Die Nervosität war dem Vorsitzenden des SC Jülich 1910/97 zu Beginn der ersten Jahreshauptversammlung nach vier Jahren anzumerken. Zu viel Unruhe gab es in den vergangenen Monaten um den Verein, zuletzt in den Sozialen Medien. Ziemlich schnell wurde aber klar, dass es mehr ein Sturm im Wasserglas war. Ein etwaiges Gewitter oder ein Palastrevolution blieben aus. Kritiker meldeten sich nicht zu Wort. Im Gegenteil: In großer Einigkeit und Harmonie sowie im Verlauf der Sitzung mit wachsenden Emotionen war es fast schon eine Feststimmung, die herrschte.
Satzungsgemäß per „Zeitungsannonce“ seien die Mitglieder zur Sitzung eingeladen worden, führte Michael Lingnau ein. Über 50 waren dieser Einladungen gefolgt. Rückenwind gaben dem vortragenden Vorstand sicher die Vielzahl an Spielern, die nach pandemiekonformen Eingangskontrollen ins Rathaus gekommen waren. Als Unterstützung und sicher auch Solidaritätsbekundung für die Spielergemeinschaft Rurland waren die Neumitglieder, der Ex-Nationalspieler Darius Wosz, Karl-Heinz Dahmen als Vorsitzender des Hoengener Sportverein 1916 e.V., und Sezayi Colak vom SV Aldenhoven / Pattern 09 e.V. gekommen. Wegen eines Trauerfalls entschuldigt war Volker Gerkens vom SV Jülich 1912.
Rückblickend, so dokumentierte Vorsitzender Lingnau, waren die coronabedingten Abbrüche der Meisterschaften 2019 und 2020 ein Glück für die Zehner. Sie verhinderten trotz eher unglücklicher Bilanz den Klassenabstieg. Sicher bemerkenswert ist, dass die Tradition der Sommer-Fußballcamps stattfinden konnte. Hier konnten glücklicherweise unter Vorlage eines Hygienekonzeptes in beiden Jahren die „Fenster“ genutzt werden, in denen ein solches Angebot möglich war.
Ein besonderer Dank galt Peter Kosprd, Initiator und Motor des Camps, der mit diesem – dem 20. Camp – seinen Abschied nahm und auch nicht mehr für einen Vorstandsposten zur Verfügung stand. Eigens für ihr „Urgestein“ hatten die Zehner eine Trophäe gestalten lassen, die einem sichtlich gerührten Geehrten übergeben wurde. „Wir möchten uns verneigen vor Deinem fußballerischen Lebenswerk“, formulierte es Michael Lingnau und betonte, dass sich der Vorstand wünscht, dass Kosprd „als Berater, Freund und Zehner“ in seiner konstruktiv kritischen Art erhalten bleibe.
Aussetzen mussten die Zehner ihren Königscamp-Cup im Januar, der aber für 2022 bereits wieder in Planung ist. Mit einigem Stolz verkündete der Vorsitzende, dass den Zehnern die Ausrichtung des Ü60 Turniers des Fußballkreises Mittelrhein übertragen worden ist, das bislang zentral in Bad Hennef stattgefunden hat. Geplant ist es für den 2. April 2022. Das allerdings bedingt, dass dann die heimische Anlage wieder nutzbar ist. Denn nach Corona kam im Juli das Hochwasser hinzu, das im Karl-Knipprath-Stadion nach Aussage von Michael Lingnau 1,60 Meter hoch gestanden hat. Die Folge ist, dass die Immobilien angeschlagen und eventuell sogar angezählt sind. Genaues wird derzeit ermittelt.
