In der Ferne kann man aus dieser Höhe die Kirchtürme der Propstei- und Christuskirche entdecken. Aber auch etwas anderes ist augenfällig, wenn man aus dem Jülicher Solarturm hinausschaut: Ein riesiges Solar-Feld, das vor ihm aufgebaut ist. Während man am Boden bequem unter ihnen hindurchgehen kann, so scheinen die Panele von dort aus sehr klein zu sein.
Dass zwischendurch auch Schafe unter ihnen hergeführt werden tut der Wichtigkeit der Panele und der zugehörigen Institution keinen Abbruch. Der Solarturm ist nicht nur ein Kraftwerk, sondern hat auch eine Forschungsebene, erklärte der Abteilungsleiter für Solare Kraftwerkstechnologie Kai Wieghardt bei einer Führung, die im Rahmen der Sommertour von Landrat Wolfgang Spelthahn stattfand. Der benachbarte „Multifunktionsturm“ hat sogar drei Forschungsebenen. Da zeigt sich die Bedeutung der Türme: Zwar wird zu wenig Strom produziert um wirtschaftlich arbeiten zu können, aber die Forschungsebenen seien bis in die Jahre 2023 und 2024 besetzt. Partner aus dem In- und Ausland arbeiten dort. Das betrifft Forschende wie auch Technik- und Verwaltungskräfte – die Faustformel lautet: Ein Mensch aus der Wissenschaft schafft eineinhalb neue Arbeitsplätze. Und so ist es auch hier: Lediglich etwa 50 % der Kräfte sind wissenschaftlich.
Der Solarturm war seit seiner Errichtung 2009 eine Art Leuchtturm-Projekt, er ist der „Nucleus für die Entwicklung Jülichs“, wie es Wolfgang Spelthahn formulierte. Inzwischen wird an Stromgewinnung durch Licht, sowie an der Speicherung der Energie, Wasserentsalzung und vielfältigen anderen Möglichkeiten geforscht, er wird von vielen Start-Ups und für Demonstrationszwecke genutzt. Hier wird Licht zu konzentrierter Wärme, die auf zwei Arten gespeichert oder umgewandelt werden kann. Das Institut habe weltweit wenig „Konkurrenz“, so Kai Wieghardt, lediglich zwei Institute in den USA, eines in Israel und eines in Australien seien vergleichbar. Nur aufgrund seines Baus wurden Projekte wie der Brainergy Park oder Synlight in Jülich ermöglicht, sagte Bürgermeister Axel Fuchs.
Synlight, das ist die größte künstliche Sonne der Welt. Alle 30 anderen Anlagen zusammen sind insgesamt nicht so groß wie die in Jülich. Hier wird aus Strom Licht gemacht, das für Experimente zur Prozesserforschung genutzt wird – eine Macht, mit der fünf Zentimeter dicker Stahl innerhalb von drei Minuten vollständig durchbohrt werden kann. Dafür sorgen 149 Kinolampen, die in ellipsenförmigen reflektierenden Trichtern sitzen. Kinolampen leuchten mit einem sonnenähnlichen Licht, um die Farbtemperatur der Filme entsprechend wiedergeben zu können. Damit besteht die Anlage quasi aus 149 kleinen Sonnen, ein Werk des Bauherren Technologiezentrum Jülich TZJ, das 2017 eröffnet wurde. Synlight ist weltweit einzigartig, die Nachfrage groß. Die drei Versuchskammern, primär um Wasserspaltung und Wasserstofferzeugung ohne Wettereinfluss testen zu können, werden etwa von der internationalen Industrie gebucht und sind ein Magnet für Solarforscher.
Auch Synhelion, die 2023 mit einem neuen Gebäude zum Brainergy Park ziehen wollen, haben mit Synlight angefangen. Die Schweizer Firma, der es erst vor kurzem gelungen ist zum ersten Mal erfolgreich ein Verfahren zu testen um in größerem Maße Synthesegas aus Sonnenenergie zu gewinnen, testete zunächst ein Bauteil mithilfe der künstlichen Sonne, ehe sie in Jülich weiter an ihrem Verfahren forschen konnte. Dort befindet sich nämlich neben dem Institut für Solarforschung auch dasjenige für „Future Fuels“. Das Demonstrationskraftwerk am Brainergy Park soll in Zukunft als Pilotanlage zeigen, wie sie aus ihrem Synthesegas „Solar Fuels“, also „solare“ Flüssigkraftstoffe, für den Flugverkehr erzeugen, die sie dann an anderen Orten im großen Stil schaffen möchten – so Patrick Hilger, Geschäftsführer von Synhelion Germany. Deutschland habe für die großflächige Umsetzung zu wenige Sonnenstunden und klaren Himmel. Der Preis für den Kraftstoff soll dann in ein paar Jahren niedriger sein als der von Erdöl-Kerosin. Um das zu schaffen wird das Projekt in Jülich gebraucht, um auf größere Investoren zugehen zu können und ihnen zu zeigen, wie und dass das System funktioniert.