferenz am meisten im Kopf hängen geblieben. Ich nehme am Aktionsprogramm teil, um mich vielleicht künftig in meiner Kommune politisch zu engagieren. Und genau dieser Satz beinhaltet eines der wohl wichtigsten Grundprinzipien politischen Handelns – alleine geht es nicht. Ich hatte das im Beruf nicht immer berücksichtigt und bin jemand, der „einfach mal macht“. Das soll nun anders werden: Im Juni gab es den Startschuss zum „Aktionsprogramm Kommune – Frauen in die Politik“, einer Initiative der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft, kurz – EAF Berlin.

Die Kommunen Jülich, Linnich und Titz sind mit von der Partie und hatten Frauen zur Teilnahme aufgerufen – koordiniert von ihrer jeweiligen Gleichstellungsbeauftragten. Insgesamt hatten sich über 100 Frauen angemeldet, die aus zehn teilnehmenden Regionen Deutschlandweit kamen. Sie alle waren online bei der Zoom-Eröffnungskonferenz, so wie ich. Es ist super, dass wir alle während Corona gelernt haben, ganz selbstverständlich online zusammenzuarbeiten, stellte ich fest. Die Vorbereitungen gehen schneller als beim richtigen Treffen: gut ausgeleuchteter Hintergrund, zurechtgerückte Brille, dezentes Make up – und go!

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Die Online-Konferenz war hervorragend organisiert und gut moderiert. Auch technisch funktionierte fast alles. Die Organisatoren erklärten uns, dass die EAF ein so genannter „Think Tank“ und als solcher eine Ausgründung der Technischen Universität Berlin sei. „Diversity in Leadership“ – so laute die Mission, und stehe für mehr Chancengleichheit; das Bundesfamilienministerium ist Kooperationspartner. Das alles klingt sehr professionell und wissenschaftlich. Mit Mentoring-Programmen läge sehr viel Erfahrung innerhalb der Organisation vor, versicherten sie uns weiter. Selbst habe ich damit noch keine Erfahrung. „Tandems“ – gebildet aus erfahrenen Frauen, die schon in der Politik aktiv sind – und solchen, die es werden möchten, dienen als Mittel der Wissensvermittlung. Das nennt man Mentoring. Ich bin eine so genannte Mentee, also eine Lernende, war aber zur Konferenz noch nicht im Tandem unterwegs. Sprich: Meine Mentorin hatte mich da noch nicht online per Klick bestätigt. Das ist fast wie beim Matching auf einer Dating-Plattform, kam es mir in den Sinn – heute funktioniert eben vieles anders.

„Ganz wichtig sei die Augenhöhe in den Tandems!“ So erfuhren wir von den Moderatorinnen. Ich entdeckte jüngere und auch viele Frauen in meinem Alter auf dem Bildschirm, also aus der Fraktion 50 plus. Und auch unter denen gibt es noch Mentees, so wie mich. Man ist bekanntlich nie zu alt für Neues. Übrigens sind auch ein paar Männer unter den Mentoren. Obwohl ich irgendwann mal ein einschlägiges Studium absolviert hatte, fehlen mir in diesem Bereich sowohl Wissen als auch praktische Erfahrungen und ich glaube, das ist eine eigene Welt, die man nicht lernen, sondern erleben muss. Wir Teilnehmerinnen scheinen aber die Art engagierte, diskussionsfreudige und offene Gattung Frau zu sein, merkte ich schnell im Verlauf. Klar, sonst wären wir nicht dabei. Auch unsere sympathische Jülicher Gleichstellungsbeauftragte Jessica Fischer war bei der Eröffnung. Ich liebe den Netzwerkgedanken und fühlte mich gleich ganz wohl in dieser großen Gruppe.

Dann musste auch ich etwas sagen und ich merkte, dass ich meine alte berufliche Souveränität nach all den Jahren als alleinerziehende Mutter erst wieder finden muss: Ladehemmung, und das in meinem Alter. Ich freue mich auch, so viele jungen Frauen zu sehen – die sich einbringen wollen – ob für sie Gleichberechtigung noch Thema sein wird?

Grafik: Frauen in die Politik

Die Konferenz forderte einem schnell ab, auf den Punkt zu kommen, hin zu eigenen Qualitäten und Zielen. Dann war Mittagspause und ich hatte meinen Teenager Mädels per Whatsapp Kommandos gegeben, wie sie eine Suppe fertig stellen. Online Essen können wir sie noch nicht, aber ich staune über das, was heute alles geht und in meiner analogen Jugend niemals denkbar war. Sogar die Vereinbarkeit von Familie und Beruf irgendwie. Am Ende brannte die Suppe dann doch ein wenig an, war aber noch genießbar.

Im zweiten Teil lernten wir, dass wir eine Feedback-Kultur entwickeln und dadurch unsere Selbstwahrnehmung stärken sollen. Großes Nicken gibt es zu dem Ziel „Kennenzulernen, was in der Politik hinter den Kulissen“ stattfindet sowie ein Verständnis der kommunalpolitischen Strukturen zu bekommen. Für den Mentoring Prozess scheint für die meisten Teilnehmerinnen „Ehrlichkeit“ das wichtigste Prinzip zu sein. Wir erfuhren auch, dass unser Netzwerk ein „Safer Space“, aber kein „Safe Space“ ist, weil auch wir Frauen uns gegenseitig ausbremsen können, verdeckte Ziele verfolgen könnten. Aber es geht ja eben darum, dass wir Frauen einen Mehrwert in der Politik schaffen, indem wir die Dinge anders denken und machen als unsere männlichen Partner. Also auf geht’s!

Wir werden künftig das Prinzip des „Shadowing“ praktisch kennenlernen, indem wir mitkommen dürfen bei Veranstaltungen unserer Mentorin; werden uns von ihr begleiten lassen. Es wird bei den Gesprächen nicht um Sachthemen gehen und es ist keine Freundschaft, sondern eine Art berufliche Beziehung. So etwas ist für viele Frauen sicher eine große Herausforderung, bin ich überzeugt. Bringen wir uns nicht immer – schneller als Männer – auch auf der Beziehungsebene ein?

Ich bin gespannt, ob und was aus dem vor mir liegenden Prozess wird, insgesamt, und auch für mich persönlich. Eines sollten wir auf jeden Fall mit „nach Hause“ nehmen: „Mentoring ist ein Geschenk“.


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