Oper in Reinkultur: „Und wie oft gehen Sie in die OPER?“ Das könnte eine Small-Talk-Frage einer überaus gebildeten, eher älteren Dame sein. Sie ist so schwer behangen mit Gold, das es als Bodybuilding angerechnet werden könnte. Sie zeigt ihre knall rot geschminkten Lippen auf einem Sektempfang. An ihrer Seite ein schneeweißer Pudel mit Schleifchen auf dem Kopf. „Nicht meine Welt. Ich spare lieber auf das Bruce Springsteen Konzert,“ würde ich als eine typische Antwort einstufen. Aber wer so antwortet, ist wohl gar nicht erst auf einem derartigen Empfang anzutreffen. Opernbesuche haben den Ruf und Beigeschmack von Exklusivität und Bildungsbürgertum. Die Karten in den ersten zehn Reihen zur Eröffnung der Bayreuther Festspiele kosteten dieses Jahr 416 Euro pro Stück. Und das heißt noch lange nicht, dass person überhaupt eine hätte abbekommen können.
Laut der Datenbank Statista gingen 2019 (also vor der Corona-Pandemie) 4 % der Deutschen regelmäßig ins Theater oder Ballett oder in die Oper, 38 % gelegentlich und 58 % nie.
Oper im Film: Als ich noch die Studi-O-Film-Reihe im Jülicher Capitol betrieb, zeigten wir den Film DIVA von Jean-Jacques Beineix als sonntägliche Matinee. Es gab tatsächlich ein Glas Sekt dazu und ich hätte auch verbotenerweise der mittelgroßen Hunderasse mit häufig lockigem Fell freien Eintritt gewährt, mit und ohne Schleifchen. Jules, ein junger Pariser Postbote auf einem Mofa verehrt die Opernsängerin Cynthia und nimmt heimlich ein Konzert von ihr auf, da die DIVA keine Aufnahmen ihres Gesangs zulässt. Bekannte Opernklänge werden kontrastiert von Ganoven in der klassischen Gangster-Limousine Citroën Traction Avant, ganz in Weiß. Eine so nette wie haarsträubende Story, deren Verwicklungen sich an optisch reizvollen Orten wie etwa im Shabby Chic eines großzügigen Lofts abspielen. Der Film feiert gerade seinen 40 Geburtstag und ist schon lange KULT.
Oper als Übertragung im Kino: Der Kino-Gigant Hans-Joachim Flebbe, ist bekannt als Begründer der 1988 aus der Taufe gehobenen CinemaxX-Kette. Heute besitzt der inzwischen Siebzigjährige die über ganz Deutschland verteilten ASTOR Film-Lounges, die als das Nonplusultra in der deutschen Kinoscene gelten. Dazu zählt das 1950 in Köln eröffnete Residenz-Kino, das Flebbe aufwendig zu einem Luxuskino umgebaut und 2012 als ASTOR Film-Lounge wiedereröffnet hat, mit Portier, Garderobe, Clubsesseln und freundlicher Bedienung, bei der man alles vom Feinsten bestellen kann, also fast schon ein Opernhaus. Und das ist das Stichwort: In diesen Premium-Kinos kann man zu erschwinglichen Preisen teilhaben an den begehrtesten Opernvorführungen der Welt, dargeboten beispielsweise von der Metropolitan Opera, New York.
Opern-Kino in Aachen: Die Kino-Familie Stürtz aus Alsdorf, inzwischen in der vierten Generation aktiv, beherrscht mittlerweile die Kinoszene in Aachen. Ihre denkmalgerechte Wiedereröffnung des Aachener Capitol-Kinos kann locker mit den Flebbe-Longes mithalten. Auch hier kann man Opern-Übertragungen erleben (2019 z.B.Turandot). Das Ambiente und der gute Ton sichern den Event-Charakter. Das Aachener Stadttheater bietet ja zudem auch OPER live und eigentlich aus der Not der Corona bedingten Aufführungsverbote heraus entstand ein ganz besonderer Opern-Film: Turandot (Puccini), Inszenierung: Ewa Teilmans, Film-Regie: Michael Chauvistré. Vier Kameras, weit mehr als ein Mitschnitt, ein eigenes Werk. Klavierbegleitung statt Orchester. Ich habe die Premiere open air im Aachener Kennedy Park erlebt und wünsche mir den Film ins Aachener Capitol.