Prof. Francesca Santoro erhält den diesjährigen Early Career Award der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Die Materialwissenschaftlerin und Ingenieurin für biomedizinische Technik forscht und lehrt seit 2022 am Jülicher Institut für Bioelectronics und an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der RWTH Aachen. Mit dem Preis würdigt die Leopoldina sowohl Santoros Forschungsbeiträge auf dem Gebiet der Bioelektronik als auch ihre Arbeiten zur Entwicklung neuer Materialien, die den Heilungsprozess durch Elektrotherapie von Haut und Nervengewebe beschleunigen können. Der von der Commerzbank-Stiftung gestiftete und mit 30.000 Euro dotierte Preis wird im Rahmen der Leopoldina-Jahresversammlung am Freitag, 23. September, in Halle (Saale) verliehen.
Francesca Santoro entwickelt bioelektronische Materialien und erforscht deren Wechselwirkung mit lebenden Zellen. In ihrer Doktorarbeit, die sie am Forschungszentrum Jülich anfertigte, begann sie mit der Untersuchung der elektrischen Aktivität von Herzmuskel- und Nervenzellen, erforschte Techniken zur Herstellung von mikro- und nanoskaligen 3D-Strukturen und wurde 2014 an der RWTH promoviert. Im Herbst 2014 schloss sich die Wissenschaftlerin der Gruppe von Prof. Bianxiao Cui an der Stanford University an, wo sie die Wechselwirkung von Zellen mit nanostrukturierten Materialien untersuchte.
Im Jahr 2017 kehrte sie nach Neapel zurück und übernahm am dortigen Istituto Italiano di Tecnologia die Leitung einer Nachwuchsgruppe. Aufbauend auf Arbeiten aus ihrer Zeit in Stanford entwickelte sie ein Material, das in der Lage ist, verletzte Hautzellen elektrisch zu stimulieren, um die Heilung von beschädigtem Gewebe zu verbessern. Die ultradünnen und hautverträglichen elektronischen Materialien haben photovoltaische Eigenschaften, das heißt, sie fangen Sonnenenergie ein und benötigen keine Batterie. Diese Wundauflagen oder Pflaster können wochenlang auf der Haut verbleiben. Die dreidimensionale Nanostruktur verbessert die Wechselwirkung zwischen Elektroden und Zellen, so dass Santoros Konzept auch auf Nervenzellen angewendet werden kann.
Gegenwärtig befasst sich die Forscherin mit der Optimierung der Schnittstellen zwischen Nervengewebe und elektronischen Mikrochips. Dabei ist es ihr gelungen, eine sogenannte Biohybrid-Synapse herzustellen, die den Neurotransmitter Dopamin freisetzen kann – einen Botenstoff, der unter anderem bei der Behandlung der Parkinson-Krankheit eine wichtige Rolle spielt. Solche Biomaterialien könnten in Zukunft zum Beispiel in geschädigtes Nervengewebe implantiert und zu einer erfolgreichen Behandlung von neurodegenerativen Erkrankungen eingesetzt werden.
Für ihre Forschung wurde Francesca Santoro bereits mit zahlreichen Stipendien und Preisen ausgezeichnet. Sie erhielt einen ERC Starting Grant des Europäischen Forschungsrats und war 2021 Preisträgerin des Falling Walls Science Breakthrough of the Year in Engineering and Technology. Im Jahr 2018 wurde sie als eine der Gewinnerinnen der jährlichen Innovators Under 35 Europe Awards von MIT Technology Review ausgezeichnet.
In diesem Jahr wurde Francesca Santoro eine weitere Auszeichnung zuteil: die Teilnahme an einem „Interstellar Initiative Mentoring Workshop“, der bis Februar 2023 geht. Die „Interstellar Initiative“ wurde von zwei der bedeutendsten internationalen Wissenschaftsvereinigungen – die New York Academy of Sciences und die Japan Agency for Medical Research and Development – ins Leben gerufen. Das Ziel der Initiative ist die Förderung der weltweit vielversprechendsten Nachwuchswissenschaftler in den Bereichen Krebsforschung, regenerative Medizin und Neurowissenschaften.