Die Gründung unseres Vereins entstammt vermutlich dem Zeitgeist der Romantik bzw. des Biedermeiers. Das Bürgertum erwachte und die Geselligkeit wuchs – so auch in Stetternich. Fünfzehn Männer gründeten am ersten Sonntag des Monats März 1880 in Stetternich die Gesellschaft Frohsinn zunächst als Gesangsverein. Aber spätestens ab dem Jahr 1882 wurde unser Verein um eine Laienspielgruppe bereichert. Es war eine Zeit, als Frauenrollen noch von jungen Männern gespielt wurden. Dies änderte sich spätestens ab dem Jahr 1902. Ab dann war klar, was das Erfolgsrezept des Vereins ist: Theater und Gesang. Ob einzeln oder zusammen, wichtig ist die Gemeinschaft.
Der Verein
Im 20. Jahrhundert kam das Vereinsleben durch die beiden Weltkriege mehrmals zum Erliegen. Trotzdem oder gerade wegen der trostlosen Nachkriegsphasen fanden sich immer wieder Mitglieder, die das Vereinsleben wieder aufnahmen. Insbesondere in den „Goldenen Fünfzigern“ erwuchs aus der allgemeinen Aufbruchsstimmung eine rege Vereinstätigkeit, bis dieser Schwung 1971 zum Erliegen kam. Ab dann ruhte der Verein auf den „kommissarischen“ Schultern von Mathias Goder, dem späteren Ehrenvorsitzenden. Ihm ist es im Wesentlichen zu verdanken, dass wir nun 2015 unser 135-jähriges Bestehen feiern können. Ihm gelang es 1991 unter tätiger Mithilfe von Willy Kieven und Peter Knabel, ehemalige Mitglieder und „Neu-Stetternicher“ zusammenzuführen, um ab 1992 gemeinsam Lieder- und Theaterabende aufzuführen, und unseren Verein so wiederzubeleben. Dieser Neustart war anfangs geprägt durch eine provisorische Holzbühne und ein schlichtes Bühnenbild, aber auch durch ein hohes Maß an Gemeinschaftsgefühl.
Der Gesang
Von 1992 bis 2005 leitete Heinz-Peter Schiffer unseren Männerchor, der vorrangig klassische Chorbeiträge vortrug. Besonders stolz sind wir auf die Zelterplakette, die uns vom Bundespräsidenten Johannes Rau 2002 für mehr als 100-jähriges aktives Wirken um die Pflege der Chormusik verliehen wurde. 1998 entstand bei einigen jungen Sängern der Wunsch, das Repertoire zu erweitern, und es wurde das A-Capella-Ensemble Les Chapeaux Claque unter Leitung von Inge Duwe gegründet. Bis 2010 wurde in wechselnder Besetzung und Leitung gesungen. Ab 2011 bestreiten vier wohltönende Frauenstimmen unter Leitung von Inge Duwe – bekannt als Tonalita – den Gesangsteil unserer Veranstaltungen. Seit 2014 hat Inge Duwe auch wieder einen Männerchor zusammengestellt, der erstmals bei den Aufführungen von Macheath im März 2014 im Kulturbahnhof Jülich (KuBa) stimmlich zu hören war. Bei den Lieder- und Theaterabenden 2014 ist dann das bis dahin „Unvorstellbare“ passiert: Männer und Frauen sangen gemeinsam. Schön war’s.
Das Theater
In den frühen 1990er Jahren wurden von unserem Erwachsenentheater vorrangig Einakter gespielt. Als Uli Dedek 1996 die Regie übernahm, begann die Ära der „langen“ Theaterstücke. 1999 brachte er bei Currywurst und Pommes über sechzig Schauspieler auf die Bühne, der älteste war damals 76 Jahre, die jüngste gerade 12. Für Zuschauer und Schauspieler war das so genannte Streichquartett (Kammer-Musik machen?) am nachhaltigsten, denn da flogen 1998 die zerfetzen Noten und lustigen Dialogen in schneller Folge und hohem Bogen ins Publikum. Man muss dazu wissen, dass das „Anpassen“ von Drehbüchern und (un)freiwilliges Improvisieren auf der Bühne von uns inzwischen gut gelebte Traditionen sind. Wenn einem Schauspieler der richtige Text nicht einfällt, dann ist das nicht schlimm, denn das Publikum kennt den ja nicht, nur der Mitspieler, der auf sein Stichwort wartet, wartet dann vergebens und ist ebenfalls gefordert, sein Können unter Beweis zu stellen. Das bringt dann auch die beste Souffleuse ins Schwitzen, denn die sucht vergeblich den gesprochenen Text. Eine besondere Herausforderung ist es, wenn im Dialog die passende Frage nicht gestellt wird. Da heißt es flexibel sein. So passiert im Streichquartett: „Viel interessanter wäre es doch zu wissen, wie es meiner kranken Tante geht.“. Und was macht man, wenn man allein auf der Bühne ist und der nächste Mitspieler nicht kommt? Hilfe rufen! „Wo bleiben denn die Meyers. Ich bin hier alleine.“. Das Salz in der Suppe sind die Requisiten. Aber was tut man, wenn die fehlen? Antwort: Man zieht die Pause vor. So geschehen bei Zum Teufel mit der Vollwertkost, als der ach so wichtige Kaffee fehlte und erst aufgebrüht werden musste. Ein Höchstmaß an Spontanität zeigte Kläre Durst, als der erwartete Schuss nicht fiel. Ihr beherztes „Peng“ löste die Situation, Claus Maas fiel um und war „tot“. Das ist lebendiges Schauspiel! Unser Stolz ist das Junge Theater. 1997 wurde mit dem Klassiker “Die Welle“ gestartet. Seitdem konnte Brigitte Pietzsch-Köhne immer wieder junge Schauspieler für sozialkritische Stücke begeistern, die oftmals selbst erarbeitet werden. 1999 wurde mit „Einer flog über’s Kuckucksnest“ ein spannendes und ergreifendes Stück im KuBa und im KOMM Düren aufgeführt. Ob mit „Romeo & Julia“ (2009) oder „Icecold in the Fjutschä“ (2011) oder wie in diesem Jahr mit „Die Bundeskanzlerin“: Immer ist der Spaß der jungen Schauspieler auf der Bühne zu spüren. So kann die Begeisterung leicht zum Publikum überspringen, denn darum geht’s!
In diesem Jahr besteht die Gesellschaft Frohsinn Stetternich 1880 e.V. 135 Jahre. Das haben wir am 19. April 2015 mit einem Vereinsfest unter dem Motto „Frühstück mit Frohsinn“ in der Bürgerhalle Stetternich gefeiert. Neu ist, dass wir unsere geliebte Bühne in Stetternich verlassen werden und künftig unsere Lieder- und Theaterabende nur noch im KuBa Jülich durchführen. Freuen Sie sich schon jetzt auf die Komödie Einmal Bali und zurück, die wir am 9., 10. und 11. Oktober 2015 mit musikalischer Bereicherung im KuBa aufführen werden. Für das leibliche Wohl sorgt wie gewohnt Ursula Detemple mit ihrem „Catering-Team“. Denn es gilt: Theaterspielen und singen verbinden Generationen – auf, vor und hinter der Bühne.
Wolfgang Schulz