Der Klimagipfel in Paris im Jahr 2015 war auch die Geburtsstunde der sogenannten „4 pro 1 000“-Initiative. Ihr Name steht für einen Zusammenhang, der in Klimaforschung und Politik lange nicht genug Beachtung gefunden hat: Jahr für Jahr erhöht sich die Kohlenstoff-Menge in der Atmosphäre durch das von Menschen produzierte Klimagas CO2 um mehr als vier Milliarden Tonnen. Würde man diese vier Milliarden Tonnen stattdessen in den Böden dieser Erde binden (und damit den Treibhauseffekt komplett aufhalten), würde die im Boden enthaltene Kohlenstoffmenge jährlich um lediglich 0,4 Prozent wachsen (also 4 von 1 000). Anders ausgedrückt: Böden sind ohnehin schon ein gigantischer Kohlenstoff-Speicher. Warum also nicht einfach noch das überschüssige CO2 als zusätzliche Winzigkeit darin versenken?
Tatsächlich sind Experten heute davon überzeugt, dass sich mit dieser Strategie der Klimawandel deutlich verlangsamen ließe. „0,4 Prozent zusätzlicher Kohlenstoff-Eintrag sind zwar etwas zu optimistisch“, erklärt Prof. Wulf Amelung, Leiter des Jülicher Instituts für Agrosphärenforschung und der Abteilung Bodenwissenschaften an der Universität Bonn. „Ein Drittel davon ist aber vermutlich erreichbar.“ Dennoch hat sich seit 2015 kaum etwas bewegt. Amelung möchte daher zusammen mit Kollegen aus Europa, den USA, Australien und China das Thema wieder auf die Agenda bringen. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature Communications“ umreißen sie eine Strategie, mit der sich das Potenzial der Böden im Kampf gegen den Klimawandel effektiv nutzen ließe. Amelung ist zusammen mit seinem französischen Kollegen Prof. Dr. Abad Chabbi federführend für die Initiative. In Deutschland war zudem noch die TU München beteiligt. Das teilte das Forschungszentrum mit.
Es gibt eine Reihe einfacher Maßnahmen, die Kohlenstoff-Menge im Boden zu erhöhen, etwa das Mulchen (also das Bedecken des Bodens mit Ernteresten) oder auch die Zugabe von Pflanzenkohle. Die wichtigste Methode ist es aber, den Pflanzenbewuchs (und damit die Ernteerträge) zu steigern: durch Kalkung saurer Böden, durch eine bedarfsgerechte Düngung, durch geschickte Bewässerung. „Je mehr auf den Böden wächst, desto besser ist ihre Durchwurzelung“, erklärt Amelung. „Und Wurzeln mit ihren weit verzweigten Geflechten aus organischem Material speichern jede Menge Kohlenstoff.“ Umgekehrt enthält die organische Substanz essenzielle Nährstoffe für das Pflanzenwachstum und fördert damit den Ernteertrag. „Letztlich adressiert unsere Strategie daher zwei wichtige Ziele: den Klimaschutz und die Sicherung der Ernährung.“
Die globale Umsetzung des ehrgeizigen Plans ist aber nicht ganz so simpel: zu unterschiedlich sind Qualität und Eigenschaften der Böden an verschiedenen Standorten, zu unähnlich die verfügbaren Bewirtschaftungstechnologien. „Um den Kohlenstoff-Eintrag zu erhöhen, sind daher lokal angepasste Maßnahmen erforderlich – wir benötigen in den Reisanbaugebieten Asiens komplett andere Strategien als etwa auf einem Getreidefeld in Mecklenburg-Vorpommern“, betont Amelung. Zudem wirken viele Maßnahmen zur Kohlenstoffspeicherung besonders dann gut, wenn Böden durch langjährige Übernutzung teilweise degradiert sind und viel Kohlenstoff verloren haben. „Aus Kosten-Nutzen-Perspektive ist es sicher am sinnvollsten, auf solchen Flächen anzufangen – auch weil die Ernte-Zuwächse dort am größten sein dürften“, erklärt der Bodenkundler.
Leider ist das Wissen um den Zustand der Böden jedoch sehr lückenhaft. Die Wissenschaftler empfehlen daher den Aufbau von Datenbanken, die den Zustand der Flächen rund um den Globus sehr kleinteilig erfassen, sowie eine ebenso kleinteilige Modellierung möglicher Erntegewinne und des dazu nötigen Düngemittel-Einsatzes. Außerdem müsse sichergestellt sein, dass es nicht lediglich zu einer Umverteilung des Kohlenstoff-Eintrags komme: etwa, indem organisches Material aufwändig von einer Farm zu einer anderen Fläche gebracht würde und nun am Ursprungsort fehle.