Start Stadtteile Barmen Auf Draht – Lernen in Zeiten von Corona (5):

Auf Draht – Lernen in Zeiten von Corona (5):

So sollte es sein am und im Science College Haus Overbach: Jugendliche, die gemeinsam experimentieren, sich ausprobieren, Entdecker sind. Das ist das Markenzeichen des Hauses in Barmen. Seit dem Shutdown im März ist das Gebäude verwaist. Andreas Schreib, Geschäftsführer an Haus Overbach, spricht von 1200 Teilnehmern, denen abgesagt werden musste, und von einem Verlust in sechsstelliger Höhe im Jahr 2020.

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Foto: Archiv / PuKBSuS
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Philipp Muelheims setzt Kreativität gegen die Auszeit des außerschulischen Bildungsortes. Schon in den Osterferien, in denen traditionell das Frühjahrs-Symposium stattfindet, ist die Veranstaltung „ins Netz gegangen”. Augenzwinkernder Titel des Angebots: „Wissenslücke”. Wichtigste Eckpunkte des Konzepts: Kein Stream, kein Video, sondern Interaktion. Eine Stunde lang stand die Lehre im Vordergrund. Als Bonus erhielten die Teilnehmer noch Material, mit dem sie und ihre Familien für sich weiterforschen könnten. Das Ziel formuliert Schreib so: „Ein bisschen sinnvoll gemeinsame Familienzeit gestalten und Impulse liefern, die Brücke zu dem Ort, den man schon kennt, aufrecht zu erhalten.”

Dieses Konzept wird fortgesetzt und ausgebaut, damit es auch über den Virus hinaus wirken kann. Dafür ist nicht nur reichlich „Gehirnschmalz” investiert worden, wie Schreib versichert, sondern auch in Infrastruktur: Ein kleines Digitalstudio wurde mit Unterstützung eines ehemaligen „Overbachers” installiert – auf eigene Kosten. Denn es werden zwar Referenten auf Antrag finanziert, nicht aber die technische Ausstattung, nicht die Vorbereitungen oder das Skript für das „Webinar”. In die Hand spielt dem Science College, dass just im Mai die Glasfaseranbindung in Barmen angekommen ist, so dass auch hochqualitativ Streaming anbieten kann.

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Über die zu nutzende Plattform ist noch nicht entschieden, aber Philipp Muehlheims: „Das Entertainment ist dem Edutainment weit voraus.” Mehrere Vorteile ergeben sich: Die Tools sind frei verfügbar und nutzbar, erprobt und bewährt in der Interaktion. Teilnehmer können eingebunden werden, Fragen stellen und sich zur Gruppenarbeit in Kleinchatrooms „zurückziehen”. „Das Symposium hat immer davon gelebt, dass die Teilnehmer sich in Kleingruppen mit Experten über drei Tage hinweg mit einer Fragestellung auseinandergesetzt haben. Diesen besonderen Aspekt wollen wir natürlich erhalten.” Statt der Abschlusspräsentation vor Publikum soll das Ergebnis der Erkenntnisse in einem Film präsentiert werden. „Es geht nicht darum, sich selbst zu filmen, sondern über Animationstools, die es als Apps für Handys gibt, und Schnittbilder etwas zu entwickeln”, schildert Muelheims das Verfahren.

Keine Bedenken haben die Macher des Science College, dass die Teilnehmer diesen Weg unproblematisch mitgehen können. Anders sieht es bei den Referenten aus, die nicht in der digitalen Welt aufgewachsen sind. Für die Jugendlichen über drei Tage lang Spannung nur via Bildschirm zu erzeugen und zu halten ist eine ganz andere Aufgabe, als durch Präsenz und persönliche Ansprache zu überzeugen. Diese Form der Qualifizierung hat das „IHP“ übernommen, das im Haus Overbach Dauergast ist. Titel: „Die Kamera, mein Freunde.“ Vermittelt wird, wie mit der Kamera umzugehen ist, welche Gestiken und Bewegungen förderlich oder hinderlich sind; Grundsatzfragen eben.

Zukunftsthema: Bakteriellen Energiespeicherung und -erzeugung in Algenfarmen. Foto: Dorothée Schenk
Geplant wird derzeit am Herbst-Symposium, wobei noch unklar ist, ob es beim Titel bleibt. Schließlich soll keiner Sinn- und Inhaltsverzerrung Vorschub geleistet werden. Klar ist, es soll um das Thema „Strom – Unverzichtbar für alle Zukunft“ gehen. Die Spannbreite reicht von Wasserstoff über Photovoltaic, fossile Brennstoffe bis zur bakteriellen Energiespeicherung und -erzeugung in Algenfarmen. „Die Dozenten sind angefragt, nur die Didaktik ins Digitale zu übersetzen – da müssen wir etwas völlig Neues erfinden“, erläutert Andreas Schreib den Status quo. Wie in den Vorjahren soll es Workshops geben und auch öffentlich zugängliche Vorträge – halt alles via Netz. Damit alles reibungslos ablaufen kann und es auch keine Verzögerung in Organisation und Datenleitung gibt, sollen die Dozenten vom Science College aus streamen.

Förderungen sind schon beantragt, denn, wie Philipp Muelheims in einem Nebensatz durchaus kritisch anmerkt: „Am 27. März ist eine Pressmitteilung herausgekommen, in der gesagt wird, dass die Kultur- und Bildungseinrichtungen nicht vergessen werden, und das auch für sie einen Topf geben muss. Aber da ist leider noch nichts passiert.“

Ein zweites Projekt, das in Planung ist, aber zwingend eine körperliche Anwesenheit von Dozenten wie Teilnehmenden erfordern würde, ist eine Veranstaltung zur Berufsorientierung. „Wir wollen Energieregion werden und darum Zukunftsberufe vorstellen“, erläutert Andreas Schreib das Konzept. Es gehe um „Berufe, die den Jugendliche und den Eltern nichts sagen, weil sie aus einer Zeit kommen, als es sie noch gar nicht gab.“ Zielgruppe sind die Jugendliche, die Abschlüsse an Sekundarschulen und Gesamtschulen absolvieren möchten. Der Unterschied zu herkömmlichen Ausbildungs- und Berufsbörsen soll darin liegen, dass die Praxis im Vordergrund steht. „Viele wissen, nicht, ob sie für einen Beruf begabt sind“, sagt Muelheims. In Workshops sollen sie sich ausprobieren und im Idealfall hinterher wissen, „was macht ein labortechnischer und biologischer Assistent im Labor, was ist in IT Berufen in einem Energieunternehmen.“ Damit nicht genug: Bei der konzeptionierten Zweitages-Veranstaltung sollen auch „Soft Skills“ trainiert werden. Muelheims weiß „was vielen Schülern fehlt: Wie präsentiere ich, wie trete ich sicher auf, wie kann ich mich rhetorisch ausdrücken“. Hierzu sind praktische Übung vorgesehen, deren Höhepunkt ein Speeddating mit einem Firmenchef sein soll. „Das ist ein Gesamtpaket, dass es nicht auf einer Berufsinformationsmesse gibt“, sind die Initiatoren überzeugt. Ob dieses Angebot schon wie geplant im Herbst stattfinden kann, das steht allerdings nach derzeitigem Ausnahmezustand noch in den Sternen.

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