Wo man früher die kürzesten und schnellsten Verbindungen von A nach B für den Autofahrer standen, steht heute das Mobilitätskonzept. „Das Mobilitätskonzept ist nachhaltig angelegt. Umweltfreundliche und lärmarme Mobilität soll gefördert werden. Außerdem schauen wir genau auf die Verkehrsbedürfnisse der Menschen. Wir schauen, wo genau sie hinwollen und warum“, sagte Verkehrsplaner Kai Pachan von BVS Rödel & Pachan, der von der Stadt für das Mobilitätskonzept beauftragt wurde. Von Anfang bis Ende werde das Konzept zusammen mit den Bürgern erstellt. „Wir wollen Hören und sehen, wo der Schuh drückt.“
Zu fünf Ortstermine kamen Vertreter der Stadt, des begleitenden Büros und Anwohner in Welldorf, Altenburg, Broich, Kirchberg und der Stadtmitte zusammen. Groß war das Interesse auf den Dörfern. Beim Treffen für Kirchberg und Bourheim kamen mit knapp 50 Interessierten die meisten Menschen zusammen.
So ziemlich jeder kennt den Spruch „Wenn du in der Stadt fünf Bier trinkst, bist du Alkoholiker, im Dorf bist du der Fahrer.“ Auch wenn fehlende öffentliche Nahverkehrsmittel absolut keine Entschuldigung sind, sich betrunken hinter das Steuer zu setzen, so spiegele sich in diesem überzogenen Satz das Problem wieder, dass bei der Austauschveranstaltung zur Mobilität durch die Äußerungen im Zentrum stand: Abends fährt weder Bus noch Zug durch die Dörfer. Dies war auch schon bei der Umfrage zur Mobilität angemerkt worden. Insgesamt meldeten sich 12 Kirchberger, die bei der Bürgerbefragung teilnahmen, dass am Abend kaum noch ein Wegkommen möglich sei. Als Wunschziele wurden hier der Busbahnhof (ZOB) und die Innenstadt aufgezeigt. Aber auch eine allgemeine Vernetzung unter den Dörfern sei wichtig. Bei dem Bourheimern ergab sich dasselbe Bild. Hier wurde angegeben, dass der Bus abends nicht mehr fahre und es wurde der Wunsch geäußert, dass es eine Haltestelle für den Bürgerbus für Koslar und Bourheim für Fahrten zur Rurtalbahn geben sollte.
Andreas Nogga von der Dorfgemeinschaft Zukunft Kirchberg machte zudem auch die fehlende Verbindung zwischen dem Dörfern und dem Forschungszentrum aufmerksam. Eine Verbindung habe zudem weitere positive Nebeneffekte: Viele würden durch die fehlende Anbindung der Dörfer in die Stadt ziehen, wo Wohnungsnot bestehe. Wäre die Verbindung besser, würden man vielleicht auch die umliegenden Dörfer in die Wohnungssuche miteinbeziehen.
Abends und am Wochenende fährt das Sammeltaxi. Diese Fahren nur dann, wenn Bedarf da ist und dieser auch per Telefon angemeldet wurde. Von einem der Dorfbewohner wurde anmerkt, dass die Möglichkeit kaum bekannt sei (ein Informationsschreiben zum Anruf-Sammeltaxi findet man hier).
Kai Pachan sei dieses Problem auch in den anderen Ortsteilen vorgestellt worden. Er sagte: „Der Bürgerbus ist ein Verein und hat eine begrenzte Anzahl an Fahrern. Da können wir nicht einfach etwas verordnen. Auch bei den anderen Linien gibt es immer eine Diskrepanz zwischen dem, was man fahren möchte und was gefahren wird. Wir können ergänzende Angebote schaffen.“
Als einen möglichen Lösungsansatz machte er auf virtuelle Haltestellen aufmerksam. Per Smartphone wird dabei der Abholort und das Ziel angegeben. Ein Bus fährt eine optimierte Route für alle Fahrgäste ab. Auf den Einwand, dass man hiermit ältere Menschen in Jülich auslasse, sagte Pachan, dass man dieses Angebot zusätzlich schaffen und dann nutzen könnte. Für Senioren falle der Bus nicht weg, da die alte Haltestelle erhalten bleibe.
Per Drahtesel pendeln
„Wir haben einen starken Zuwachs von Menschen, die das Pedelec nutzen. Die Stadt sieht das gerne und möchte das fördern“, sagte Thomas Rödel von BVS Rödel & Pachan. Nicht nur, weil es besser für die Umwelt ist. Das Fahrrad oder das Pedelec nehmen auf den Straßen weniger oder gar keinen Platz weg. Denn während die Parkplätze immer knapper würden, könne man das Zweirad eigentlich immer auf dem eigenen Grundstück abstellen. „Wir streben ein Konzept an, das die Nutzung des Fahrrades erweitert und mit Leichtigkeit eine durchgängige Verbindung schafft.“
Folgt man den den Aussagen der Bourheimer und Kirchberger, ist das noch ein weiter Weg. Schlammige Routen über die Kleingartenanlage, Buckelpisten und die Konkurrenz zu den Fußgängern und Autofahrern wurden beschrieben. Außerdem gäbe es einige Gefahrenstellen. So beispielsweise am Orteingang Kirchberg, wo der Radschnellweg die Straße kreuzt und wo sich schon einige Male Rad- und Autofahrer nur um Haaresbreite verfehlt haben sollen. Ein Besucher der Informationsveranstaltung beichtete Verstöße, da er sich nicht anders zu helfen wisse, als mit dem Rad über die Fußgängerbrücke zu fahren. In Richtung Schophoven hingegen beginne, so der Konsens „das Paradies“ für Radfahrer. Auch dies werde man in das Konzept berücksichtigen, so Thomas Rödel.
Ergebnisse sind absehbar
Im ersten Quartal des neuen Jahres werde man nach der Bürgerbefragung und den Ortsterminen mit dem Mobilitätskonzept an die Bürger herantreten, teilte die Mobilitätsbeauftragte der Stadt Jülich, Claudia Tonic-Cober, mit. Auch hier werde der Bürger wieder miteinbezogen.