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Knaller

Was ich noch sagen wollte…

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Kolumne | Foto: HZG
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Manchmal ist das ja so eine Sache mit den Knallern. Also mit denen, die man hören kann und den anderen. Wenn ich mich an die akustischen Knaller meines bisherigen Lebens erinnere, fallen mir als erstes die Knallerbsensträucher ein, die mich gelehrt haben, dass nicht immer die Größten die Besten sind. Es waren die kleinen strammen Murmeln, die den lauteren Knall hervorriefen und ihrem Namen Ehre machten. Und weil ich mich darüber immer so sehr gefreut habe, hat es auch sehr lange gedauert, bis für mich Kicher- und Knallerbsen nicht mehr dasselbe waren. Heute empfinde ich ähnliche Freude, wenn mir das Verpackungsmaterial Knackfolie in die Hände fällt. Mit dem leise knallenden Zerdrücken der Miniblasen bin ich erst einmal beschäftigt, bis der darin eingewickelte Inhalt inspiziert werden kann. Auch aus Papier gefaltete Knallfrösche gehörten in die kindliche Bastelzeit und später zerplatzende Kaugummiblasen. Knallende Lineale auf der Schulbank habe ich immer noch im Ohr wie auch das Bearbeiten von Knallplätzchen für Spielzeugpistolen auf den Gehwegplatten unserer Neubausiedlung. Auch knallten die mittels Klammer an den Speichen des Fahrrads befestigten Plastikschildchen, später der Auspuff des motorisierten Zweirads. Im Chemieunterricht folgten Erfahrungen mit Knallgas samt Probe. Beim Stichwort Chemie-Experiment erinnere ich mich an einen gänzlich unakustischen Knaller: in der Abschluss-Prüfung habe ich nervös die erforderlichen Zutaten in zu großer Menge zusammengefügt, was zu einer spontan notwendigen Lüftung des Schultrakts und Verschiebung aller nachfolgenden Prüfungstermine führte. Diese Prüfung habe ich dann auch nicht Knall auf Fall, sondern mit Ach und Krach bestanden. Meine Begeisterung für knallrot währt seit Kindertagen und Knalltüten müssen nicht zwangsweise aus Papier sein, sondern sind mir auch schon auf zwei Beinen begegnet. Wenn etwas ein Knaller ist, dann ist es also nicht unbedingt eine auf das Trommelfell knallende Schallwelle, sondern auch schon mal besonders toll oder zumindest verblüffend. Erfahrungsgemäß ist zwar nicht jedes Jahr rückblickend wirklich toll und der Beginn eines neuen mit dem Kalender vor Augen nicht wirklich überraschend, aber die Knallerei gehört zu Silvester nun mal dazu, wenn auch die an diesem Abend knallhart gefassten guten Vorsätze für das Folgejahr eher verpuffen als verknallen. Letzteres kann natürlich auch passieren, dann allerdings nicht im Ohr, sondern mit dem Herzen. Den bis heute ungeschlagenen Silvesterknaller erlebte ich fast geräuschlos im Katastrophen-Winter 1978, als wir bei -25 Grad wegen eingefrorener Weichen und erstickender Schneemassen auf dem Berliner Ostbahnhof festsaßen. In den letzten 24 Stunden hatten wir uns bereits 200 der 300 km langen Heimreise vorwärtsgekämpft. In dem für eine vierstündige Fahrt ausgestatteten Speisewagen wurde uns Kindern der Teebeutel zum wiederholten Mal aufgebrüht, den Erwachsenen blieb Brandy mit heißem Wasser zum Aufwärmen. In der Berliner Mitropa saß meine übermüdete Mutter um Mitternacht inmitten des Hauptstadt-Silvesterfeuerwerks mit zwei Kindern, die den Kopf auf den Armen liegend vortäuschten zu schlafen, weil ihnen für jede Stunde Schlaf eine Mark Taschengeld versprochen wurde. Seitdem weiß ich, dass „die haben den Knall nicht gehört“ auch die Umschreibung für ein gutes Geschäftsmodell ist…          

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