Bei einem Urlaub in Italien stieß ich vor Jahren auf eine kleine Postkarte: Ein Elternpaar versteckt sich angstvoll im heimischen Wohnzimmer hinter dem Sofa. Der Grund ihrer Furcht steht mitten im Raum: Ein Baby in einer Wiege! Darunter der Text: „Es ist kein Außerirdischer!“
Jahre später erinnerte ich mich an dieses Bild, denn ich war jetzt in der gleichen Situation. Es war ein seltsam magischer Moment in meinem Leben: Man hatte sich in den vielen Monaten unbändig auf das Kind gefreut, dem Tag der Geburt entgegen gefiebert. Dann kam man nach wenigen Tagen im Krankenhaus nach Hause, mit diesem kleinen süßen Bündel im Arm und mit der gleichen Frage, die sich oben beschriebene Eltern auch stellten: „Und was nun?“ Es folgten Wochen und Monate, in denen Telefonate mit Freundinnen, die glücklicherweise gerade auch in der gleichen „prekären“ Situation standen, mein Überleben sicherten. Teure Elternratgeber wurden angeschafft und mühevoll „durchgeackert“. In meinem Kopf wirbelten Empfehlungen und Meinungen hemmungslos durcheinander, aber die erhoffte Hilfe blieb aus, denn nach all den dicken Büchern hatte ich jetzt noch mehr Angst, etwas falsch zu machen. Mir blieb nichts anderes übrig, als auf mein Bauchgefühl zu hören.
Doch nicht nur das beklemmende Gefühl, als Mutter gnadenlos zu versagen, trieb mich um, sondern auch die Unübersichtlichkeit an notwendigen Behördengängen nach einer Geburt: Im Internet suchte ich damals z.B. vergebens nach der richtigen Anlaufstelle der Familienkasse und ich erinnere mich noch gut an längere Telefonate, bis ich wusste, was ich zu tun hatte, etwa wegen Kindergeld, Mutterschutz oder Krankenversicherung. Alles in allem waren es anstrengende Wochen und Monate und ich werde dieses damalige Gefühl einer gewissen Ohnmacht und Hilfslosigkeit nicht vergessen. Um alle zu beruhigen: Das Kind hat überlebt, es geht ihm gut und es ist schon recht groß. Letzteres bedauerte ich allerdings sehr, als ich vor etwa einem Jahr den „Willkommen im Leben“-Babybegrüßungsdienst des Kreises Düren kennenlernte und meinen Augen und Ohren nicht traute: Kind-erprobte Mamas und Omas besuchen ehrenamtlich Familien mit frisch geborenen Babies und überreichen eine Begrüßungstasche, die es in sich hat. Beim Betrachten des „Willkommen im Leben“-Ordners der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit den sorgfältig und übersichtlich aufbereiteten Informationen, den kleinen Präsenten und Gutscheinen geriet ich nahezu ins Schwärmen: „Hätte ich doch damals diese Unterlagen gehabt, dann wäre manches einfacher verlaufen und ich hätte mir weniger Sorgen machen müssen.“
Ich staunte über einen Ordner, der in klarer Sprache über alle wichtigen Formalitäten nach der Geburt eines Kindes im Behörden-Dschungel informiert und das Dickicht lüftet, Infos über jegliche wirtschaftliche Hilfen bereithält – auch für Alleinerziehende, der wichtige Untersuchungen beim Kinderarzt anspricht, Möglichkeiten der Kindesbetreuung zusammenstellt, das erste Entwicklungsjahr des Kindes liebevoll und mit vielen Tipps beleuchtet – auch in Form einer DVD und vieles mehr. Und das Wichtigste daran: Alle Themen sind regionsbezogen, d.h. bei allen Informations-, Hilfs- und Beratungsangeboten sind die regionalen Ansprechpartner aufgeführt – mit direkter Telefondurchwahl! So finde ich z.B. ohne Umwege als Anwohnerin Jülichs die richtige Familienkasse, ich erfahre, dass es eine regionale Familienkarte gibt, die Ermäßigungen in vielen sportlichen, kulturellen und gastronomischen Angeboten ermöglicht und sehe auf Anhieb alle in der Region vorhandenen Kinderbetreuungsmöglichkeiten mit Kurzbeschreibung. Auch für das Kind haben sich die Initiatoren des Babybegrüßungsdienstes einiges einfallen lassen: Babysocken, Lätzchen, ein Stofftier, ein Märchenbuch und viele Gutscheine runden das Angebot ab.
