Aktueller Anlass dieser Frage ist die Forderung der Internationalen Filmfestspiele Berlin, die beiden verhafteten iranischen Filmregisseure Mohammad Rasoulof und Mostafa Al-Ahmadi umgehend freizulassen. „Es ist erschütternd, dass Künstler für ihren friedlichen Einsatz gegen Gewalt in Haft kommen“, erklärte das Leitungsduo Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian Mitte Juli.
Was können wir und die Betroffenen tun, wenn juristische Mittel innerhalb eines Unrechtsstaates nicht anerkannt oder pro forma mit an den Haaren herbeigezogenen Begründungen abgelehnt werden? Wie wirksam ist der Druck der Öffentlichkeit? Sind Sanktionen das Einzige, was hilft, und wer kann sie ausüben? Kann man friedliche Filmregisseure freikaufen oder austauschen wie früher Agenten an der Glienicker Brücke? Und wäre das nicht Erpressung, Geld für die Gewährung eines Grundrechtes zu verlangen? Welcher Prozentsatz der Menschheit lebt eigentlich in einer zumindest demokratieähnlichen Gesellschaft? Welche Chance hat ein Filmregisseur, die ihm zustehende Freiheit zurückzuerlangen, wenn sogar Friedensnobelpreisträgerinnen in Scheinprozessen unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt werden, wie vor gut einem halben Jahr in Myanmar geschehen?
Als ich den Film „Doch das Böse gibt es nicht“ von Mohammad Rasoulof im Wettbewerb der Berlinale sah, war mir sofort klipp und klar: Das ist der Gewinner des Goldenen Bären für den besten Film, und so war es denn auch. Dieser Episodenfilm mit vier Geschichten über Menschen, deren Leben vor existenziellen Herausforderungen stehen, wirft die Frage auf, wie integer ein Mensch in einem absoluten Regime bleiben, welche moralische Schuld er ertragen kann, ohne zu zerbrechen, und zu welchem Preis es gelingt, die individuelle Freiheit zu bewahren. Der Film ist als DVD und als Stream erhältlich.