Natürlich waren im Rechenschaftsbericht der vergangenen vier Jahre die wachsende Fusion in Spielergemeinschaften – zunächst mit den Zwölfern und nachfolgend mit dem Aldenhovener und Hoengener Verein – Thema. In einer leidenschaftlichen Ansprache setzte sich Bürgermeister Axel Fuchs, der selbst bekennender Zehner war, für die Akzeptanz dieser kritisch betrachteten Maßnahme ein. „Wir sollten mutig sein. Wir sollten mal neue Wege gehen“, forderte Fuchs und kritisierte, dass bereits im Vorfeld eine gute Idee kritisiert und zerredet werde. „Das hat eine gewisse Tradition in dieser Stadt.“ Auffallend sei, dass in der Frage des Wandels in Aldenhoven und Hoengen vor allem die Freude vorherrschend sein, nicht das Nörgeln. „Wir haben hier heute eine Topchance, ein Zeichen zu setzen.“ Gleichzeitig forderte er die anwesenden Mitglieder auf, auch mal ein stückweit dankbar für das Engagement von Michael Lingnau und Claus Nürnberg zu sein und deren Bereitschaft, einen maroden Verein zu retten und sich dafür seit 13 Jahren einzusetzen. Seine Aufforderung: „Schenken Sie diesem Team Ihr Vertrauen!“
„Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache“, hatte Axel Fuchs in seiner Impulsansprache formuliert und damit den Kassenbericht von Claus Nürnberg gemeint. Dieser legte nicht nur die nackten Zahlen und Positivbilanz vor, wonach der Verein mit einem Plus für das Jahr 2020 abgeschlossen hat, sondern stellte auch die Zusammenhänge her. Das Vorjahr verzeichnete ein Minus, das mit der Finanzierung einer neuen ersten Mannschaft belastet war, da der Trainer den Verein verlassen hatte und auch Spieler „mitnahm“. „Wir hatten einen Aderlass bis hin in die sportliche Leitung hinein und mussten uns völlig neu aufstellen. Das kostet Geld“, erläuterte der Ökonom. Durch die Spielergemeinschaft mit den Zwölfern halbierten sich Kosten und so erklärt sich auch, dass die Verluste eingedämmt werden und unter dem Strich ein positives Ergebnis stehen konnte. Jetzt, auch darauf wies Nürnberg hin, würden die Kosten in der neuen Spielergemeinschaft durch vier geteilt. Angesichts der Kosten und der Problematik, Spieler und Ehrenamtliche auf den Platz zu bringen, sei die SG Rurland darum positiv zu bewerten. „Meine tiefe und feste Überzeugung ist es: Wenn wir das nicht gemacht hätten dann säßen wir heute auch hier aber ohne Spielbetrieb.“
Nachdem die Kassenprüfer Helmut Lohn und Wilfried Rhein die ordnungsgemäße Buchführung bestätigt und die Entlastung beantragt hatten, war eine Stunde und 50 Minuten nach Sitzungsbeginn der Weg frei für die Wahlen. Diese verliefen zügig und per Akklamation. Das vom alten Vorstand zusammengestellte Team erfuhr eine uneingeschränkte Zustimmung.
Alter und neuer Vorsitzender ist Michael Lingnau, der mit einer Gegenstimme gewählt wurde. Alle übrigen im Vorstandsteam wurden einstimmig gewählt. Claus Nürnberg (2. Vorsitzender), Tomislav „Tommy“ Matijas (stellv. Vorsitzender), René Everhartz (1. Geschäftsführer), Franz-Walter Schmitz (stellv. Geschäftsführer), Sabine Meyen (Schatzmeisterin) Volker Gerkens (stellv. Schatzmeister). In den Beirat gewählt wurden Marc Wollerich, Marc van Stick, Michael Meyen, Monika Mangels, Murat Tosun und Eddi Drax. Dietmar Mangels ist als Jugendleiter geborenes Mitglied.
Abschließend stellte Sezayi Colak, 2. Vorsitzenden des SV Aldenhoven/Pattern 09, die Zukunftsperspektive der SG Rurland als Gründung zum „1. FC JAH Rurland“ vor. Den Vereinsnamen hatte Axel Fuchs vorgeschlagen. Damit würden die Spielstätten Jülich, Aldenhoven und Hoengen benannt und gleichzeitig die lautmalerische Zustimmung zum neu zu gründenden Verein gezeigt.