Frühmorgens ab 6 Uhr geht es schon los. Kein Durchkommen etwa an der Ellbachstraße und in der Fortsetzung An der Vogelstange. Die Straßen hat oft einen erdig braunen Film von der Ackerkrume, die aus den profilierten Rädern der Traktoren fielen. Anhänger an Anhänger stehen sie. Die Motoren laufen auch, wenn der Verkehr steht. Lärm… Ja, der gehört dazu. Von Umweltverträglichkeit reden wir da erstmal gar nicht. Das sind alles Phänomene der „Rübenkampagne“, die längst Geschichte sind.
Dazu lag über Jülich ein stetig süßer Geruch. Der verbreitete sich nicht nur als Wasserdampf aus der Schnitzeltrocknung, wie es auch heute noch ist, und je Windlage ruchbar, sondern entströmte auch den kleinen Kanälen, durch die das Rübenwasser an der Rur entlang zu den Nordpoldern geleitet wurde. Auch das ist längst Geschichte. Heute sind die Rinnen verfüllt. Auf den Nordpoldern ist das Kleingartengelände in direkter Nachbarschaft zum Schulzentrum entstanden, und die Polder liegen beidseitig der B55 in Richtung Düren.
Es geht nicht um eine Verklärung der „guten alten Zeit“ und Nostalgie. Es geht darum, dass Menschen sich offenbar inzwischen nicht mehr so mit ihrer „Scholle“ identifizieren, wie es einst war. Wer aufs Land zieht, der beklagt den Weckruf des Hahns und Feierlärm bei Brauchtumsfesten – in der Stadt das Kirchturmläuten oder Verkehrslärm an Kreuzungen. In Jülich war es „normal“, dass die Landwirtschaft, die einen wichtigen Wirtschaftsfaktor im Jülicher Land ausmacht, mit den Sinnen wahrnehmbar war. Ich habe als „Anwohnerin“ den Lärmpegel und die Verkehrsverstopfung erlebt und erlaube mir darum ein Urteil: Ich habe die Situation als saisonale Erscheinung wahrgenommen. Ich kann mich nicht an lautstarke Proteste erinnern. Dass es ein Umdenken gegeben haben muss, beweist die Gegenwart: Der Verkehrsfluss läuft über den „Ring“, und dank der Digitalisierung in der Anlieferung fließt der Verkehr auch und steht nicht Motorhaube an Anhänger. Veränderungen sind also Zeitzeichen.
Die Zuckerfabrik gehört zu Jülich. Sie ist Bestandteil unserer Wirtschaftsgeschichte und eine großer Arbeitgeberin. Einst außerhalb der Wohngebiete gelegen rücken nun Neubaugebiete – Meyburginsel, Lindenallee und auch vonseiten des Heckfelds aus – näher an das Unternehmen heran, das keine Möglichkeit hat, „mal eben“ seine Produktionsstätten umzuziehen. Wieso städteplanerisch diese Entscheidungen für neue Wohngebiete getroffen wurden, erschließt sich mir nicht. Hier war perspektivisch gesehen „Ärger“ vorprogrammiert.
Heute wird von Unternehmen erwartet, dass sie nicht nur Arbeitgeber sind, sondern auch umwelt- und umfeldgerecht ihrer Produktion nachgehen. Wer Arbeitsplätze erhalten möchte, der muss aber auch die Wirtschaftlichkeit im Blick haben. Neben einer Effektivität der Produktion im eigenen Betrieb muss speziell das Unternehmen Zuckerfabrik den internationalen Markt und die immer wieder kritisch beäugte „Wettbewerbsverzerrungen auf dem EU-Zuckermarkt zum Nachteil rheinischer und deutscher Zuckerrübenanbauer“ im Blick haben. Dazu kommen Investitionen in den Lärmschutz, die erwirtschaftet werden müssen.
Es gibt selten nur eine Seite einer Medaille. Beide Seiten haben berechtigte Interessen. Vieles geht nur im Miteinander. Wichtig ist daher, dass das Unternehmen die berechtigten Interessen der Anwohner sieht und ernst nimmt und die Anwohner Verständnis und Handlungsmöglichkeiten des Unternehmens verstehen und ernst nehmen. Es bedarf wechselseitigen Verständnisses. Es reicht nicht, mit dem Finger nur in eine Richtung zu zeigen. Darum ist es begrüßenswert, das ein Forum geschaffen wird, in dem Planungsfortgang und kritische Punkte gemeinsam miteinander erörtert werden.