Die Argumente der Mitglieder des Ausschusses waren – irritierend. Jülich ist eine bunte Stadt. Ungefähr jeder sechste Einwohner kommt aus dem Ausland. Darunter auch viele Flüchtlinge.
Das Hauptargument aus den Reihen der CDU, UWG-JÜL und FDP: „Städte Sicherer Häfen“ grenze sich nicht von der Seebrücke ab und die Seebrücke sei nun linksradikal. Woher die politischen Vertreter des Ausschusses wissen wollen, dass die Seebrücke, aus der sich das Bündnis „Städte sicherer Häfen“ gegründet hat, linksradikal und damit grundsätzlich abzulehnen ist, ist mir schleierhaft. Und dass man deswegen den Beitritt zu einem Bündnis, das die Willkommenskultur nochmal unterstreicht, ablehnt, ist mir absolut unverständlich. So ging es wohl auch Mohamad Khomassi, der sichtlich enttäuscht von seinen Vorrednern unterstrich, dass man als SPD geschlossen für den Beitritt stimmen werde, da man hiermit ein Zeichen nach außen setze. Auch die Grünen-Politikerin Emily Willkomm-Laufs machte nochmals eindringlich darauf aufmerksam, dass es um die Rettung von Menschenleben geht. Menschen, die ihr Leben riskieren, um über das Mittelmeer sichere Häfen finden zu können. Auch hiervon ließen sich die Vertreter der oben genannten Parteien nicht beeindrucken und stimmten dagegen. Ein Moment der Sprachlosigkeit war in den Augen des Bürgermeisters Axel Fuchs und der Sozialdezernentin Doris Vogel klar abzulesen. Ich meinerseits konnte nur kopfschüttelnd das Ergebnis der Abstimmung notieren.
Dass die „Seebrücke“ linksradikal sein soll, ist absurd. Schaut man auf die Webseite der „Seebrücke“ so erfährt man, dass diese Organisation ein einziges Ziel hat: Flüchtlinge sollen vor dem Ertrinkungstod auf dem Mittelmeer legal gerettet werden dürfen und anschließend nicht tagelang in europäischen Häfen auf Hilfe warten müssen, während an Bord Menschen medizinisch versorgt werden müssen und Wasser und Nahrung knapp wird. Geburtsstunde der „Seebrücke“ war, als die „Lifeline“ tagelang an keinem europäischen Hafen anlegen konnte, nachdem die Crew des Schiffes über 200 Menschen aus dem Meer gerettet hatte. Die „Seebrücke“ möchte diesen Zustand und diese Politik Europas ändern. Dass die Kriminalisierung der Rettung von Menschenleben ein moralisches Armutszeugnis ist und dass es nie ein Politikum sein sollte, wie ausgeglichen die Übernahme der Verantwortung gegenüber Flüchtlingen ist, wenn Menschen akut Hilfe brauchen, ist glaube ich klar.
Liest man sich die Materialien der Ausschussunterlagen überdies durch, so kann man erfahren, dass „Bündnis sicherer Häfen“ die Bundesregierung dazu auffordert, eine „langfristige Lösung zur Sicherung der Aufnahme aus Seenot geretteter Menschen auf europäischer Ebene einzusetzen und dazu jetzt einen eigenen Beitrag zu leisten.“ Das von der CDU, UWG-JÜL und FDP bezeichnete linksradikale Bündnis strebt also eine Lösung in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung an und suchen hierbei die Unterstützung der einzelnen Kommunen. Das ist klar nicht linksradikal, sondern ein moralisch ehrbares Vorhaben. Die Politik – auch kommunal – sollte hier ebenfalls Verantwortung übernehmen und dem Bündnis beitreten.
Die weiteren Argumente gegen den Beitritt waren unangemessen. Sie werfen in einer Stadt wie Jülich die Frage auf, was eigentlich in der Zwischenzeit mit unserer Willkommenskultur passiert ist. Während der Ausschusssitzung wurde darauf aufmerksam gemacht, dass der Flüchtling teuer werden könnte. Werde dieser nämlich sehr krank, so könne dieser bis zu einer Millionen Euro kosten. Und der Wohnraum sei auch knapp, das zeige der Sozialbericht der Stadt Jülich. Darin steht, dass momentan „wieder dringend Wohnraum zur Sicherstellung künftiger Aufnahmen gesucht“ wird. Nur ganz knapp vorher heißt es nebenbei: „Gegenüber den Vorjahren ging die Personenzahl [der Flüchtlinge] etwas zurück und auch die Anzahl der Unterkünfte konnte teilweise reduziert werden.“ Man kann also mehr und der Vorwand, dass man sich nicht dazu bereit zeigen könne, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, weil man den Platz nicht habe, ist schlicht falsch. Man kann mehr. Das hat „die Stadt“ schon gezeigt. Und Entschuldigung, als es in der Jülicher Politik noch darum ging, „wie“ und nicht „ob“ man helfen kann, wurde faktisch offensichtlich, dass man kann und welche Kraft in den Jülichern steckt, wenn es um humanitäre Hilfe und die Übernahme von sozialer Verantwortung geht. Man erinnere sich Flüchtlingscamp 2015 auf der Merscher Höhe – das zu Spitzenzeiten zu einem Viertel ausgelastet war.
Es geht um die Sache. Es geht darum, Menschen aus einer Not zu retten und dafür als Stadt ein Zeichen zu setzen. Zu zeigen, dass man zu helfen bereit ist und das man auch auf Bundesebene sowie europaweit dazu bereit sein sollte. Das Argument, dass man die Rettung von Menschen nicht unterstützten wird, weil die falschen Menschen die Menschen retten – das sollte eigentlich keines Kommentars bedürfen.
Zum Ausschuss-Bericht Kein sicherer Hafen?