Nun die wichtigste Frage: Wer kann diesen Service in Anspruch nehmen?
Antwort: Alle Eltern mit einem Baby bis zu einem Jahr nach der Geburt. Und diese müssen sich noch nicht mal dafür anstrengen, denn etwa sechs Wochen nach der Geburt erhalten die jungen Eltern automatisch Post vom Amt für Familie, Senioren und Soziales des Kreises Düren. In dessen Gratulationsschreiben liegt ein Flyer des Babybegrüßungsdienstes mit einer Antwortkarte bei. Mit Letzterer können die Eltern sich für einen Besuch entscheiden.
Etwa 20 Frauen sind ehrenamtlich für den Babybegrüßungsdienst im Kreis Düren unterwegs, der 2011 im Rahmen der Initiative „Familie im Kreis Düren – Eine runde Sache!“ ins Leben gerufen wurde. In der Jülicher Region sind es drei „mitten im Leben“ stehende Frauen, die junge Eltern besuchen und dort alleine schon durch ihre Lebenserfahrungen als Mutter eine Menge an wertvollen Ratschlägen parat haben: Elvira Boltes, Doris Kofferschläger-Schop und Gabi Schmitz haben in den letzten drei Jahren viel erlebt und die Geschichten darüber sprudeln nur so aus ihnen heraus. Sie berichten über Besuche, bei denen sie von der ganzen Familie inklusive Oma und Opa begrüßt und gastfreundlich zu reich gedeckten Tischen geladen werden, engagierten „Vollblut-Papas“ gegenüber sitzen, bei jungen Müttern Seelentröster und Lebenshilfe sind und sie auch schon mal mit Händen und Füßen reden müssen. Dass die drei Frauen durch ihren Dienst persönlich ganz viel zurückbekommen, macht Gabi Schmitz im Gespräch deutlich: „Es macht mich so unglaublich glücklich, wenn ich helfen kann. Das Schöne an den Besuchen ist auch, dass hier ganz viel Nähe entsteht, obwohl wir ja als „Wildfremde“ kommen. Die jungen Eltern merken, dass wir unser Herz und auch eine gewisse Ruhe ins Haus bringen, so dass wir oft spontan die Kinder in den Arm gedrückt bekommen, was ich persönlich einfach herrlich finde.“ Obwohl der Besuch nur einmalig ist und etwa eine bis maximal zwei Stunden dauert, kommt es oft vor, dass Gabi Schmitz im überschaubaren Jülich immer wieder auf ehemals besuchte Familien trifft und die neuesten Entwicklungen bei einem spontanen Café Kaffee erfährt.
In regelmäßigen Austauschtreffen mit allen Ehrenamtlerinnen und in verschiedenen Fortbildungen halten sich die drei Jülicher Frauen auf dem Laufenden, um so für eine weitere positive Resonanz der Eltern zu sorgen. Im vergangenen Dezember trafen sich alle 20 Mitarbeiterinnen im Kreishaus Düren, bei dieser Gelegenheit bedankte sich Landrat Wolfgang Spelthahn für ihren wichtigen Einsatz.
Nun wieder zurück zum Anfang der Geschichte: Ich wollte, meine Kinder wären ab 2011 geboren – dann hätte ich Gabi Schmitz und die beiden anderen Damen zum persönlich besten Zeitpunkt kennengelernt.