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Weichen stellen für Klimaneutralität

Deutschland soll bis 2050 weitgehend treibhausgasneutral sein. Um dieses Ziel zu erreichen, muss das Energiesystem in allen Bereichen – Energiesektor, Gebäude, Industrie, Verkehr – umfassend umgebaut werden. Wie dieses Jahrhundertprojekt effizient und wirtschaftlich vorteilhaft gestaltet werden kann, zeigt eine neue Studie des Forschungszentrums Jülich, die heute in Berlin vorgestellt wurde. Sie beruht auf detaillierten Berechnungen mithilfe einer ganzen Familie von neu entwickelten Computermodellen.

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Windenergie | Foto: HZG
Windenergie | Foto: HZG
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Die Studie „Kosteneffiziente und klimagerechte Transformationsstrategien für das deutsche Energiesystem bis zum Jahr 2050“ zeichnet ein detailreiches Bild eines nahezu klimaneutralen Deutschland im Jahr 2050: Windkraft- und Photovoltaikanlagen produzieren fast das Sechsfache der heutigen Strommenge. Wasserstoff ist mit einem Verbrauch von 12 Millionen Tonnen pro Jahr ein bedeutender Energieträger; Wärmepumpen sind zur wichtigsten Heizungstechnik aufgestiegen. Weitere wichtige Einzelheiten: Unterirdische Wasserstoffspeicher stellen die Energieversorgung auch bei einer tagelangen Dunkelflaute sicher; Strom spielt eine zentrale Rolle in allen Sektoren; Biomasse und Biogas decken ein Viertel des deutschen Energiebedarfs.

Frühzeitige Weichenstellung erforderlich
Noch hat sich Deutschland nicht eindeutig auf eine 95-prozentige Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2050 festgelegt, sondern auf einen Zielkorridor zwischen 80-prozentiger und 95-prozentiger Minderung. Daher haben die Jülicher Energiesystemanalytiker nicht nur die 95-Prozent-Variante betrachtet. Sie berechneten auch, wie das deutsche Energiesystem möglichst kostengünstig auf das weniger ambitionierte 80-Prozent-Ziel hin optimiert werden kann. Ergebnis: Maßnahmen, die sich für das Erreichen eines 80-Prozent-Ziels als notwendig erweisen, sind nicht zwingend Bestandteil einer Reduktionsstrategie, die zu einer 95 Prozent Minderung führt. In Einzelfällen können sie sogar kontraproduktiv sein.

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„Wir müssen daher bereits früh die Weichen stellen – auch, um nicht später in teurere Transformationspfade wechseln zu müssen“, sagt der Leiter der Studie, Dr. Martin Robinius vom Jülicher Institut für Techno-ökonomische Systemanalyse. So lässt sich etwa der notwendige Ausbau von Windkraft und Photovoltaik für das 95-Prozent-Ziel kaum realisieren, wenn er nicht bereits von heute an entsprechend intensiv vorangetrieben wird. „Da letztlich nur das 95-Prozent-Ziel annähernd Klimaneutralität bedeutet, empfehlen wir, alle kurz- bis mittelfristig anstehenden Maßnahmen zur Treibhausgasreduzierung bereits heute auf dieses Ziel hin auszurichten“, sagt Prof. Detlef Stolten, Direktor des Instituts für Techno-ökonomische Systemanalyse.

Erneuerbare und Energieeffizienz: Schlüssel für die Energiewende
Die Studie zeigt für das 80-Prozent- wie für das 95-Prozent-Szenario zwei klare Abschnitte auf dem Weg ins Jahr 2050: Für eine möglichst kostengünstige Energiewende sollten ab sofort bis 2035 vor allem neue Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen gebaut und zugleich die Energieeffizienz in allen Verbrauchssektoren bis 2035 massiv gesteigert werden. Danach gilt es, bis 2050 rasch und entschlossen alle noch auf fossilen Energieträgern basierenden Technologien in den Sektoren Industrie, Verkehr und Gebäude zu elektrifizieren oder auf den Einsatz von Bioenergie umzustellen.

Grafik: Forschungszentrum

Energiewende verringert die Abhängigkeit von Energieimporten
Die Maßnahmen der Energiewende werden zu einer deutlichen Verringerung von Energieimporten führen: ein weiterer wichtiger Aspekt, den die Studie aufzeigt. Ganz ohne Energieimporte wird man auch zukünftig nicht auskommen. Dies werden regenerative Energieträger wie z.B. synthetische Kraftstoffe oder Wasserstoff sein. Verglichen mit den heutigen Energieimporten liegen die zukünftigen Importe jedoch deutlich niedriger.

Jährliche Umbaukosten in Höhe heutiger Energieimport-Kosten
Nach den Berechnungen der Jülicher Wissenschaftler betragen die Mehrkosten des Umbaus für das 80-Prozent-Ziel im Jahr 2050 etwa 1,1 Prozent des dann erwarteten Bruttoinlandsprodukts. Bei dem ambitionierten Ziel einer 95-Prozent-Reduktion liegt der Kostenanteil bei 2,8 Prozent. In der Größenordnung entsprechen die jährlichen Mehrkosten den derzeitigen Aufwendungen für Energieimporte, die 2018 etwa 1,9% des Bruttoinlandsprodukts betrugen. „Die Energiewende ist mit nennenswerten Investitionen verbunden. Allerdings sind die Transformationskosten planbar und überschaubar, während nachträgliche Anpassungskosten an den Klimawandel unsicher sind und um ein Vielfaches höher sein dürften“, kommentiert Robinius.

Anlässlich der Vorstellung der Studie erklärte Thomas Rachel, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, MdB: „Beim Klimaschutz müssen wir auch darauf achten, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen und sie von unseren Erkenntnissen zu überzeugen. Die Jülicher Studie zeigt uns, wie sich unsere Industriegesellschaft nachhaltig umbauen lässt – und das im Einklang von Klimaschutz und Kosteneffizienz. Dieses Wissen trägt erheblich dazu bei, dass wir unsere wichtigen selbst gesteckten Klimaziele erreichen können.“

Einzigartige Modellfamilie
Die neuartige Familie von Computermodellen, auf der die Studie basiert, bildet die gesamte deutsche Energieversorgung über alle Verbrauchssektoren hinweg ab, von der Energiequelle über alle denkbaren Pfade bis zur letztlich genutzten Energie – und zwar samt den Kosten. Dabei haben die Modelle eine außergewöhnlich große zeitliche und räumliche Detailtiefe. Beispielsweise kann eines der Modelle für ganz Europa analysieren und vorhersagen, wieviel erneuerbare Energie verfügbar ist – für jede Stunde und für jeden Längen- und Breitengrad.


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